Das neue Billionenpaket von Christine Lagarde
Konjunktur Die Summen sind bereits gewaltig. Jetzt legt die Europäische Zentralbank in der Corona-Krise noch einmal nach
Frankfurt am Main Europas Währungshüter stocken ihre CoronaHilfen kräftig auf. Seit Tagen hatten führende Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) die Märkte darauf vorbereitet. Am Donnerstag lieferte der EZB-Rat.
Welchen Umfang hat das Notkaufprogramm nun?
Das Volumen des am 18. März geschnürten Programms zum Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen wird fast verdoppelt: 1,35 Billionen Euro will die EZB nun in diesem Rahmen investieren, um die drastischen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern. Das sind 600 Milliarden Euro mehr als bislang veranschlagt. Laufen soll das Pandemic Emergency Purchase Programme – kurz PEPP – nun bis mindestens Ende Juni 2021 und damit ein halbes Jahr länger als zunächst geplant. Die EZB bekräftigte, sie werde das Notkaufprogramm aufrechterhalten, bis der EZB-Rat die Virus-Pandemie für bewältigt hält.
Ist die EZB nun mit ihrem Latein am Ende?
Schon im März hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf Twitter betont: „Es gibt für unseren Einsatz für den Euro keine Grenzen.“Volkswirte werten das Notkaufprogramm als Lagardes „Whatever it takes“-Moment – in Anlehnung an ihren Vorgänger Mario Draghi. Der Italiener hatte im Sommer 2012 mit wenigen Worten die Eurozone in ihrer bis dato tiefsten Krise stabilisiert: „Die EZB wird alles tun, um den Euro zu retten“(„Whatever it takes“). Der Bankenverband BdB begrüßte das Handeln der EZB: „Es ist vollkommen richtig, dass die EZB Banken und Anleihemärkten umfangreich Liquidität bereitstellt und auch damit Banken in die Lage versetzt, Unternehmen mit Krediten zur Seite zu stehen“, sagte Hauptgeschäftsführer Christian Ossig.
Warum hatten Volkswirte damit gerechnet, dass die EZB nachlegt?
Ökonomen hatten auf das hohe
Tempo verwiesen, mit dem die EZB Anleihen kauft. Damit wären die bisher veranschlagten 750 Milliarden Euro wohl schon im Herbst ausgeschöpft gewesen.
Welches Ziel verfolgt die EZB mit ihren Anleihenkäufen?
Die Käufe helfen Staaten wie Unternehmen: Sie müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Insbesondere für Staaten ist das wichtig, weil sie milliardenschwere Rettungsprogramme aufgelegt haben. Hauptziel der EZB ist ein ausgewogenes Preisniveau. Das sieht die Zentralbank gewährleistet, wenn die Preise im Euroraum moderat steigen. Mittelfristig wird eine Teuerungsrate knapp unter 2,0 Prozent angestrebt. Denn wenn die Preise stagnieren oder fallen, kann das Verbraucher und Unternehmen verleiten, Investitionen aufzuschieben. Das kann die Konjunktur bremsen. Über Anleihenkäufe kommt zudem Geld in Umlauf, was die Inflation treibt.
Hat das Bundesverfassungsgericht der EZB nicht Grenzen gesetzt?
In einer einschneidenden Entscheidung hat das oberste deutsche Gericht am 5. Mai geurteilt, die Beschlüsse der EZB zu ihrem milliardenschweren Staatsanleihenkaufprogramm PSPP (Public Sector Purchase Programme) seien kompetenzwidrig. Das Programm habe „erhebliche ökonomische Auswirkungen auf nahezu alle Bürgerinnen und Bürger, die als Aktionäre, Mieter, Eigentümer von Immobilien, Sparer und Versicherungsnehmer betroffen sind“, sagte der scheidende Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. Weil Karlsruhe der EZB nicht direkt Vorgaben machen kann, ist nun die Bundesregierung in der Pflicht. Binnen drei Monaten soll sie die EZB bewegen, nachvollziehbar zu dokumentieren, warum das seit März 2015 laufende Programm verhältnismäßig ist. Die Corona-Hilfen der EZB klammerten die Verfassungsrichter im Urteil ausdrücklich aus.
Welche Folgen hat die Geldpolitik für Sparer und Kreditnehmer?
Die EZB ist seit Jahren im Krisenmodus. Schuldner profitieren vom extrem niedrigen Zinsniveau. Der Leitzins liegt weiterhin auf dem Rekordtief von null Prozent. Die Leidtragenden sind die Sparer. Wer viel Geld bei der Bank bunkert, dem drohen sogar Negativzinsen.
Jörn Bender/Friederike Marx, dpa