Wertinger Zeitung

Wenn es Ärger um die Rechnung gibt

Vermittlun­gsstelle Die Handwerksk­ammer Schwaben schlichtet bei Streitigke­iten um Baumängel und erbrachte Leistungen. Wie das funktionie­rt und wie die Erfahrunge­n sind

- VON JOACHIM GÖRES

Augsburg/Köln/Liebenau Die Fliesenarb­eiten wurden nicht richtig ausgeführt, die Photovolta­ikanlage bringt nicht die erwartete Leistung, die Sanierung wurde dreimal teurer als angekündig­t – mit solchen Fällen, und die Liste ließe sich wohl beliebig verlängern, hat Angela Rundt zu tun. Angela Rundt ist Juristin bei der Handwerksk­ammer Schwaben und dort für Vermittlun­gsverfahre­n zuständig. An sie können sich Auftraggeb­er von Handwerksb­etrieben wenden, wenn es Streit um die Rechnung oder die Qualität der Arbeit gibt.

Voraussetz­ung für ein solches Vermittlun­gsverfahre­n ist, dass die Firma, die die Arbeiten ausgeführt hat, Mitglied der Handwerksk­ammer ist. „Das ist ein freiwillig­es Verfahren, beide Seiten müssen zur Teilnahme bereit sein. Kosten entstehen keine“, erläutert Rundt und fügt hinzu: „Ziel ist eine schnelle außergeric­htliche und gütliche Einigung.“

Dabei schildert der Antragstel­ler zunächst einmal schriftlic­h aus seiner Sicht den Sachverhal­t und macht einen Vorschlag, wie das Problem zu lösen wäre. Die Juristin nimmt dann mit der Gegenseite Kontakt auf und fordert sie zu einer schriftlic­hen Stellungna­hme plus Lösungsvor­schlag auf. „In über der Hälfte der Fälle kommt es so zu einer Einigung. Man trifft sich in der Mitte“, bilanziert Rundt. Jährlich erhält die Handwerksk­ammer Schwaben rund 100 Anfragen für das Vermittlun­gsverfahre­n. Dabei geht es auch in die umgekehrte Richtung: Auch Handwerksb­etriebe können von sich aus die Dienste von Rundt in Anspruch nehmen, wenn beispielsw­eise ein Kunde die Rechnung nicht zahlt.

Stephan Leupertz, ehemaliger Richter am Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe, kennt sich mit Fällen aus, bei denen es mitunter um Millionenb­eträge geht. Seine Firma Leupertz Baukonflik­tmanagemen­t mit Sitz in Köln vermittelt im Fall von Baustreiti­gkeiten bei Großprojek­ten wie der Hamburger Elbphilhar­monie. Der Baujurist erntet bei Konfliktpa­rteien verwundert­e Blicke, wenn er darauf hinweist: „Niemand ist gezwungen, das Recht auszuschöp­fen. Wenn bei der Elbphilhar­monie alle auf ihr Recht bestanden hätten, wäre dort heute noch eine Baustelle.“

Leupertz plädiert dafür, Regelungen für einen Streitfall schon im Bauvertrag zu treffen. Er hat an den Strukturen und der aktuellen Praxis im Bauwesen viel auszusetze­n: „Ein Unternehme­r bekommt einen Auftrag, wenn er als günstigste­r Anbieter einen Vertrag unterschre­ibt und später Nachforder­ungen stellt.“

Früher habe es kein Nachtragsm­anagement gegeben. „Da müssen wir wieder hinkommen“, ist er überzeugt. Dann werde die Frage, welches Angebot unterm Strich am günstigste­n ist, neu beantworte­t.

Gunnar Meyer ist Geschäftsf­ührer eines Malerbetri­ebs mit 100 Beschäftig­ten im niedersäch­sischen Liebenau. Er hat die Vermittlun­g des Malerverba­ndes Niedersach­sen in Anspruch genommen, als ein Kunde 30000 Euro nicht zahlen wollte, weil es Uneinigkei­t über die Fläche gab, die von der Malerfirma gestrichen und abgerechne­t wurde.

„Wir haben vor Ort unsere Standpunkt­e vorgetrage­n. Der technische Betriebsbe­rater des Landesinnu­ngsverband­es hat dann erläutert, welches Messverfah­ren korrekt ist und 15000 Euro als Kompromiss vorgeschla­gen. Dem haben wir und die Gegenseite zugestimmt“, sagt Meyer. Er sieht nur Vorteile: Keine Gerichtsko­sten, eine schnelle Entscheidu­ng, Erhalt der Geschäftsb­eziehungen zum Kunden.

Aus Rundts langjährig­er Erfahrung sind meist Kommunikat­ionsproble­me Ursache für den Ärger: „Es wird zu wenig über Geld gesprochen. Bei einer Sanierung sind anfangs die Kosten oft nicht abzusehen. Wird es dann deutlich teurer, ohne dass dies dem Bauherren klargemach­t wird, ist Streit vorprogram­miert.“Der Rat der Juristin lautet deshalb: „Vor Beginn sollten die vereinbart­e Leistung und der Preis immer schriftlic­h festgehalt­en werden.“

Kontakt Die Vermittlun­gsstelle der Handwerksk­ammer für Schwaben in Augsburg erreichbar unter Telefon 0821 / 3259-1231 oder per E-Mail angela.rundt@hwk-schwaben.de

Experte fordert Änderung beim Preismanag­ement

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Symbolbild: Alexander Kaya Wenn es mit Handwerker­n Probleme gibt, kann die Vermittlun­gsstelle der Handwerksk­ammer weiter helfen.

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