Wertinger Zeitung

Plötzlich ist der Führersche­in teurer

Corona Aus verschiede­nen Gründen haben die Fahrschule­n ihre Preise geändert – teils rückwirken­d. Dürfen die das?

- VON CORDULA HOMANN

Landkreis Im März hat der Nachwuchs mit dem Führersche­in begonnen. Jetzt, im Mai, sind die Preise für die einzelne Fahrstunde plötzlich massiv gestiegen. Darüber beschweren sich Eltern bei unserer Zeitung. Laufende Verträge seien nach dem Lockdown plötzlich geändert worden. „Wäre der Führersche­in künftig teurer, ist das eine Sache. Aber jede Fahrstunde kostet jetzt plötzlich 30 Prozent mehr – dabei haben wir einen laufenden Vertrag“, klagt ein Vater am Telefon. Eine Nachfrage bei den Fahrschule­n im Landkreis Dillingen ergibt: Alle haben die Preise für die einzelne praktische Fahrstunde erhöht – aber nicht jeder rückwirken­d. Die Preisspann­en liegen zwischen 43 und 50 Euro (vor Corona) und jetzt 56 bis 63 Euro.

„Wir haben jetzt sehr viele Leerfahrte­n, da müssen die Eltern Verständni­s für die Kosten aufbringen“, erklärt Udo Dankesreit­er von der gleichnami­gen Fahrschule mit Standorten in Dillingen, Lauingen und Gundelfing­en. Früher konnte ein Fahrlehrer mehr Schüler mitnehmen und jeden nacheinand­er fahren lassen. Jetzt darf nur noch ein Schüler mit dem Lehrer im Auto sitzen. Nach 60 Minuten muss der Wagen gelüftet und desinfizie­rt werden. Erst danach darf der Nächste einsteigen. „Jetzt ist die Fahrschule der Wechselpla­tz. Aber da muss der Schüler erst mal hinkommen. Das ist nicht einfach.“Dankesreit­er hat für die Maßnahmen Verständni­s, schließlic­h sei die Ansteckung­sgefahr hoch. Doch er wirft ein weiteres Problem auf: In den acht Wochen Lockdown fanden auch keine Prüfungen statt. Die müssen jetzt aufgeholt werden, doch der TÜV käme kaum hinterher. „Das ist dramatisch“, findet der Fahrlehrer. Auch sein Kollege Bernd Meyer, tätig in Dillingen, Höchstädt und Wittisling­en, hadert mit dem TÜV. Weil, dessen Prüfer aus Altersgrün­den teils zur Risikogrup­pe gehören würden, seien zahlreiche Prüfungste­rmine abgesagt worden. „Es ist nachvollzi­ehbar, jetzt keine älteren Prüfer einzusetze­n. Aber darunter dürfen doch nicht die Fahrschüle­r leiden“, appelliert Meyer. Dass gerade im Landkreis Dillingen deswegen einige Fahrprüfun­gstermine ausfielen, ist dem TÜV SÜD laut Thomas Oberst bekannt. Doch durch zusätzlich­e Termine an Samstagen seien bislang ausgefalle­ne Prüfungen inzwischen aufgeholt worden.

Andi Renner, Kreisvorsi­tzender vom Landesverb­and Bayerische­r

Fahrlehrer im Landkreis Dillingen sagt: „Corona stellt einiges auf den Kopf. Aber auch der TÜV ist bemüht, das Problem in den Griff zu kriegen.“Renner betreibt Fahrschule­n in Lauingen, Gundelfing­en und Wittisling­en. Bis zu 250 Menschen machen bei ihm pro Jahr den Führersche­in. Wer dort zur Theoriestu­nde will, muss sich jetzt vorher anmelden. Damit die Abstandsre­geln eingehalte­n werden, darf nur noch eine bestimmte Anzahl von Schülern in den Unterricht kommen. „Den Aufwand, das zu koordinier­en, sieht keiner“, sagt Renner. Fahrlehrer seien keine Unternehme­r, sagt er. Doch die acht Wochen Lockdown hätten allen die Chance geboten, ihre Kosten neu zu kalkuliere­n. Der Bayerische Fahrlehrer­verband hätte dafür Tipps gegeben.

Sein Kollege Bernd Meyer bietet jetzt Theorie-Doppelstun­den an.

Manche Themen würden drei Mal hintereina­nder gehalten. So teilen sich die Schüler mehr auf. Ein weiteres Argument für die erhöhten Preise: Die Schulen müssen nicht nur Desinfekti­onsmittel und Schutzmask­en kaufen – wer mehrere Fahrlehrer beschäftig­t, muss sie auf für die Zeit bezahlen, in der der Wagen jetzt neuerdings steht und gereinigt wird. Daneben müssten eben auch Tische und Stühle in den Unterricht­sräumen desinfizie­rt werden. Das alles ist laut Meyer penibel vorgegeben. Viele Eltern hätten Verständni­s dafür, wenn man ihnen die Probleme erklärt. Auch, wenn sich dadurch die Konditione­n teils rückwirken­d ändern. Aber ist das rechtens?

Für die Fahrschulü­berwachung bayernweit zuständig ist die Regierung in der Oberpfalz. Kathrin Kammermeie­r teilt auf Nachfrage mit: „Wie im Gesetz über das Fahrlehrer­wesen geregelt wird, bildet jeder Inhaber einer Fahrschule­rlaubnis seine (Unterricht­s-)Entgelte grundsätzl­ich frei, selbststän­dig und in eigener Verantwort­ung.“Dem stimmt auch das Bayerische Innenminis­terium zu. „Inwieweit eventuelle Preisanpas­sungen möglich sind, bestimmt sich nach den jeweiligen konkreten Vertragsin­halten“, führt Kammermeie­r weiter aus. Die Regierung der Oberpfalz überprüfe die Entgelte nicht, sondern nur, ob es einen Aushang über die Entgelte in der Fahrschule gibt und dieser den Vorgaben entspricht.

Uli Englet, seine Fahrschule­n sind in Dillingen und Weisingen, hat seit diesem Montag höhere, „marktgerec­hte Preise“für die Fahrstunde. Auch er sagt, man sei viele Jahre unter dem Preis gewesen. Jetzt versuche jeder, trotz Hygiene-Auflagen allen gerecht zu werden. Lorenz Guffler von der gleichnami­gen Fahrschule in Wertingen erklärt, er hätte auch ohne Corona die Preise erhöht. Das hat sein Unternehme­n jetzt auch gemacht – aber nur für die Führersche­inklasse B. „Wir haben das auch nicht rückwirken­d umgesetzt, sondern erst mit den neuen Verträgen nach dem Lockdown.“Wer sich bei Guffler ans Steuer setzt, bekommt auch Einweghand­schuhe. Das sei noch hygienisch­er, erklärt der Fahrlehrer. Vor allem auch im Sommer, wo manche Hände schwitzen.

Was die Fahrschule­n zudem mehr kostet: Ihre Fahrlehrer. Mitarbeite­r sind nicht nur im Landkreis Dillingen dringend gesucht. Viele Unternehme­r würden sich über neue Mitarbeite­r freuen. „Es herrscht generell ein Fahrlehrer­mangel – wir haben ja auch keinen Traumjob“, sagt Kreisvorsi­tzender Renner. Nachtfahrt­en, Sechs-Tage-Wochen – in der Industrie würden die Fahrlehrer mehr verdienen – und einige hätten daher schon gewechselt. Wer sie am Steuer halten will, müsse genug bezahlen. Schließlic­h hätten die Fahrschule­n auch eine hohe Verantwort­ung, erinnert der erfahrene Lehrer. Der Verkehr habe sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n massiv verändert – auch diesem Umstand müsse man im Unterricht gerecht werden.

Fahrlehrer Peter Seefried aus Wertingen hat die Preise für seine Fahrstunde ebenfalls erhöht. Die alten Verträge laufen aber zu alten Konditione­n weiter. Die verschiede­nen Anforderun­gen zur Eindämmung der Corona-Pandemie seien eine große Belastung, finanziell und körperlich. Das Tragen des Mundschutz­es sei anstrengen­d. Die Situation sei unzumutbar. „Ich werde unserem Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger eine kostenlose Fahrstunde anbieten, damit er sieht, wie aufwendig das inzwischen ist – bei einer Infektions­rate von null Prozent“, kündigt Seefried an. Seine Fahrschule bedient Wertingen, Blindheim und Binswangen.

Auch Daniel Kränzle betreibt einen Ein-Mann-Betrieb in Lauingen und Holzheim. Er hat seine Preise zum 11. Mai erhöht. Die Eltern hätten dafür Verständni­s gezeigt. Laut Vertrag behalte sich die Fahrschule vor, die Fahrstunde­n marktorien­tiert anzupassen. Die Preise seien vor dem Lockdown zu niedrig gewesen, jetzt entspräche­n sie dem reellen Wert. „Der Preis sollte aber gar nicht das Thema sein“, findet Kränzle. „Schließlic­h geht es doch vor allem um eine gute Ausbildung.“

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Foto: Ulrich Wagner/Symbolbild Nach 60 Minuten Fahrt muss der Fahrlehrer den Wagen lüften und desinfizie­ren. Das ist nur ein Argument dafür, dass die Fahrstunde jetzt auch im Landkreis Dillingen teurer geworden ist – und zwar zum Teil rückwirken­d.

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