„Nordschwaben sind sehr umweltbewusst“
Interview Vielerorts steigt die Müllmenge in der Krise. In der Region ist das aber anders. Einen Trend erkennt Gerhard Wiedemann, Werksleiter beim Abfallwirtschaftsverband, seit Jahren
In ganz Deutschland steigt in Zeiten von Homeoffice und Ausgangsbeschränkungen die Müllmenge, vor allem im privaten Umfeld. Herr Wiedemann, Sie als Werkleiter des Abfallwirtschaftsverbands Nordschwaben: Wie ist die Lage in der Region?
Gerhard Wiedemann: Insgesamt sind die Müllmengen im Vergleich zum Vorjahr im Gebiet des AWV, also in den Landkreisen Dillingen und Donau-Ries, nicht gestiegen. Es gibt lediglich Unterschiede in einzelnen Fraktionen, die wohl durch Corona bedingt sind. So sind beispielsweise die Baustellenabfälle um 15 Prozent, die Sperrmüllmenge um 5 Prozent und die Kartonagen auf den Recyclinghöfen um 5 Prozent zurückgegangen. Demgegenüber ist die Restmüllmenge über die Sammlung grauer
Tonnen um vier
Prozent gestiegen. Die beim AWV angelieferten Gewerbeabfallmengen sind leicht zurückgegangen, allerdings werden die meisten Industrieund Gewerbeabfälle über die privaten Entsorgungsfirmen entsorgt.
Wie kommt es Ihrer Einschätzung nach zu dieser Entwicklung?
Wiedemann: Die Unterschiede, etwas mehr Restmüll und etwas weniger Sperrmüll, sind auf die vorübergehende Schließung der Recyclinghöfe zurückzuführen. Die Situation hat sich bereits jetzt normalisiert. Der deutliche Rückgang der Baustellenabfälle hat mit der coronabedingten Abnahme von Umbauarbeiten zu tun. Der AWV hatte zudem, in der Zeit, als die Recyclinghöfe geschlossen waren, kostenlos Zusatzmüll mitgenommen, deshalb sind diese Mengen im April deutlich gestiegen. Der AWV hat sich bei den Entsorgungsfirmen und den besonders belasteten Müllwerkern für diese Arbeit bedankt und den Müllwerkern eine Anerkennung in Form eines Tankgutscheins zukommen lassen, da auch diese Berufsgruppe besonders viel leisten musste.
Unternehmen wie Amazon verbuchen zurzeit Rekordgewinne. Auch in der Region bestellen viele lieber, als selbst einkaufen zu gehen. Finden Sie jetzt also besonders viele Kartonagen im Müll? Was werfen die Menschen sonst besonders oft weg?
Wiedemann: Die Kartonagen- und Verpackungsmengen steigen seit Jahren deutlich. Vor zehn Jahren lag der Kartonagenanteil im Altpapier bei rund 15 Prozent des Gewichts, heute liegt er bei 33 Prozent. Einen zusätzlichen Coronaeffekt erkennen wir nicht. Demgegenüber nehmen Zeitungspapier und Ähnliches ab, mit dem Effekt, dass die Altpapiermenge insgesamt konstant bleibt, obwohl die Zahl der blauen Tonnen stetig und deutlich steigt. Da konnten wir in den vergangenen zehn Jahren ein Plus von 16 Prozent verzeichnen. Was Menschen besonders gerne wegwerfen, sind kurzlebige Produkte wie billige Möbel oder Elektrogeräte.
Heute ist Weltumwelttag. Gerade der Schutz unserer Umwelt ist während der Pandemie augenscheinlich eher in den Hintergrund gerückt. Haben Sie Tipps, wie man gerade jetzt Müll reduzieren kann?
Wiedemann: Die Bürger Nordschwabens verhalten sich auch in CoronaZeiten umweltbewusst, eine Änderung des guten Trennverhaltens ist nicht ersichtlich. Die Entstehung von Müll liegt in der Hand jedes Einzelnen, die Nordschwaben sind sehr umweltbewusst und liegen unter dem bayerischen Durchschnitt, was die Müllmenge anbelangt. Ein Tipp zur Abfallreduzierung: Kaufen Sie regional, und kaufen Sie langlebige reparierbare Produkte.
Wie sieht es an den Recyclinghöfen des AWV aus? Die meisten sind wieder geöffnet. Gleich am ersten Wochenende gab es einen regelrechten Ansturm. Hat sich der Betrieb wieder normalisiert? Wiedemann: Derzeit sind bis auf die sechs kleinsten Recyclinghöfe alle geöffnet. Ab 1. Juli werden auch die kleinen Höfe wieder geöffnet. Allerdings werden voraussichtlich die Zugangsregelungen und auch das Abstandsgebot bleiben. Die Maskenpflicht wird dann nur noch im Kassenbereich gelten oder, wenn der Abstand nicht gewahrt werden kann. Der Betrieb hat sich weitgehend normalisiert, allerdings gibt es wegen der Zugangsregelung immer wieder Schlangen vor den Höfen. Der AWV bemüht sich, das weiter abzubauen und bedankt sich ausdrücklich bei allen Bürgern für das Verständnis für die Schutzmaßnahmen und die Unterstützung beim Betrieb der Recyclinghöfe.