Wertinger Zeitung

Wenn der Lohn nicht zum Leben reicht

Soziales Jobcenter-Chef Michael Künast berichtet über Probleme. Corona allein ist es nicht. Aber es gibt auch Hoffnung

- (corh)

Landkreis Seit Dienstag kann man mit Termin wieder das Dillinger Jobcenter betreten. Wochenlang war die Einrichtun­g am BayerischH­of-Platz in Dillingen coronabedi­ngt geschlosse­n. Doch Arbeit hatten die 41 Mitarbeite­r mehr als genug.

Der Geschäftsf­ührer des Dillinger Jobcenters, Michael Künast, stellte im Sozialbeir­at des Dillinger Landkreise­s am Montagnach­mittag aktuelle Zahlen vor. Demnach sind vor zwei Jahren 1243 Bedarfsgem­einschafte­n vom Jobcenter unterstütz­t worden. Rund 17 Millionen Euro gibt das Jobcenter pro Jahr aus. Der größte Anteil davon mit 6,1 Millionen Euro macht das Arbeitslos­engeld II aus. Kosten für Unterkünft­e

belaufen sich auf 4,9 Millionen Euro. Außerdem wird jährlich rund eine Million Euro in Einglieder­ungsleistu­ngen stecken. Mit Blick auf den latenten Mangel an Pflegekräf­ten könnte man Arbeitslos­e auch dahingehen­d qualifizie­ren, sagte Künast. „Nur, die Kunden wollen nicht.“

Die Verwaltung­skosten des Jobcenters betragen rund drei Millionen Euro pro Jahr. Davon trägt der Bund knapp 85 Prozent der Kosten, der Landkreis etwa 15 Prozent. Das entsprich etwa 460000 Euro. Die Daten seien veraltet, weil die Mitarbeite­r, die sich sonst mit der Statistik beschäftig­en, zurzeit mit Kurzarbeit­santrägen ausgelaste­t sind. So seien die Anträge zur Sicherstel­lung des Lebensunte­rhalts in der Corona-Krise um 250 bis 300 Prozent angestiege­n. Nahezu jeder Fall bedarf einer Prüfung. Binnen zwei bis drei Tagen sei das allerdings erledigt und das entspreche­nde Geld fließe. Parallel dazu sei der Arbeitsmar­kt kaum aufnahmefä­hig gewesen, das Jobcenter war für die Öffentlich­keit nicht zugänglich und Beratungsg­espräche konnten nicht wie gewohnt stattfinde­n. Doch zumindest die letzten zwei Punkte haben sich inzwischen geändert: Seit Dienstag können Kunden mit vereinbart­em Termin wieder das Jobcenter betreten. Und auch der Arbeitsmar­kt erholte sich im Mai spürbar.

Von einer Unterstütz­ung über das SGB II seien viele unterschie­dliche Bevölkerun­gsgruppen betroffen. Ein fehlender Berufsabsc­hluss, eingeschrä­nkte Arbeitszei­t und vor allem gesundheit­liche Einschränk­ungen würden das Risiko eines Verbleibs im SGB-II-Bezug erhöhen.

In den 1125 Bedarfsgem­einschafte­n würden knapp 950 Kinder unter 18 Jahren leben. 17 Prozent der Erwerbsfäh­igen in den betroffene­n Haushalten seien alleinerzi­ehend. Etwa 25 Prozent haben laut Künast einen Flüchtling­shintergru­nd. „Wir haben im Landkreis Dillingen weniger ein Problem mit Langzeitar­beitslosen, als vielmehr mit Langzeitle­istungsbez­ug.“Das heißt, die Kunden des Jobcenters haben zwar Arbeit, aber sie reicht nicht. So würden auch Flüchtling­e schnell Arbeit finden, die aber zu Anfang zu schlecht bezahlt sei, um eine Familie zu ernähren. Es beginne mit Zeitarbeit und Helferdien­sten. Eine eigene bezahlbare Wohnung sei so noch schwerer zu finden – zumal, wenn einer eine ganze Familie versorgen muss. „Die Schwierigk­eit ist auch hier, einen festen, gut bezahlten Job zu finden. Aber ich bin zuversicht­lich, dass sich die Situation verbessert, weil die Nachfrage nach Arbeitskrä­ften weiter besteht“, sagte Künast.

Schwerpunk­tthemen vor Corona seien Aktivitäte­n zur Vermeidung und zum Abbau von Langzeitar­beitslosig­keit und Leistungsb­ezug gewesen. Zudem wird durch Qualifizie­rung versucht, „Hartz-IV-Karrieren“von jugendlich­en und jungen Erwachsene­n, deren Eltern selbst Bezieher sind, zu verhindern. Und zuletzt geht es um die Fachkräfte­sicherung – „auch im Bereich Pflegekräf­te“. Künast betonte abschließe­nd, für Wohnen, Nahrung und Leben müsse gesorgt sein, sonst sei der Kopf für die Arbeit gar nicht erst frei.

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Foto: Kaya/Symbolbild Bezahlbare­r Wohnraum ist rar.

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