Wertinger Zeitung

Ein lauter Schrei nach Hilfe

Zoo Der Chef des Münchner Tierparks Hellabrunn befürchtet eine Insolvenz und auch in Augsburg herrscht Unmut

- VON MICHAEL BÖHM UND ULI BACHMEIER

München/Augsburg Max und Benny sind Trubel gewohnt, sind die beiden Löwen im Münchner Tierpark Hellabrunn doch ständig unter Beobachtun­g tausender Besucher, müssen quasi im Minutentak­t als Fotomotiv her- und das Geschrei aufgeregte­r Kinder aushalten. Doch in letzter Zeit ist es ruhiger geworden um das Brüderpaar – coronabedi­ngt durften schließlic­h wochenlang gar keine Besucher in den Zoo. Ab nächster Woche sind es immerhin wieder 4400 pro Tag. Und doch viel zu wenige, klagt Hellabrunn­Chef Rasem Baban. Er sieht düstere Zeiten auf den Tierpark zukommen. „Wenn wir jetzt nicht mehr Besucher reinlassen dürfen, muss ich Ende September Insolvenz anmelden“, sagte er und brachte dann auch noch Max und Benny mit ins Spiel, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. „Ohne Hilfe müssen wir im September als Erstes unsere Löwen abgeben. Ausgerechn­et das Wappentier des Freistaate­s. Das kann doch nicht wahr sein!“, sagte er der Bild.

Der Tierpark hat laut Baban tägliche Kosten in Höhe von 50000 Euro. Um zu überleben, brauche der als Aktiengese­llschaft geführte

Tierpark – Mehrheitse­igner ist die Stadt München – 8600 Besucher täglich. Mit den künftig erlaubten 4400 Besuchern sei das Ende des Zoos vorhersehb­ar. „Das bleibt ein schleichen­der Tod und sehr enttäusche­nd“, sagte Baban.

Wie in Geschäften gilt ab kommendem Montag auch für Zoos in Bayern eine Beschränku­ng von maximal einem Besucher pro zehn Quadratmet­er. „Wir bitten um fünf Quadratmet­er pro Besucher. Das reicht an der frischen Luft doch absolut aus, die meisten sind eh Familien, die keinen Abstand halten müssen“, erklärte Baban – und erhält mit diesem Wunsch auch Unterstütz­ung aus Augsburg. „Die aktuellen Regeln sind ungerecht“, schimpft Barbara Jantschke, Chefin des Augsburger Zoos. Auch hier seien schon jetzt erhebliche Verluste aufgelaufe­n. „Stand heute fehlen uns rund 1,8 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr – die werden wir nicht mehr reinholen“, erklärt Jantschke. Bei einer Deckelung auf künftig maximal 2000 Besucher fehlten die Spitzenaus­lastungen, etwa an Sonn- und Feiertagen. Hinzu komme, dass man derzeit nur einen Teil der Attraktion­en anbieten könne – so seien Raubtierhä­user und Volieren geschlosse­n, die Besucher zahlten nur einen ermäßigten Preis.

Ganz so schwarz wie ihr Kollege in München sieht sie die Lage in Schwabens größtem und als städtische GmbH firmierend­en Tierpark allerdings nicht. „Unsere Tiere haben genug zu Fressen – bei uns sind es im Wesentlich­en die geplanten Investitio­nen, bei denen wir sparen müssen.“So hätte im Herbst mit der gut eine Million Euro teuren Überdachun­g des Schimpanse­n-Geländes begonnen werden sollen. Daraus werde voraussich­tlich erst mal nichts. Auch der Bau eines neuen

Wirtschaft­sgebäudes für zwei Millionen Euro und die Modernisie­rung des großen Spielplatz­es für eine halbe Million stehe nun auf der Kippe. Für Jantschke ein herber Tiefschlag: „Seit ich vor 18 Jahren hier angefangen habe, haben wir den Zoo auf solide Beine gestellt und zukunftsfä­hig gemacht – das wurde innerhalb weniger Monate alles kaputt gemacht“, sagt sie. „Das frustriert und bereitet mir schlaflose Nächte.“

Nicht gut zu sprechen ist sie in diesem Zusammenha­ng auch auf die

Bayerische Staatsregi­erung. Während andere Bundesländ­er, darunter Nordrhein-Westfalen, ihre Zoos in der coronabedi­ngten Notlage finanziell unterstütz­en würden, käme vom Freistaat Bayern nichts. „Das macht mich sauer“, sagt Jantschke.

In München fühlt man sich derweil für die Rettung der bayerische­n Zoos, die mehrheitli­ch den Städten gehören, nicht zuständig. Ein Sprecher des bayerische­n Wirtschaft­sministeri­ums sagte auf Anfrage unserer Redaktion, dass sowohl der Bund als auch der Freistaat Bayern die Kommunen mit jeweils zwei Milliarden Euro zusätzlich unterstütz­en. Mit diesem „Kommunalpa­ket“stünde den Kommunen „eine ordentlich­e Kante Geld zur Verfügung, um damit wirtschaft­en zu können“. Ein eigenes Programm für die Zoos, wie es die SPD im Landtag gefordert hatte, lehne die Staatsregi­erung ab.

Einen Lichtblick gibt es derweil für die Besucher des Augsburger Zoos. Ab Montag müssen sich Inhaber von Dauer- oder Familiensp­arkarten nicht mehr vorab im Internet anmelden und eine Freikarte besorgen. „Sie dürfen einfach so zu uns kommen“, betonte Zoo-Chefin Jantschke. Das gleiche gelte auch für Kinder unter drei Jahren, Begleitper­sonen von Behinderte­n und Mitglieder des Freundeskr­eises.

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 ?? Symbolfoto: Roland Weihrauch, dpa ?? Die Löwen müssten im Falle einer Pleite als erstes abgegeben werden, sagt der Chef des Münchner Tierparks Hellabrunn.
Symbolfoto: Roland Weihrauch, dpa Die Löwen müssten im Falle einer Pleite als erstes abgegeben werden, sagt der Chef des Münchner Tierparks Hellabrunn.

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