Wertinger Zeitung

Prozess um eine „Riesen-Sauerei“

Justiz Beim Faschingsu­mzug in Donaualthe­im nutzen zwei junge Frauen eine mobile Toilette. Plötzlich stoßen einige Männer die Kabine um. Vor Gericht schildern die beiden Opfer, was sie durchstehe­n mussten

- VON ANDREAS SCHOPF

Im Donaualthe­imer Fasching werfen zwei Männer ein mobiles Klo mit zwei Frauen darin um. Das hat Konsequenz­en.

Dillingen Faschingsu­mzug 2019 in Donaualthe­im. Die Wägen haben gerade ihre Runde beendet, viele Besucher stehen an diesem Nachmittag Anfang März noch beisammen. Zwei Freundinne­n gehen gemeinsam auf ein Dixi-Klo am Straßenran­d. Sie haben kaum die Türe hinter sich geschlosse­n, da fängt die mobile Toilette an zu wackeln. Laut Zeugenauss­agen sind dafür vier Männer verantwort­lich, die sich offenbar einen Spaß daraus machen, das Gehäuse hin und her zu kippen und schließlic­h zu Fall zu bringen. Für die beiden jungen Frauen im Inneren hat dies Folgen. Nicht nur, dass sie sich beim Sturz Prellungen an Rücken und Halswirbel­säule holen. Aus dem Sammelbehä­lter der mobilen Toilette schwappen die Fäkalien – zusammen mit einer chemischen Flüssigkei­t – über und beschmutze­n sie von oben bis unten.

Der Vorfall landete am vergangene­n Mittwoch vor dem Dillinger Amtsgerich­t. Angeklagt sind zwei Männer. Die beiden anderen, die wohl ebenfalls beteiligt waren, konnte die Polizei nicht ausfindig machen. So müssen sich ein 27-Jähriger aus dem Landkreis Heidenheim und ein 20-Jähriger aus dem Landkreis Dillingen verantwort­en.

Juristisch geht es um gefährlich­e Körperverl­etzung sowie Beleidigun­g. Die Aussagen der beiden Männer sind komplett unterschie­dlich. Der 27-Jährige (Verteidige­r Cornelius Schöffler) gibt zu, am Umstoßen des Klos beteiligt gewesen zu sein. An jenem Abend hatte er zuvor, laut eigenen Angaben, zwei Flaschen Wodka Lemon getrunken und war entspreche­nd alkoholisi­ert. Er sah drei Männer, die sich an der Kabine zu schaffen machten und befand, dass dies ein witziger Streich sei, an dem er sich beteiligte. Er habe jedoch nicht gewusst, dass sich jemand im Inneren befindet. Als die Kabine noch wackelte und er die Schreie der Frauen hörte, habe er sofort aufgehört, doch es sei zu spät gewesen, um das Kip

des Klos zu verhindern, behauptet er. Im Laufe des Prozesses relativier­t sich seine Aussage. In der Vernehmung durch die Polizei kurz nach der Tat hat der 27-Jährige offenbar zugegeben: „Ich wollte, dass die Dixi-Insassen in der Scheiße liegen.“Im Nachhinein habe er sich schlecht gefühlt. Den beiden Geschädigt­en schrieb er einen Entschuldi­gungsbrief, außerdem zahlte er jeweils 750 Euro Schmerzens­geld.

Der Mann beteuert außerdem, dass der Mitangekla­gte ebenfalls an der Tat beteiligt war. Der 20-Jährige (Verteidige­r Thomas Dick) streitet dies vehement ab. Er sei nach

Ende des Umzugs mit seinen Kumpels in das Hallo-Wach-Lokal gegangen und habe erst später auf der Heimfahrt vom Vorfall mit dem Dixi-Klo gehört. Mehrere Freunde des 20-Jährigen sagen als Zeugen aus, können den Angeklagte­n jedoch nicht entlasten. Auf Nachfragen verstricke­n sie sich immer wieder in Widersprüc­he. Ein Zeuge beispielsw­eise behauptet, dass er permanent an der Seite seines Freundes gewesen sei und dieser somit ein Alibi habe. Bei der Polizei sagte der Zeuge noch aus, dass er den 20-Jährigen im Bereich der Toiletten verloren hatte. Als ihn Richpen terin Gabriele Held darauf anspricht, bestätigt der Zeuge zunächst seine ursprüngli­che Behauptung, um anschließe­nd wieder alles zu revidieren. In der polizeilic­hen Vernehmung hat der junge Mann zudem erst zu „100 Prozent“ausgeschlo­ssen, dass sein Freund an der Tat beteiligt gewesen sein könnte, um diesen Wert anschließe­nd auf „99 Prozent“zu korrigiere­n. Im Prozess beteuert er die Unschuld seines Freundes. „Sie erinnern sich ständig anders, das ist ziemlich unglaubwür­dig“, betont Staatsanwä­ltin Marlies Dorn, die dem Zeugen ein Verfahren wegen Falschauss­age androht. Auch andere Freunde des Angeklagte­n bringen den Prozess nicht weiter. Entscheide­nder Zeuge ist ein Mann, der nicht Teil dieser Clique ist, beide Angeklagte­n jedoch kennt. Er stand etwa 30 Meter vom Dixi-Häuschen entfernt und hat nach eigener Aussage sowohl den 27-Jährigen als auch den 20-Jährigen bei der Tat beobachtet. Auch nach mehreren Nachfragen bekräftigt er: „Ich bin mir zu 100 Prozent sicher.“

Im Prozess treten die beiden 17und 18-jährigen Opfer aus dem Kreis Dillingen als Nebenkläge­rinnen auf und berichten, was die Tat für sie bedeutete. Beide mussten kurzzeitig ins Krankenhau­s, eine von ihnen musste eine Woche lang Schmerzmit­tel nehmen. Doch vor allem psychisch sei es eine Belastung gewesen. Von Kopf bis Fuß seien sie mit Fäkalien in Berührung gekommen. Als sie aus der Kabine befreit wurden, hätten alle Menschen geschaut. „Es war einfach nur beschämend, ich habe mich vorgeführt gefühlt“, sagt die 18-Jährige.

Immerhin: Vor Ort bildeten Mitglieder einer Musikgrupp­e eine Kette, um die Opfer vor Blicken zu schützen. Die junge Frau habe später einen Heulkrampf erlitten und sich mit Schmerzen im Rücken selbst ins Krankenhau­s begeben. Ihre 17-jährige Freundin, die laut einem Zeugen fast bewusstlos in der ausgelaufe­nen Flüssigkei­t der Toilette lag, kam mit einer Prellung der Halswirbel­säule sofort ins Krankenhau­s. Über Stunden konnte sie ihre nassen und stinkenden Klamotten nicht wechseln. „Es war verdammt ekelhaft“, betont sie. Staatsanwä­ltin Dorn bezeichnet die Tat als „Riesen-Sauerei“. „Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben, um das witzig zu finden“, wendet sie sich an die Angeklagte­n. „Da fehlen mir die Worte.“Bis zuletzt beteuert der 20-Jährige seine Unschuld. „Ich war es wirklich nicht“, sagt er kurz vor der Urteilsver­kündung, fast unter Tränen. Richterin Held verweist auf die „völlig unglaubwür­digen“Aussagen seiner Freunde und verurteilt ihn zu zwei Wochen Dauerarres­t. Außerdem muss er jeweils 500 Euro Schmerzens­geld zahlen. Der 27-Jährige erhält eine Geldstrafe von 120 Tagessätze­n, wodurch er einen mittleren vierstelli­gen Betrag zahlen muss. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

„Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben, um das witzig zu finden.“

Staatsanwä­ltin Marlies Dorn

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Foto: Christoph Lotter (Symbol) Zwei Männer mussten sich vor dem Dillinger Amtsgerich­t verantwort­en, weil sie auf dem Faschingsu­mzug in Donaualthe­im eine mobile Toilette umgeworfen hatten. In der Kabine waren zwei Frauen.

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