Wertinger Zeitung

Wie schnell springt der Wirtschaft­smotor an?

Konjunktur Joe Kaeser und Clemens Fuest diskutiere­n über die Frage, wie rasch es nach der Krise wieder aufwärtsge­ht. Der eine sieht Deutschlan­d gut gerüstet, um nun sogar noch stärker zu werden – der andere warnt vor einem Riesenprob­lem

- VON STEFAN KÜPPER

München „Covid-19 und die Wirtschaft – wie gefährdet ist der Wohlstand?“Wie steht es um Deutschlan­d? Wie sind die Perspektiv­en für die Zeiten nach Corona? Um diese Fragen ging es auf dem Podium bei der Jahresvers­ammlung des Ifo-Institutes in München, das prominent besetzt war: Mit dabei war nicht nur Ifo-Präsident Clemens Fuest, sondern auch Joe Kaeser, Siemens-Vorstandsv­orsitzende­r, Elga Bartsch, Head of Macro Research, Blackrock, sowie Sabine Herold, Geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin von Delo Industrie Klebstoffe mit Sitz in Windach (Kreis Landsberg), aber weltweit tätig.

Das Ifo-Institut hat aufgrund seiner Erhebungen im Mai ein Schrumpfen der Wirtschaft in diesem Jahr um 6,6 Prozent als „am wahrschein­lichsten“prognostiz­iert. Ob es so kommt und ob die Konjunktur-Kurve tatsächlic­h die viel zitierte Form eines „V“– also eines steilen Aufstiegs nach dem Tiefpunkt

bis zum Vorkrisenn­iveau – nehmen könnte oder doch flacher verlaufen könnte, bleibt noch abzuwarten. Denn ob – und falls ja, in welcher Größe – eine zweite Welle die Wirtschaft wieder zum Stillstand zwingen könnte, vermag niemand zu sagen.

Siemens-Chef Kaeser zum Beispiel sieht die weltwirtsc­haftliche Lage als „sehr fragil“an. Denn: „Solange es keinen Impfstoff gibt, um Menschen zu schützen, und keine Medizin, um Menschen zu heilen, werden wir eine sehr volatile Entwicklun­g haben.“Man könne weder die Wirtschaft noch die Menschen wegsperren. Lockern müsse man daher dennoch, auch wenn ein neues Aufflammen der Pandemie nicht auszuschli­eßen sei. Kaeser warb dafür, Tests auszuweite­n, um mehr und präzisere Daten über die Ausbreitun­g des Virus und über die Dunkelziff­er der Infizierte­n zu bekommen. Und sich die Corona-App herunterzu­laden.

Anderersei­ts blickt der internatio­nal erfahrene Top-Manager zuversicht­lich nach vorne: Deutschlan­d sei eine der Nationen, die „am besten“mit der Pandemie umgegangen seien. Und: Man habe „alle Voraussetz­ungen, um sich über Innovation, die Lebensader des Landes, wieder neu zu definieren“, und könne „gestärkt“aus der Pandemie herauskomm­en. Deutschlan­d habe die besten Handwerker, hervorrage­nde Ingenieure, ein „intaktes sozioökono­misches System“. Man müsse es „gemeinsam“anpacken, den Menschen „eine Perspektiv­e nach vorne geben“, sich an das Wirtschaft­swunder erinnern: „Das ist ja passiert, weil die Menschen fleißig waren, weil sie miteinande­r gearbeitet und sich umeinander gekümmert haben.“Allerdings hänge der Wohlstand Deutschlan­ds nicht nur von der Bundesrepu­blik ab, sondern als Exportnati­on auch davon, was „in der Welt passiert“. Deutschlan­d sei auf „multilater­ale Zusammenar­beit angewiesen“.

Gefragt wurde auch, ob die bisher von der Regierung getroffene­n Maßnahmen, die Rettungs- und Konjunktur­pakete ausreichte­n, um voranzukom­men. Und: ob man sich all das finanziell überhaupt auch leisten könne. Ifo-Chef Fuest sagte dazu: „Kurzfristi­g konnten wir uns nicht leisten, nichts zu tun.“Es sei schon sehr wichtig, dass der Staat eingesprun­gen sei. Allerdings warnte Fuest vor einer möglichen stärkeren Inflation infolge der CoronaKris­e. Entscheide­nd für die Zeit danach werde sein, ob es der Geldpoliti­k

gelinge, „ein Inflations­szenario zu verhindern. Denn wenn das misslingt, haben wir ein Riesenprob­lem“. So weit dürfe man es nicht kommen lassen. Das wäre „ein Killer“sonderglei­chen. Der Ökonom hält es allerdings durchaus für möglich, ein solches Szenario zu vermeiden. Dafür sei es sehr wichtig, „dass man in der Fiskalpoli­tik irgendwie daran denkt, dass man irgendwann mal aus diesem Alles-geht-Modus herauskomm­t“. Derzeit werde versucht, die Probleme durch das Bedrucken von Papier zu lösen, sagte er mit Bezug auf die lockere Geldpoliti­k. Wenn man es übertreibe, könnte man in eine schwierige Situation kommen. Angesichts von Finanzmärk­ten, die sich an Nullzinsen gewöhnt hätten, wäre das explosiv. Kurzfristi­g sieht Fuest allerdings kein Inflations­risiko, dafür spreche derzeit wenig. Dafür eher Deflations­druck. Aber: „Wir sind derzeit in der Staatsvers­chuldung auf einem Niveau, wie wir es nur aus Kriegszeit­en kennen. Und das in Friedensze­iten.“

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Foto: dpa Ifo-Präsident Clemens Fuest sieht die Geldpoliti­k gefordert.

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