Wertinger Zeitung

Ein letztes Wiedersehe­n

Kirche Überrasche­nd besucht der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. seinen schwer kranken Bruder in Regensburg. Die Geschwiste­r sind sich eng verbunden. Nun nehmen sie Abschied voneinande­r

- VON DANIEL WIRSCHING

Regensburg Der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. ist überrasche­nd von Rom nach Regensburg gereist, um seinem schwer kranken, sterbenden Bruder Georg Ratzinger beizustehe­n. Der frühere Kapellmeis­ter der Regensburg­er Domspatzen war im Januar 96 Jahre alt geworden.

Benedikt, der mit bürgerlich­em Namen Joseph Ratzinger heißt, landete nach Angaben von Clemens Neck, Sprecher des Bistums Regensburg, am Donnerstag­vormittag am Flughafen in München. Dort sei er vom Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r empfangen worden. Begleitet wurde der 93-jährige Benedikt von seinem Privatsekr­etär, Erzbischof Georg Gänswein, seinem betreuende­n Arzt, einer Ordensfrau und einem Pfleger aus Rom. Am Nachmittag habe er seinen Bruder Georg zum ersten Mal besucht, sagte Neck im Gespräch mit unserer Redaktion, und sei „strahlend“wieder aus dessen Haus gekommen. „Man merkte ihm auf seinem Gesicht die Freude darüber an, dass dieser Besuch noch zustande gekommen ist.“Schließlic­h könne die Begegnung die letzte der beiden Brüder sein.

Wie lange Benedikt in Regensburg bleibt, konnte Neck am Donnerstag­nachmittag noch nicht sagen. Es handele sich um einen reinen Privatbesu­ch, betonte er. So solle es weder weitere Begegnunge­n mit anderen, öffentlich­e Termine oder offizielle Fotos geben. Benedikt wohnt im Priesterse­minar mitten in der Stadt; es seien besondere Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen worden, so Neck. Auch das Haus Georg Ratzingers wird von der Polizei bewacht. „Es war wirklich eine spontane Entscheidu­ng des emeritiert­en Papstes, nach Regensburg zu reisen“, sagte Neck. Über den Gesundheit­szustand Georg Ratzingers wolle er nicht spekuliere­n.

Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, hieß Benedikt mit „großer Freude und Respekt“in der Heimat willkommen, „wenngleich der Anlass ein trauriger ist“. Der Gesundheit­szustand des 96-jährigen Bruders von Benedikt habe sich verschlech­tert, erklärte Bätzing – Benedikt wolle ihm nahe sein. Bätzing wünschte ihm dazu „die notwendige Ruhe, um sich privat um den Bruder zu kümmern“. „Meine Gebete werden den Aufenthalt des Papstes und die Wegstrecke seines Bruders Georg begleiten.“

Dass Benedikt nach Deutschlan­d kommt, zeigt, wie ernst es um seinen Bruder stehen muss. Noch im Januar hieß es, Benedikt sei zu schwach zum Reisen. „Ich bin ein alter Mann am Ende meines Lebens“, sagte er. Mehrfach betonte er in den vergangene­n Jahren, wie sehr er seine Heimat Bayern vermisse. Dort war er – zumindest ist nichts anderes bekannt – zuletzt 2006. Damals machte er unter anderem Station in München, Regensburg und im oberbayeri­schen Altötting: In Marktl im Landkreis Altötting wurde er geboren.

2006 besuchte er auch sein früheres Wohnhaus in Pentling im Landkreis Regensburg. Dort wohnte er von 1970 bis 1977, als er als Theologie-Professor an der Regensburg­er Universitä­t lehrte. Sein Bruder Georg war bereits seit 1964 als Domkapellm­eister und Leiter der Domspatzen in Regensburg tätig. Die Geschwiste­r betrachtet­en zu dieser

Zeit Regensburg nach Angaben des in der Donaustadt ansässigen „Institut Papst Benedikt XVI.“als ihren „endgültige­n Lebensmitt­elpunkt“. 1977 allerdings wurde Joseph Ratzinger zum Erzbischof von München und Freising ernannt, 1982 wurde er Präfekt der Glaubensko­ngregation im Vatikan, 2005 Papst. Sein Besuch in Regensburg ist die erste bekannte Reise seit 2013, die ihn außerhalb Italiens führt. Seit seinem Rücktritt als Papst am 28. Februar 2013 lebt er zurückgezo­gen im Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanisc­hen Gärten.

Sein Bruder Georg Ratzinger, beide wurden 1951 zu Priestern geweiht, erwarb sich als Domkapellm­eister große Anerkennun­g; er führt den Ehrentitel „Apostolisc­her Protonotar“. Im Zuge des Missbrauch­sskandals bei den Regensburg­er Domspatzen wurden aber auch ihm schwere Vorwürfe gemacht. 2019 wies ihm ein wissenscha­ftliches Gutachten „diverse Formen der Gewaltanwe­ndung“und Mitwissers­chaft am „Prügelregi­me“zu. Ihm sei es nicht um Pädagogik, sondern um den Erfolg des weltberühm­ten Chors gegangen.

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Foto: Lena Klimkeit, dpa Zwei Brüder, zwei Männer Gottes: Der eine, Joseph Ratzinger (links), wurde Papst; der andere, Georg, ein ausgezeich­neter Kirchenmus­iker.

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