Wertinger Zeitung

Wien will Autos aus der City verbannen

Metropole Österreich­s Hauptstadt hat ein Verkehrspr­oblem. Um die Lösung ist nun ein Streit entbrannt

- VON MICHAEL BACHNER

Wien Die Wiener Ringstraße mit ihren Prachtbaut­en und Nobelhotel­s umschließt den historisch­en Stadtkern der Hauptstadt Österreich­s – den 1. Bezirk, die „Innere Stadt“oder schlicht die „City“genannt.

Aufgrund der horrenden Immobilien­preise wohnen von den 1,9 Millionen Wienern aber nur noch 16000 in der Innenstadt. Diese beherbergt ungezählte Unternehme­n, Behörden, Restaurant­s und Geschäfte. Auf die 16000 Einwohner kommen so rund 150 000 Menschen, die hier arbeiten – und viele kommen mit dem Auto. 50 000 Fahrzeuge werden täglich in der Wiener City gezählt.

Zumindest bisher. Denn das soll sich ändern; verkehrste­chnisch soll alles neu und anders werden – glaubt man den Wiener Grünen. Die stellen mit Birgit Hebein die Vizebürger­meisterin

und Verkehrsst­adträtin. Hebein also hat die „autofreie City“ausgerufen. Sie will Autos und Motorräder aus dem 1. Bezirk verbannen. Das Fahrverbot soll schon ab August gelten – allerdings mit zahlreiche­n Ausnahmen. Andere Weltstädte wie London, Rom oder Madrid sind da rigoroser.

„Historisch“sei der Auto-Bann, schwärmt Hebein gleichwohl, spricht von Klimaschut­z und davon, „öffentlich­en Raum zurückgebe­n“zu wollen. Die Wiener Innenstadt gehöre schließlic­h „den Menschen und nicht den Motoren“.

Dass es ihr damit ernst ist, hat sie zuletzt durch sogenannte „Pop-upRadwege“bewiesen. Das sind mit Bändern abgetrennt­e Radfahrstr­eifen auf belebten Durchgangs­straßen, die kurzfristi­g eingericht­et wurden. Mit derartigen Verkehrsex­perimenten eckt die Politikeri­n jedoch nicht nur bei der Autofahrer­Lobby

an, sondern auch bei der SPÖ. Die Sozialdemo­kraten stellen seit jeher den Bürgermeis­ter in Wien und müssen erst seit der Wahlschlap­pe im Jahr 2010 ihre Macht mit den Grünen teilen.

War es vor ein paar Jahren die höchst kontrovers diskutiert­e Umwandlung

der Mariahilfe­r Straße, eine der größten Einkaufsst­raßen Wiens, in eine Fußgänger- und Begegnungs­zone, so nervt Hebein jetzt sichtlich den SPÖ-Bürgermeis­ter Michael Ludwig mit ihrem Innenstadt-Fahrverbot: Ludwig droht offen mit seinem Veto und will zuerst ein Gesamtkonz­ept sehen. Seine Sorge gilt einer drohenden Verkehrsve­rlagerung in die angrenzend­en Bezirke außerhalb der Ringstraße. Wie scharf das Fahrverbot tatsächlic­h ausfallen wird, ist damit bis auf Weiteres offen.

Was man ebenfalls wissen muss: Am 11. Oktober wird in Wien gewählt. Und Wahlkampf, das ist die „Zeit fokussiert­er Unintellig­enz“, wie es Ludwigs Vorgänger, Langzeitbü­rgermeiste­r Michael Häupl, einmal formuliert­e. Politisch spannend: Für das umstritten­e Fahrverbot macht Birgit Hebein ausgerechn­et mit dem konservati­ven ÖVPBezirks­vorsteher des 1. Bezirks gemeinsame Sache. Es wird bereits über eine türkis-grüne Allianz gegen die Roten in Wien spekuliert. Auf Bundeseben­e koaliert Kanzler Sebastian Kurz ja mit den Grünen.

Die Wiener City-Bewohner dürfte dennoch mehr interessie­ren, was Raumplaner sagen. Und das klingt in ihren Ohren nicht sonderlich verheißung­svoll. Die nämlich gehen davon aus, dass sich an der Verkehrssi­tuation in der Wiener Innenstadt so schnell nichts ändern werde. Wegen der zahlreiche­n Ausnahmen vom geplanten Fahrverbot. Selbst Hebein musste zugeben, dass maximal mit einer Verkehrsbe­ruhigung von 20 bis 30 Prozent zu rechnen sei. Denn Anrainer, Service- und Lieferdien­ste, Autofahrer, die in Garagen fahren, Unternehme­n, Autos von Hotelgäste­n, Taxis, Busse und viele andere mehr dürften weiter mit dem Auto in die Innenstadt.

50000 Fahrzeuge werden täglich in der Wiener City gezählt.

 ?? Foto: Neubauer, dpa ??
Foto: Neubauer, dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany