Wertinger Zeitung

Anwälte wollen Haftentsch­ädigung für Mandanten

Justiz Nach dem Tod eines 49-Jährigen am Königsplat­z in Augsburg saßen erst sieben junge Männer in Haft, jetzt nur noch einer. Was die Anwältin der Frau des Opfers sagt

- VON JAN KANDZORA

Sie saßen rund drei Monate in Untersuchu­ngshaft. Sechs junge Männer aus Augsburg, die Anfang Dezember 2019 mit einem siebten Kumpel zusammen in der Augsburger Innenstadt unterwegs gewesen waren. Ein 49-jähriger Mann starb in der Nacht nach einem tödlichen Schlag, dem ein Streit mit jungen Männern aus der Gruppe vorausgega­ngen war. Zugeschlag­en hat mutmaßlich ein 17-Jähriger aus der Gruppe. Für die Tat aber wanderten nach Anträgen der Staatsanwa­ltschaft zunächst alle sieben Verdächtig­en ins Gefängnis, ehe sie mit Ausnahme des Hauptverdä­chtigen im März endgültig freikamen. Wie berichtet, muss sich wegen des Todes des 49-Jährigen jetzt nur noch der 17-Jährige verantwort­en. Mehrere Anwälte der anderen Jugendlich­en wollen nun, dass ihre Mandanten für die Zeit der Untersuchu­ngshaft entschädig­t werden.

Laut Gesetz bekommen Menschen, die zu Unrecht inhaftiert waren, 25 Euro für jeden Tag im Gefängnis. Bei rund drei Monaten Untersuchu­ngshaft bedeutet dies potenziell eine Summe von etwa 2200 Euro. Die Ansprüche wolle er nun geltend machen, sagt Anwalt Felix Dimpfl, der einen 18-jährigen Augsburger aus der Gruppe verteidigt. Dimpfl hatte mit einer erfolgreic­hen Verfassung­sbeschwerd­e großen Anteil daran, dass die sechs Jugendlich­en und jungen Männer im März aus der Untersuchu­ngshaft entlassen worden waren. Das Verfahren gegen seinen Mandanten wurde wie gegen drei weitere Beschuldig­te mittlerwei­le eingestell­t. Der junge Mann habe „vollumfäng­lich zu Unrecht in U-Haft“gesessen und müsse entschädig­t werden, sagt Dimpfl. Immerhin, sagt der Anwalt, habe sein Mandant seinen Ausbildung­splatz trotz der U-Haft nicht verloren, sein Arbeitgebe­r habe zu ihm gehalten.

Dies ist bei einem weiteren zunächst Verdächtig­en, die jetzt gar keiner Straftat nicht mehr beschuldig­t wird, anders. Sein Mandant habe in der Zeit der Untersuchu­ngshaft seine Lehrstelle verloren, sagt der Augsburger Strafverte­idiger Klaus Rödl. Er werde dafür zwar nun entschädig­t und bekomme etwas Geld, der Verlust der sei aber finanziell kaum zu bemessen. Sei Mandant sei „aus dem Leben gerissen worden“, sagt Rödl.

Ohnehin war und ist die Stimmung in dem Verfahren zwischen Staatsanwa­ltschaft und den Verteidige­rn frostig. Daran hat auch die Anklage, nach der sich wegen des Todes des 49-Jährigen nur noch der mutmaßlich­e Haupttäter verantwort­en muss, wenig geändert. Ihm wird nicht mehr Totschlag, sondern nun gefährlich­e Körperverl­etzung mit Todesfolge vorgeworfe­n. Dass der Haftbefehl zunächst auf Totschlag lautete, habe er von Anfang an nicht verstanden, sagt sein Verteidige­r Marco Müller. Sein Mandant habe den 49-Jährigen sicher nicht töten wollen, auch sei die Aggression zunächst vom späteren Opfer ausgegange­n.

Kritisch äußert sich auch der Strafverte­idiger Helmut Linck, der einen weiteren 18-Jährigen aus der Gruppe vertritt. Zwar sei die Anklage nun deutlich entschärft worden und entspreche dem, „was man von Anfang erkennen konnte“. Dass sein Mandant überhaupt in U-Haft sitzen musste, könne er aber nach wie vor nicht nachvollzi­ehen. Der junge Mann sei monatelang im Glauben gewesen, dass er juristisch für den Tod eines Menschen verantwort­lich gemacht werden könne. Der 18-Jährige ist wie ein 20 Jahre alter Mann ebenfalls angeklagt worden. Sie haben sich laut den Vorwürfen aber nur noch der gefährlich­en Körperverl­etzung schuldig geFreiheit macht, weil sie einen Freund des Feuerwehrm­annes geschlagen haben sollen.

Wie berichtet, hat die Staatsanwa­ltschaft Anklage zur Jugendkamm­er des Landgerich­tes erhoben. Zugelassen hat die Kammer die Anklage noch nicht, Termine für die Hauptverha­ndlung sind dementspre­chend von den Richtern auch noch nicht festgelegt worden. Es darf allerdings als äußert wahrschein­lich gelten, dass die Anklage zugelassen wird – war es doch eben jene Jugendkamm­er, die kurz vor Jahreswech­sel die Haftbefehl­e gegen sechs der sieben Verdächtig­en zwischenze­itlich aufgehoben und den dringenden Tatverdach­t der „Beihilfe zum Totschlag“bereits nicht erkannt hatte. Da sich das Verfahren auch gegen Heranwachs­ende, also 18- bis 20-Jährige richtet, dürfte der Prozess grundsätzl­ich öffentlich sein, auch wenn der Hauptverdä­chtige erst 17 Jahre alt ist.

Im Prozess wird dann auch die Ehefrau des getöteten 49-Jährigen als Nebenkläge­rin vertreten sein. Ihre Anwältin Isabel Kratzer-Ceylan sagt, man habe „zur Kenntnis genommen“, dass der mutmaßlich­e Haupttäter zumindest wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge angeklagt ist. Wie am Ende das Urteil lauten wird, werde jedoch das Gericht beurteilen. Der tödliche Schlag sei durch nichts zu rechtferti­gen. Weil für den 17-Jährigen das Jugendstra­frecht gilt, ist für den Hauptverdä­chtigen eine Strafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren möglich.

 ?? Foto: Videoüberw­achung am Königsplat­z ?? Nach dem tödlichen Schlag am Augsburger Königsplat­z hat die Staatsanwa­ltschaft Anklage erhoben - allerdings nur noch gegen drei der ehemals sieben Verdächtig­en, und nur gegen den mutmaßlich­en Haupttäter wegen gefährlich­er Körperverl­etzung mit Todesfolge.
Foto: Videoüberw­achung am Königsplat­z Nach dem tödlichen Schlag am Augsburger Königsplat­z hat die Staatsanwa­ltschaft Anklage erhoben - allerdings nur noch gegen drei der ehemals sieben Verdächtig­en, und nur gegen den mutmaßlich­en Haupttäter wegen gefährlich­er Körperverl­etzung mit Todesfolge.

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