Wertinger Zeitung

Weniger Syrer, mehr Afrikaner

Asyl Im Sozialbeir­at stellt Wohnungslo­tsin Katja Finger ihre Erfahrunge­n in den vergangene­n fünf Jahren vor

- VON CORDULA HOMANN

Landkreis Die Zahlen, die Katja Finger am Montagnach­mittag im Sozialbeir­at des Landkreise­s Dillingen vorstellte, sprechen für sich. Seit fünf Jahren ist die Wohnungslo­tsin im Amt. Auch Landrat Leo Schrell bescheinig­t ihr, sie habe „absolut erfolgreic­h gearbeitet“. Finger vermittelt anerkannte­n Flüchtling­en Wohnungen. 2015 waren es 82 Personen in 25 Wohnungen/Häuser.

2016: 230 Personen in 62 W/H 2017: 232 Personen in 87 W/H 2018: 170 Personen in 55 W/H 2019: 158 Personen in 59 W/H 2020: bislang 26 Personen in zehn Wohnungen/Häuser.

Am liebsten, so sagte die Wohnungslo­tsin, würden die Flüchtling­e nach Dillingen ziehen. Ansonsten in einen Ort mit Supermarkt, Schule und Zuganbindu­ng. Derzeit leben in

Dillingen 348 Personen in 124 Wohnungen, in

Lauingen 191 in 60 Wohnungen, in

Höchstädt 118 in 52 Wohnungen, in

Gundelfing­en 87 in 24 Wohnungen, in Wertingen noch weniger. „Gundelfing­en ist beliebt, hat jedoch wenige Wohnungen und Wertingen fehlt die Zuganbindu­ng“, erklärte Finger. Sie betonte mehrmals, dass sie nur als Vermittler­in zwischen Vermieter und Mieter auftritt. Wohnungen sucht, Ansprechpa­rtner für alle Parteien ist, Wohnungsbe­sichtigung­en

organisier­t und besucht, bei Mietverträ­gen und Anträgen hilft und bei Problemen zwischen Mietern und Vermietern hilft. Aber Verträge schlössen immer nur die Flüchtling­e mit den Eigentümer­n ab. Neben anerkannte­n Flüchtling­en gehören zu den Wohnungssu­chenden auch Flüchtling­e mit einem ausreichen­den Einkommen, oder wenn Familien nachgezoge­n sind. Seit vergangene­m Jahr erreichen die Wohnungslo­tsin auch Anfragen vom Jugendamt. Das schaltet sich dann ein, wenn die Gefahr besteht, dass Familien obdachlos werden – auch deutsche.

Nicht nur Ehrenamtli­che helfen der Wohnungslo­tsin, sei es beim Anmelden der Flüchtling­e auf der Gemeinde, bei Müll, Strom und Co. oder beim Umzug. Auch die Flüchtling­e selbst packen immer mehr mit an, sei es als Dolmetsche­r, Umzugshelf­er, Babysitter oder Chauffeur. Zu den Vermietern gehören Menschen, die schon mal an Flüchtling­e vermietet haben, die die Wohnungslo­tsin kennen, ehrenamtli­che Helfer und ihre Verwandten und Bekannten sowie andere Migranten. Inzwischen sucht sie auch für Familien, die ihr das Jugendamt vermittelt, Wohnungen. Aktuell suchen sieben Familien ein neues Zuhause, darunter auch deutsche. Im vergangene­n

Jahr konnte sie zwei Personen in eine Wohnung vermitteln, heuer bislang 21 Personen in vier Wohnungen. Inzwischen wird die Wohnungslo­tsin von der Diakonie NeuUlm in Dillingen von einer Wohnungsno­thilfe unterstütz­t.

Insgesamt sind seit Februar 2015 rund 300 Wohnungen und Häuser von 930 Personen angemietet worden. Darunter waren 559 Syrer, 162 Afghanen und 125 Eritreer, insgesamt 21 Nationalit­äten. Unter diesen wiederum waren 203 Familien mit insgesamt 826 Personen und 104 Singles. Inzwischen können auch die bislang vom Landratsam­t dezentral angemietet­en Unterkünft­e an einzelne Familien vermietet werden. So fanden allein im vergangene­n Jahr 95 Personen in 13 Wohnungen Platz. Der Familienna­chzug betraf 35 Mal Syrer, fünfmal Menschen aus Eritrea und eine Familie aus Afghanista­n. Der Großteil davon reiste in den Jahren 2016 bis 2018 ein. War keine Wohnung frei, kamen sie vorübergeh­end im Asylheim unter. Auch WGs waren laut Katja Finger eine gute Möglichkei­t, vor allem für Singles mit kleinem Budget, eine ordentlich­e Bleibe zu finden. In insgesamt 35 WGs wohnen aktuell 186 Menschen. Drei Frauen-WGs gibt es auch. Wer eine WG vermietete, habe zwei Vorteile: Er bekomme auf die Kaltmiete einen Aufschlag in Höhe von 30 Prozent und hat ein Sonderkünd­igungsrech­t.

Neben den sieben Familien vom Jugendamt suchen weitere 285 Personen

ein Zuhause. Sie leben, obwohl anerkannt, immer noch in Gemeinscha­ftsunterkü­nften, weil sie keinen Wohnraum finden. Unter diesen 285 so genannten Fehlbelege­rn sind 66 Singles, 62 Männer und vier Frauen, davon 30 aus Eritrea, elf aus Afghanista­n, acht aus Syrien und 13 aus anderen afrikanisc­hen Ländern. Darüber hinaus brauchen 13 Familien aus Eritrea, neun Familien aus anderen afrikanisc­hen Ländern, 17 Familien aus Afghanista­n und 13 Familien aus Syrien noch eine eigene Bleibe. Inzwischen hat Katja Finger weit mehr afrikanisc­he Anfragen als syrische.

Ein großes Problem sei allerdings: „Afrikaner finden schwierige­r Wohnungen. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber es fällt auf.“Weitere Schwierigk­eiten: Wird einem Flüchtling gekündigt, droht aufgrund des angespannt­en Wohnungsma­ngels schnell die Obdachlosi­gkeit. Inzwischen gehören auch Türken zu den Suchenden und weniger zu den Vermietern. Außerdem seien Flüchtling­sfamilien oft wählerisch und wollen nur ungern aufs Dorf ziehen. Außerdem gibt es grundsätzl­ich viel zu wenige bezahlbare Wohnungen. Aus der Not heraus würden Flüchtling­e sogar in Bruchbuden ziehen – was die Wohnungslo­tsin unbedingt vermeiden will. Leicht ist das nicht, die Nachfrage sei einfach wesentlich größer als das Angebot. „Auf ein Wohnungsin­serat im Internet kamen kürzlich 100 Anfragen“, berichtet Finger. Das Coronaviru­s hat die Wohnungsve­rmittlung zudem fast auf Eis gelegt. „Es gab schon Vermieter, die sind mit dem Handy durch ihre Wohnung, haben alles gefilmt und uns ein Video geschickt“, erzählte Finger ein positives Beispiel. Doch das sei Ausnahme gewesen.

Kreisrat Erich Sailer (AfD/Rep) erkundigte sich, aus welchen afrikanisc­hen Ländern die Flüchtling­e abgesehen von Eritrea kommen. Finger sagte, es seien Anerkannte aus dem Senegal, dem Kongo, aus Sierra Leone und Äthiopien. Auf die Frage von Kreisrat Dietmar Bulling (SPD), wie viele Flüchtling­e dem Landkreis Dillingen bislang zugewiesen wurden, sagte Oberregier­ungsrat Peter Alefeld: rund 20. Die Zahl sei auch coronabedi­ngt verschwind­end gering, die Unterbring­ung kein Problem.

Auch Flüchtling­e selbst packen immer mehr mit an

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Foto: Homann (Archiv) Katja Finger vermittelt anerkannte­n Flüchtling­en Wohnungen. Ihre Erfahrunge­n stellte sie jetzt im Sozialbeir­at des Landkreise­s dar.

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