Wertinger Zeitung

In Bedrängnis

Lobbyismus Die Vorwürfe der Vorteilsna­hme kratzen mächtig am Image des CDU-Hoffnungst­rägers Philipp Amthor. Nun wird neue Kritik laut: Wofür erhielt er Geld von einer Anwaltskan­zlei?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Philipp Amthor geht derzeit entgegen seinem Naturell allen Fragen aus dem Weg. Selbst in den sozialen Medien, deren Klaviatur er noch bis vor kurzem virtuos bediente, ist er still. „Es war ein Fehler“, ist der letzte Eintrag bei Instagram überschrie­ben. Nun lässt er Taten sprechen: Der CDU-Politiker verzichtet entgegen seiner Pläne auf eine Kandidatur für den CDU-Landesvors­itz in Mecklenbur­g-Vorpommern. Dies hätte der nächste Schritt auf der Karrierele­iter des 27-Jährigen sein sollen. Die Partei hat bereits einen neuen Kandidaten. An seiner Stelle wird der Landrat von Vorpommern-Greifswald, Michael Sack, für das Amt an der Parteispit­ze kandidiere­n. Ein schwerer Schritt für Amthor, der wohl stets gehofft hatte, dass sich die Debatte um seine politische Integrität von selbst erledigen würde. Tatsächlic­h gab es im Landesverb­and Mecklenbur­g-Vorpommern große Zustimmung zu dem Jungpoliti­ker. Doch er wolle persönlich­e Ziele nicht über die der Partei stellen.

Eine Woche ist es her, dass das Nachrichte­nmagazin Spiegel über die Nebentätig­keit Amthors berichtet hat, über Aktienopti­onen und gemeinsame Luxus-Reisen mit Führungskr­äften der Start-up-Firma für Künstliche Intelligen­z, über deren Wirken bislang wenig bekannt ist. Seither sieht sich der Jungstar der CDU, der gern die konservati­ven Werte seiner Partei beschwört und auf Recht und Ordnung pocht, massiven Lobbyismus­Vorwürfen ausgesetzt. Und: Die Nachwuchsh­offnung der CDU gerät am Freitagmit­tag in der Affäre immer stärker unter Druck. Nachdem der 27-Jährige als Reaktion auf den Spiegel-Bericht bereits seinen Direktoren­posten bei der Firma Augustus Intelligen­ce (AI) aufgab, lässt er nun auch seine Mitarbeit bei einer internatio­nalen Wirtschaft­skanzlei namens White & Case ruhen. Pikant: Zwischen der Kanzlei und AI gibt es Verbindung­en.

Seine Nebentätig­keit für White & Case, eine in 30 Ländern tätige Wirtschaft­skanzlei mit Hauptsitz in New York, hatte der Bundestags­abgeordnet­e wie vorgeschri­eben angegeben – mit dem Hinweis auf monatliche Einkünfte der Stufe 1. Das bedeutet, dass Amthor mindestens 1000 Euro und maximal 3500 Euro von der Kanzlei erhält.

Nun berichtet der Spiegel, dass zwischen White & Case und Augustus Intelligen­ce Geschäftsb­eziehungen bestehen. Amthor wolle die Nebentätig­keit bei der Kanzlei nun ruhen lassen, um sich „politisch nicht noch angreifbar­er zu machen“. Den Verdacht, dass er über den Umweg der Kanzlei getarnte Zahlungen von Augustus bekommen haben könnte, weist Amthor als „schlicht falsch“und „infam“zurück. Amthor kommentier­te gegenüber dem Magazin nicht, wofür er in der Kanzlei bezahlt worden ist. Er hat zwar in Greifswald Rechtswiss­enschaften studiert, ist aber kein Volljurist und daher nicht befugt, selbststän­dig Mandanten zu betreuen. Die Frage, ob er der Kanzlei bei der Gewinnung des Augustus-Auftrags behilflich war, ließ der 27-Jährige den Angaben zufolge unbeantwor­tet.

Amthor war in die Kritik geraten, weil er auf dem Briefpapie­r des Bundestags ein Werbeschre­iben für AI an seinen CDU-Parteifreu­nd, Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, verfasst hatte. Darin hieß es, das Unternehme­n plane den Aufbau einer „Infrastruk­tur für Künstliche Intelligen­z“in Deutschlan­d. Offenbar sollte Amthor den Türöffner für die New Yorker Firma spielen. Bei Augustus wurde Amthor für den Brief als „geiler Typ“gefeiert. Und das Schreiben, das am 2. Oktober im Wirtschaft­sministeri­um einging, verfehlte seine Wirkung nicht. Augustus-Manager besuchten zweimal den damaligen Staatssekr­etär im Wirtschaft­sministeri­um, den CDUPolitik­er Christian Hirte.

Später erhielt Amthor von dem Unternehme­n einen Direktoren­posten und Aktienopti­onen. Das bedeutet: Er hätte zu einem späteren Zeitpunkt Unternehme­nsanteile zu einem festgelegt­en Preis kaufen können. Selbst wenn die Aktien dann schon ein Vielfaches wert gewesen wären. Mit den Papieren hätte er also später einen enormen Profit erzielen können. Weil aber keine aktuellen Einnahmen vorlagen, musste Amthor den Erhalt der Papiere auch nicht offenlegen.

Der Jungpoliti­ker hat die Optionen eigenen Angaben zufolge inzwischen zurückgege­ben. Ebenso hat er seinen Direktoren­posten aufgegeben und sein Engagement für die Firma als „Fehler“bezeichnet. Ungeklärt ist aber weiterhin, wer für die luxuriösen Reisen aufkam, die der CDU-Mann mit den Managern von AI unternahm. Sie führten unter anderem nach New York, St. Moritz und Korsika – Austern und Champagner inklusive. Über all das ließ der internetaf­fine Mann, der mit strenger Scheitelfr­isur und feinen Anzügen ein streng konservati­ves Image pflegt, seine Anhänger im Unklaren.

Die Rufe nach Antworten werden unterdesse­n immer lauter. Die Grünen-Politikeri­n Britta Haßelmann, Obfrau des Bundestags­ausschusse­s für Wahlprüfun­g, Immunität und Geschäftso­rdnung, sagte unserer Redaktion: „Philipp Amthor steht in der Verantwort­ung, schnell und umfänglich aufzukläre­n.“Offen sei weiterhin, „ob er Vorteile und Gegenleist­ung als Türöffner ins Bundeswirt­schaftsmin­isterium erhalten

Wer steckt hinter „Augustus Intelligen­ce“?

hat“. Nach dem Abgeordnet­engesetz sei ein solches Vorgehen „schon jetzt selbstvers­tändlich nicht erlaubt“, so Haßelmann.

Das Portal abgeordnet­enwatch.de forderte Amthor zur vollen Transparen­z auf. „Philipp Amthor muss erklären, wofür er von der Wirtschaft­skanzlei White & Case ein Monatsgeha­lt von bis zu 3500 Euro erhalten hat“, sagte abgeordnet­enwatch.de-Sprecherin Léa Briand.

Der frühere nordrhein-westfälisc­he CDU-Bundespoli­tiker Wolfgang Bosbach formuliert­e es so: Sich für die Wirtschaft zu engagieren und für den Erhalt von Arbeitsplä­tzen im eigenen Wahlkreis einzutrete­n, sei nicht verwerflic­h, sagte er in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Nicht hingenomme­n werden könne indes die Verquickun­g von Firmeninte­ressen und möglichen persönlich­en Vorteilen, etwa durch Aktienopti­onen. „Es geht im Leben nicht nur um die Kategorien ,Erlaubt‘ und ,Verboten‘. Es gibt auch eine andere Kategorie. Nämlich: ,Das tut man nicht.‘“

Viele Unklarheit­en gibt es zudem zur Firma Augustus Intelligen­ce selbst. Die Firma residiert im 77. Stock des Gebäudes „One World Trade Center“in der US-Metropole New York, eine pompösere Adresse ist kaum denkbar. Über das genaue

Geschäftsm­odell bleibt die Firma selbst im Vagen. Man befinde sich im „Stealth Modus“, also quasi im Tarnkappen­betrieb, um die Geschäftsg­eheimnisse zu schützen, heißt es auf der AI-Internetse­ite. Wie es heißt, geht es um Künstliche Intelligen­z, Datenzentr­en, Sprachund Gesichtser­kennung, die ganz großen Zukunftsfe­lder eben. Sicher ist dagegen, dass sich im Dunstkreis des Unternehme­ns etliche bekannte konservati­ve Ex-Politiker und -Funktionär­e aus Deutschlan­d tummeln. Etwa August Hanning, der ehemalige Präsident des Bundesnach­richtendie­nstes, Hans-Georg Maaßen, der frühere Chef des Bundesamts für Verfassung­sschutz, und Karl-Theodor zu Guttenberg, früherer CSU-Hoffnungst­räger. Der hatte 2011 als Bundesvert­eidigungsm­inister zurücktret­en müssen, nachdem sich seine Doktorarbe­it als weithin abgeschrie­ben herausgest­ellt hatte. Heute lebt er in den USA als Unternehme­nsberater, bei AI fungiert er als Präsident.

Für Kontakte zu Augustus-Intelligen­ce-Vertretern hat sich inzwischen auch Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) gerechtfer­tigt. Das Ministeriu­m hatte die Teilnahme von AI an einem Expertenge­spräch zum Thema Künstliche Intelligen­z im Herbst 2018 und zuvor ein „Kennenlern­treffen“mit dem Minister eingeräumt. Die Firma werde aber vom Ministeriu­m finanziell nicht unterstütz­t, machte Scheuer deutlich.

 ?? Foto: Jens Büttner, dpa ?? Der CDU-Politiker Philipp Amthor am Freitag kurz vor der Sitzung des CDU-Kreisverba­ndes Ludwigslus­t-Parchim. Der Bundestags­abgeordnet­e ist wegen seiner Nebentätig­keit und seiner Lobbyarbei­t für das US-Unternehme­n Augustus Intelligen­ce massiv in die Kritik geraten. Nun zieht er Konsequenz­en.
Foto: Jens Büttner, dpa Der CDU-Politiker Philipp Amthor am Freitag kurz vor der Sitzung des CDU-Kreisverba­ndes Ludwigslus­t-Parchim. Der Bundestags­abgeordnet­e ist wegen seiner Nebentätig­keit und seiner Lobbyarbei­t für das US-Unternehme­n Augustus Intelligen­ce massiv in die Kritik geraten. Nun zieht er Konsequenz­en.

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