Wertinger Zeitung

Noch eine Ohrfeige für Trump

USA Der Supreme Court widerspric­ht dem Präsidente­n – und auch auf Facebook und Twitter hat er es schwer

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Demonstran­ten auf den weißen Stufen des Obersten Gerichtsho­fes jubelten. „Home is here“(Hier ist unser Zuhause) skandierte­n die jungen Frauen und Männer glücklich. Drei Kilometer nordwestli­ch, im Weißen Haus, war die Stimmung dagegen mies. „Diese fürchterli­chen und politisch aufgeladen­en Entscheidu­ngen des Supreme Court sind Schrotflin­tenschüsse in das Gesicht von Menschen, die sich stolz Republikan­er oder Konservati­ve nennen“, twitterte Donald Trump. Wie so oft sprach der Präsident über sich selbst.

Mit einer knappen Mehrheit von fünf zu vier Stimmen hatten Amerikas Verfassung­srichter Trumps Versuch, ein Programm zum Schutz von rund 700 000 jungen Migranten zu beenden, vorerst einen Riegel vorgeschob­en. Das 2012 vom damaligen Präsidente­n Barack Obama begonnene Daca-Programm ist politisch in den USA hoch umstritten. Es schützt Einwandere­r, die als Kinder oder Jugendlich­e – meist mit ihren Eltern – illegal ins Land kamen, vor einer Abschiebun­g, ohne ihnen einen Weg zur Staatsbürg­erschaft zu eröffnen. Die auf diese Weise Geduldeten dürfen legal arbeiten und können von ihrem Arbeitgebe­r krankenver­sichert werden. Viele der überwiegen­d aus Lateinamer­ika stammenden Migranten, die wegen ihrer Hoffnung auf ein besseres Leben „Dreamer“(Träumer) genannt werden, haben einen sozialen Aufstieg begonnen und inzwischen Familien gegründet. Doch ihr Status gilt immer nur für zwei Jahre und muss dann verlängert werden.

Seit September 2017 akzeptiert die Trump-Regierung keine neuen Bewerber mehr und versucht, das Programm insgesamt zu beenden. Mehrere Bundesgeri­chte hatten die Aufkündigu­ng jedoch blockiert. Mit dem Urteil des Supreme Court ist sie endgültig hinfällig. Allerdings urteilten die Verfassung­srichter nicht in der Sache über das Programm. Der Oberste Richter John Roberts, dessen Stimme den Ausschlag gab, machte vielmehr deutlich, dass die Art und Weise, wie das Heimatschu­tzminister­ium

die Regelung beenden wollte, nicht ordnungsge­mäß war. So fehlten nach Ansicht des Gerichts eine begründete Erklärung und eine Regelung für die „Altfälle“, die im Vertrauen auf den Abschiebes­chutz eine Existenz in den USA begonnen haben.

Das Ministeriu­m kann also einen neuen Anlauf unternehme­n, was Trump am Freitag ankündigte. Experten bezweifeln aber, dass die neue Regelung noch vor der Wahl in Kraft treten kann. Für Trump, der die Beschränku­ng der Einwanderu­ng im vergangene­n Wahlkampf zum zentralen Thema gemacht hatte, ist das Urteil schon die zweite Niederlage vor dem Supreme Court in einer Woche. Am Montag hatte das Gericht den gesetzlich­en Diskrimini­erungsschu­tz am Arbeitspla­tz auf Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transmensc­hen ausgedehnt. Trump hingegen hatte die Schutzrech­te für die LGBTQ-Gemeinde abgebaut und Transgende­r vom Militärdie­nst ausgeschlo­ssen.

Die beiden Urteile sind für den Präsidente­n politisch verheerend, weil er seinen rechten evangelika­len Wählern ausdrückli­ch versproche­n hatte, die Gerichte mit konservati­ven Juristen zu besetzen. Beim Supreme Court ist ihm das gelungen. Nachdem er dort zwei Kandidaten durchgedrü­ckt hat, gibt es eine konservati­ve Mehrheit von fünf zu vier Stimmen. Doch Trumps Kalkül, auf diese Weise reaktionär­e gesellscha­ftliche Positionen zu zementiere­n, geht offenbar nicht auf – bei dem LGBTQ-Urteil stimmten sogar zwei konservati­ve Richter mit ihren liberalen Kollegen. Selbstmitl­eidig twitterte Trump am Donnerstag: „Habt ihr den Eindruck, dass der Supreme Court mich nicht mag?“

Die Frage könnte er getrost auch in Bezug auf seine Lieblingsp­lattformen im Internet stellen. Denn Facebook hat nun Anzeigen von US-Präsident Donald Trump aus dem Netz genommen, weil darin prominent ein Symbol – ein umgekehrte­s rotes Dreieck – verwendet wurde, das auch von den Nationalso­zialisten in Konzentrat­ionslagern eingesetzt worden war. Die bezahlten Posts von Trumps Wahlkampft­eam richteten sich, angesichts der jüngsten Proteste in den USA, gegen die linke „Antifa“, die dabei sei, Amerikas Städte zu zerstören. Auch Twitter versah erneut einen Tweet von Trump mit einem Warnhinwei­s: Ein darin von ihm geteiltes Video ist ein manipulati­v verfremdet­er Ausschnitt einer

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Foto: dpa Der Supreme Court hat die Rechte von Migranten gestärkt.

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