Wie lange bleibt Benedikt in Bayern?
Kirche Der Besuch des emeritierten Papstes bei seinem im Sterben liegenden Bruder bewegt die Welt. In der Gasse vor dessen Haus in Regensburg versammeln sich immer wieder Menschen
Regensburg Am Freitagvormittag stehen etwa 15 Menschen an einem Ende jener Gasse mitten in Regensburg, in der sich das Haus von Papst-Bruder Georg Ratzinger befindet. Die Polizei hat die Gasse abgeriegelt, denn in dem Haus befindet sich gerade auch der 93-jährige Joseph Ratzinger – der emeritierte Papst Benedikt XVI. Er ist am Donnerstag überraschend von Rom nach Regensburg gereist, um seinem Bruder, dem früheren Kapellmeister der weltberühmten Regensburger Domspatzen, nahe zu sein. Der 96-Jährige liegt im Sterben.
Die Begegnung der beiden alten Männer rührt die Menschen zutiefst an; der Regensburg-Besuch des 2013 zurückgetretenen Papstes macht Schlagzeilen weit über Deutschland hinaus. Auch vor Ort, in der Luzengasse, ist all das zu spüren, berichtet Bistumssprecher Clemens Neck. Er steht dort am späten Vormittag, als er mit unserer Redaktion telefoniert. Die Stimmung sei respektvoll, und auch die Journalisten verhielten sich respektvoll. Das Informationsbedürfnis ist riesig, das Bistum Regensburg twittert ein „Update“nach dem anderen.
erklärt sich die Anteilnahme mit der „brüderlichen Treue und gegenseitigen, lebenslangen Zuneigung“der beiden. Ein jeder von ihnen war in den letzten Jahrzehnten umstritten: Joseph Ratzinger, der spätere Papst, hatte sich vor allem in seiner Zeit als oberster Glaubenshüter der katholischen Kirche den Ruf eines Hardliners erworben. Sein Bruder Georg, ein herausragender Kirchenmusiker, galt als jähzornig. Durch den Missbrauchsskandal bei den Domspatzen, der ihn als brutalen Chorleiter entlarvte, litt sein Ruf erheblich.
Zum Ende ihres Lebens scheinen ihnen viele wieder mit Sympathie zu begegnen. Und eben mit Respekt vor ihrer Lebensleistung und persönlichen Verbundenheit. Das Bistum Regensburg bat die Öffentlichkeit darum, die Privatsphäre der Brüder zu wahren. Bislang hätten sich alle daran gehalten, sagt Neck. So habe er etwa noch keine Drohne gesehen, mit der Paparazzi Fotos aus der Luft machen könnten.
Dass Benedikt noch einmal in seine bayerische Heimat zurückkehren würde, galt als ausgeschlossen. Er soll zwar geistig fit sein, gleichwohl ist er gebrechlich. Auf einem Foto, das selbst Vatican News, das Portal des Heiligen Stuhls, via Twitter verbreitete, sieht man ihn bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in München im Rollstuhl sitzen – erschöpft. Was er nach Angaben seines Privatsekretärs und Begleiters, Erzbischof Georg Gänswein, tatsächlich war. Die Reise habe ihn angestrengt, heißt es.
Clemens Neck sagt: „In diesem Alter hängt vieles von der Tagesform ab.“Unmittelbar danach betont er: „Für beide Brüder ist diese Begegnung ein Lebenselixier.“Was erst sonderbar klingt, bekräftigt Neck mit einer Beobachtung: „Vorhin habe ich Georg Ratzinger noch singen gehört. Das Fenster stand offen.“Zu diesem Zeitpunkt am Vormittag feierten die beiden ein Hochamt zum Herz-Jesu-Fest. Nach einer Nachmittagsruhe trifft Benedikt ein weiteres Mal bei seinem Bruder ein. Zwei Mal am Tag, vormittags und nachmittags, wird er Georg vermutlich in den nächsten Tagen aufsuchen – dabei werden sie viel beten, die priesterliche Tagesliturgie.
Wie lange Benedikt in Regensburg bleibt, wisse er nicht, sagt Bistumssprecher Neck. Die Bild hatte zuvor unter Berufung auf das nähere Umfeld des emeritierten Papstes geschrieben: „Er wird so lange bleiNeck ben, bis der Lebensweg seines Bruders zu Ende geht.“Dies sei „reine Spekulation“, sagt Neck. Wie die Mutmaßung, Benedikt reise gar nicht mehr nach Rom zurück. Christoph Leuchtner, stellvertretender Leiter des Regensburger Priesterseminars, wo der emeritierte Papst übernachtet, spricht von drei Tagen, die zunächst vorgesehen seien. Neck zufolge ist man „auf alle Varianten“eingestellt. Ziel von Benedikts Besuch sei, seinen Bruder noch einmal zu sehen. „Im Moment gibt es keine weiteren Pläne.“
Mit Sicherheit kann Neck dagegen sagen, dass der emeritierte Papst am Freitag „ein echt bayerisches Frühstück“samt Brezen bekam und mittags Apfelstrudel. Zum aktuellen Zustand des schwerkranken, bettlägerigen Papst-Bruders vermag er keine Auskunft zu geben. Seit Jahren schon ist Georg Ratzinger auf den Rollstuhl angewiesen und fast blind. Wenn er stirbt, werde er vermutlich auf dem „Unteren Katholischen Friedhof“in Regensburg beerdigt – und damit nicht im Grab seiner Eltern. Zumindest geht Clemens Neck davon aus.
Benedikt besuchte zuletzt 2006 seine bayerische Heimat, seine letzte Deutschlandreise war im Jahr 2011.