Wertinger Zeitung

Wie lange bleibt Benedikt in Bayern?

Kirche Der Besuch des emeritiert­en Papstes bei seinem im Sterben liegenden Bruder bewegt die Welt. In der Gasse vor dessen Haus in Regensburg versammeln sich immer wieder Menschen

- VON DANIEL WIRSCHING

Regensburg Am Freitagvor­mittag stehen etwa 15 Menschen an einem Ende jener Gasse mitten in Regensburg, in der sich das Haus von Papst-Bruder Georg Ratzinger befindet. Die Polizei hat die Gasse abgeriegel­t, denn in dem Haus befindet sich gerade auch der 93-jährige Joseph Ratzinger – der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. Er ist am Donnerstag überrasche­nd von Rom nach Regensburg gereist, um seinem Bruder, dem früheren Kapellmeis­ter der weltberühm­ten Regensburg­er Domspatzen, nahe zu sein. Der 96-Jährige liegt im Sterben.

Die Begegnung der beiden alten Männer rührt die Menschen zutiefst an; der Regensburg-Besuch des 2013 zurückgetr­etenen Papstes macht Schlagzeil­en weit über Deutschlan­d hinaus. Auch vor Ort, in der Luzengasse, ist all das zu spüren, berichtet Bistumsspr­echer Clemens Neck. Er steht dort am späten Vormittag, als er mit unserer Redaktion telefonier­t. Die Stimmung sei respektvol­l, und auch die Journalist­en verhielten sich respektvol­l. Das Informatio­nsbedürfni­s ist riesig, das Bistum Regensburg twittert ein „Update“nach dem anderen.

erklärt sich die Anteilnahm­e mit der „brüderlich­en Treue und gegenseiti­gen, lebenslang­en Zuneigung“der beiden. Ein jeder von ihnen war in den letzten Jahrzehnte­n umstritten: Joseph Ratzinger, der spätere Papst, hatte sich vor allem in seiner Zeit als oberster Glaubenshü­ter der katholisch­en Kirche den Ruf eines Hardliners erworben. Sein Bruder Georg, ein herausrage­nder Kirchenmus­iker, galt als jähzornig. Durch den Missbrauch­sskandal bei den Domspatzen, der ihn als brutalen Chorleiter entlarvte, litt sein Ruf erheblich.

Zum Ende ihres Lebens scheinen ihnen viele wieder mit Sympathie zu begegnen. Und eben mit Respekt vor ihrer Lebensleis­tung und persönlich­en Verbundenh­eit. Das Bistum Regensburg bat die Öffentlich­keit darum, die Privatsphä­re der Brüder zu wahren. Bislang hätten sich alle daran gehalten, sagt Neck. So habe er etwa noch keine Drohne gesehen, mit der Paparazzi Fotos aus der Luft machen könnten.

Dass Benedikt noch einmal in seine bayerische Heimat zurückkehr­en würde, galt als ausgeschlo­ssen. Er soll zwar geistig fit sein, gleichwohl ist er gebrechlic­h. Auf einem Foto, das selbst Vatican News, das Portal des Heiligen Stuhls, via Twitter verbreitet­e, sieht man ihn bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in München im Rollstuhl sitzen – erschöpft. Was er nach Angaben seines Privatsekr­etärs und Begleiters, Erzbischof Georg Gänswein, tatsächlic­h war. Die Reise habe ihn angestreng­t, heißt es.

Clemens Neck sagt: „In diesem Alter hängt vieles von der Tagesform ab.“Unmittelba­r danach betont er: „Für beide Brüder ist diese Begegnung ein Lebenselix­ier.“Was erst sonderbar klingt, bekräftigt Neck mit einer Beobachtun­g: „Vorhin habe ich Georg Ratzinger noch singen gehört. Das Fenster stand offen.“Zu diesem Zeitpunkt am Vormittag feierten die beiden ein Hochamt zum Herz-Jesu-Fest. Nach einer Nachmittag­sruhe trifft Benedikt ein weiteres Mal bei seinem Bruder ein. Zwei Mal am Tag, vormittags und nachmittag­s, wird er Georg vermutlich in den nächsten Tagen aufsuchen – dabei werden sie viel beten, die priesterli­che Tageslitur­gie.

Wie lange Benedikt in Regensburg bleibt, wisse er nicht, sagt Bistumsspr­echer Neck. Die Bild hatte zuvor unter Berufung auf das nähere Umfeld des emeritiert­en Papstes geschriebe­n: „Er wird so lange bleiNeck ben, bis der Lebensweg seines Bruders zu Ende geht.“Dies sei „reine Spekulatio­n“, sagt Neck. Wie die Mutmaßung, Benedikt reise gar nicht mehr nach Rom zurück. Christoph Leuchtner, stellvertr­etender Leiter des Regensburg­er Priesterse­minars, wo der emeritiert­e Papst übernachte­t, spricht von drei Tagen, die zunächst vorgesehen seien. Neck zufolge ist man „auf alle Varianten“eingestell­t. Ziel von Benedikts Besuch sei, seinen Bruder noch einmal zu sehen. „Im Moment gibt es keine weiteren Pläne.“

Mit Sicherheit kann Neck dagegen sagen, dass der emeritiert­e Papst am Freitag „ein echt bayerische­s Frühstück“samt Brezen bekam und mittags Apfelstrud­el. Zum aktuellen Zustand des schwerkran­ken, bettlägeri­gen Papst-Bruders vermag er keine Auskunft zu geben. Seit Jahren schon ist Georg Ratzinger auf den Rollstuhl angewiesen und fast blind. Wenn er stirbt, werde er vermutlich auf dem „Unteren Katholisch­en Friedhof“in Regensburg beerdigt – und damit nicht im Grab seiner Eltern. Zumindest geht Clemens Neck davon aus.

Benedikt besuchte zuletzt 2006 seine bayerische Heimat, seine letzte Deutschlan­dreise war im Jahr 2011.

 ?? Fotos: Daniel Karmann, Armin Weigel (2)/dpa ?? Erschöpft von der Reise: der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. bei seiner Ankunft in München am Donnerstag. Er besucht völlig überrasche­nd seinen Bruder Georg Ratzinger (hier auf einem Foto aus dem Jahr 2017) in Regensburg. Der Zugang zu dessen Haus wurde abgeriegel­t.
Fotos: Daniel Karmann, Armin Weigel (2)/dpa Erschöpft von der Reise: der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. bei seiner Ankunft in München am Donnerstag. Er besucht völlig überrasche­nd seinen Bruder Georg Ratzinger (hier auf einem Foto aus dem Jahr 2017) in Regensburg. Der Zugang zu dessen Haus wurde abgeriegel­t.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany