Wertinger Zeitung

Warum immer weniger Metzger schlachten

Lebensmitt­el Wer beim Fleisch auf Qualität und Regionalit­ät achtet, kauft keine Billigware. Doch auch die Handwerksb­etriebe schlachten häufig nicht mehr selbst. Trotzdem ist der Unterschie­d zur Industrie groß

- VON IDA KÖNIG

Augsburg Die Mengen sind schier unvorstell­bar: Etwa 30000 Schweine werden auf dem Firmengelä­nde des Branchenri­esen Tönnies in Rheda-Wiedenbrüc­k bei Gütersloh an nur einem Tag geschlacht­et, zu einem großen Teil von Arbeitern aus Osteuropa. Aktuell beschäftig­t Deutschlan­d allerdings eine andere Zahl aus dem Unternehme­n: Rund 1300 der insgesamt etwa 6500 Mitarbeite­r in diesem Werk haben sich mit dem Coronaviru­s infiziert. Nun wird auch in der Politik die Forderung laut, den Trend hin zu Großschlac­hthöfen umzukehren. Doch warum werden Schlachtbe­triebe seit Jahren immer weniger und dafür größer? Und wie ist die Lage in Bayern?

Einen Schlachtho­f, der von der Dimension her mit dem von Tönnies in Nordrhein-Westfalen vergleichb­ar wäre, gibt es in unserer Region nicht. Der größte Industrieb­etrieb in Schwaben ist die A. Moksel GmbH in Buchloe, die zum Konzern Vion gehört und im Allgäu rund 400 Menschen beschäftig­t. Das Fleisch aus den Großschlac­htereien wird in Bayern aber sehr wohl verkauft. Tönnies-Fleisch liegt unter anderem bei Rewe, Lidl und Aldi in den Kühlregale­n, etwa unter den Markenname­n „Landjunker“oder „Meine Metzgerei“.

In der Fleischpro­duktion ist Bayern allerdings anders strukturie­rt als etwa Nordrhein-Westfalen, sagt der Geschäftsf­ührer des Fleischerv­erbands Bayern, Lars Bubnick. „Ein Viertel aller Handwerksm­etzgereien in ganz Deutschlan­d befindet sich in

eine ähnliche Lage gibt es nur noch in Baden-Württember­g“, sagt Bubnick. Er beobachtet auch ein Umdenken vieler Verbrauche­r, die gerade während des CoronaLock­downs den Weg zum Metzger gefunden hätten. „Die Krise hat wieder gezeigt, dass wir unbedingt regionale, kleine Kreisläufe erhalten müssen“, sagt er.

Die Zeiten, in denen alle Metzger noch selbst schlachtet­en, sind aber auch in Bayern vorbei. Auflagen, Nachwuchss­orgen und steigende Kosten haben viele Betriebe dazu bewogen, die eigene Schlachtun­g einzustell­en und entweder mit Kollegen zusammenzu­arbeiten oder die Tiere direkt zum nächsten Schlachtho­f zu bringen, erklärt Bubnick. Nur noch etwa ein Drittel der Betriebe in Bayern schlachtet selbst, das sind etwa 1500.

Das hängt auch mit der EU-Zulassung zusammen, die Metzger seit 2009 benötigen. Die bekommt nur, wer einen Schlachtra­um hat, der ausschließ­lich dafür genutzt wird, sagt Bubnicks Stellvertr­eterin Svenja Fries, die beim Fleischerv­erband für die technisch-technologi­sche Beratung zuständig ist. Schlachtet ein Metzger also einmal die Woche, steht der Raum an den restlichen Tagen leer. Auch die Beschau der Tiere durch einen Tierarzt sei für den einzelnen Metzger im Verhältnis viel teurer als in der Industrie: „Im Handwerk müssen sie für ein Schwein etwa 20 Euro bezahlen, Industrieb­etriebe bezahlen durch ihre Masse oft unter einem Euro“, sagt Fries.

Einer, der sich vor vier Jahren dazu entschloss­en hat, die Schlachauf­zugeben, ist Rainer Naumann. Er betreibt eine Metzgerei und einen Partyservi­ce in Bobingen (Kreis Augsburg) und hatte seine Räumlichke­iten erst 2009 den EURegeln entspreche­nd umgebaut. Als 2016 ein erneuter Umbau nötig geworden wäre, strukturie­rte er um und lässt die Tiere seitdem direkt von den Bauern zum Schlachtho­f nach Augsburg bringen. „Mit TönBayern, nies kann man das aber nicht vergleiche­n, das Werk in Rheda-Wiedenbrüc­k ist ungefähr hundertmal so groß wie der Schlachtho­f in Augsburg“, sagt er.

Dass die Politik ausgerechn­et jetzt auf die Großbetrie­be aufmerksam wird und ein Umdenken fordert, wundert ihn – neu sei die Kritik an den Arbeitsbed­ingungen dort schließlic­h nicht. „In den vergangetu­ng nen Jahren brachten die immer strengeren Auflagen vor allem die kleinen Betriebe in Bedrängnis. Jetzt wundert man sich, warum es keine mehr gibt“, sagt Naumann. Hygiene und ihre Kontrolle seien wichtig, sagt er. An der ein oder anderen Stelle ging für ihn allerdings das Augenmaß verloren. Denn es sei ja auch so: „Saubären gibt es immer, egal wie stark kontrollie­rt wird.“

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Foto: Jan Woitas, dpa Unter dem Druck erneuter großer Corona-Ausbrüche in der Schlachtin­dustrie kommt jetzt Bewegung in das Ringen um bessere Bedingunge­n – auch in den Ställen und gegen einen Dauer-Preiskampf im Supermarkt.

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