Wertinger Zeitung

Gegenwind für Bayerns Corona-Initiative

Zwist Ministerpr­äsident Söder will Massentest­s für den Freistaat. Warum er Kritik erntet

- VON MARKUS BÄR UND CHRISTIAN GRIMM

München/Berlin Die von Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) angekündig­te Test-Offensive zur Eindämmung des Corona-Erregers stößt auf deutliche Kritik aus den Reihen der Union. Die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der Fraktion von CDU und CSU, Karin Maag, bezweifelt die Wirkung von Massentest­s quer durch die Bevölkerun­g. „Wenn ich ganz frisch infiziert bin, schlägt der Test noch nicht an. Unmittelba­r nach dem Test weiß ich, ob ich positiv beziehungs­weise negativ getestet wurde, ich kann mich aber in den nächsten Tagen neu anstecken“, sagte Maag am Sonntag unserer Redaktion. Die CDU-Politikeri­n hält es für sinnvoll, weiter gezielt dort zu testen, „wo Menschen leben oder arbeiten, die besonders geschützt werden müssen“. Ein solches Vorgehen hat etwa Nordrhein-Westfalen in einzelnen Landkreise­n praktizier­t.

In Bayern soll sich aber künftig jeder freiwillig auf das Coronaviru­s testen lassen können – ganz unabhängig davon, ob er Symptome hat. Die Tests sollen „massiv“ausgeweite­t werden, erklärte Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) am Sonntag in München. „Allen Bürgerinne­n und Bürgern Bayerns wird zeitnah angeboten, sich bei einem niedergela­ssenen Vertragsar­zt auch ohne Symptome testen zu lassen.“

Bayern will sich dies einiges kosten lassen. „Der Freistaat übernimmt hier die Kosten sowohl für die ärztliche Leistung (Abstrich) als auch für die Laborkoste­n“, sagte ein Sprecher des Gesundheit­sministeri­ums. Sollte allerdings ein Anspruch auf Kostenerst­attung durch eine andere Stelle wie beispielsw­eise eine Krankenkas­se bestehen, sei „diese Leistung vorrangig in Anspruch zu nehmen“. In allen anderen Fällen zahle der Freistaat.

Bayern ist damit das erste Bundesland, das künftig Tests für jedermann vorsieht. Söder warnte am Wochenende zudem vor einer zweiten Corona-Welle. „Wir dürfen nicht riskieren, dass wir sogar noch schneller als befürchtet, vor dem Herbst, eine zweite Welle bekommen, eine schleichen­de Welle, und überall regionale Lockdowns bekommen.“Bayern habe darum entschiede­n, dass Touristen aus Risikogebi­eten zwar in bayerische­n Hotels übernachte­n dürfen – aber nur mit negativem Corona-Test. Auf dieses Vorgehen hatten sich Bund und Länder bereits am Freitag geeinigt.

Die avisierten bayerische­n Massentest­s werden im Bundesgesu­ndheitsmin­isterium eher skeptisch gesehen. Minister Jens Spahn (CDU) ist zwar für die Ausweitung von Corona-Tests in Deutschlan­d, warnt aber vor einer Überbewert­ung der Ergebnisse. „Umfangreic­hes Testen ist sinnvoll, insbesonde­re um regionale Ausbrüche schnell einzudämme­n“, sagte Spahn am Sonntag. Zusätzlich­e Testangebo­te durch die Länder könnten das ergänzen. „Allerdings ist ein Test immer nur eine Momentaufn­ahme. Er darf nicht in falscher Sicherheit wiegen.“

Auch der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach findet es zwar grundsätzl­ich richtig, dass Bayern eine große Test-Offensive starte. Er fügte aber hinzu: „Wir müssen dafür sorgen, dass die richtigen Leute getestet und die Tests selbst billiger werden.“Im Herbst seien Massentest­s nötig. „Neue Studien deuten daraufhin, dass es stärker auf die Häufigkeit der Tests ankommt, in welchen Abständen ich Risikopers­onen regelmäßig teste.“

Deutschlan­ds maximale Testkapazi­tät liegt laut Bundesgesu­ndheitsmin­isterium bei rund einer Million Tests pro Woche – wobei ein Test etwa 40 Euro kostet. Zuletzt wurden wöchentlic­h bis zu 400000 Proben ausgewerte­t, vorvergang­ene Woche etwa 377000 in der gesamten Republik. Davon testeten lediglich 5000 Personen – oder 1,3 Prozent – positiv auf Corona.

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