Wertinger Zeitung

CSU gegen Vorschlag zur Wahlrechts­reform

Bundestag Unionsfrak­tionschef Brinkhaus legt einen Kompromiss vor – sieht aber aus den eigenen Reihen die Rote Karte

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Berlin Der Bundestag ist schon so groß wie nie und droht im kommenden Jahr noch zu wachsen – dennoch findet die Koalition keine gemeinsame Position für eine Wahlrechts­reform. Ein Vorstoß von Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus (CDU) für eine Deckelung bei 750 Mandaten wurde am Wochenende von der CSU umgehend zurückgewi­esen. Auch aus der CDU kam Ablehnung. Die SPD machte deutlich, dass 750 Sitze – 41 mehr als heute – zu viele seien. Bundestags-Vizepräsid­ent Wolfgang Kubicki (FDP) warnte vor einem Scheitern der Wahlrechts­reform. „Es wäre ein fatales Signal für unsere Demokratie und das Parlament, wenn eine Einigung nicht gelänge – wonach es leider derzeit aussieht“, sagte er.

Brinkhaus’ Vorschlag sieht ab einer Zahl von 750 Abgeordnet­en eine Kappung vor. Danach soll im Wechsel jeweils ein Überhangma­ndat nicht durch Ausgleichs­mandate kompensier­t und ein Direktmand­at gestrichen werden – bis man bei der Höchstzahl von 750 Sitzen angelangt ist. Die Direktmand­ate sollen in den Wahlkreise­n mit den schwächste­n Erststimme­rgebnissen nicht zugeteilt werden. Das hätte – gemessen an den Wahlumfrag­en vom Dezember/Januar – zur Folge, dass die CSU keines ihrer Direktmand­ate verlieren würde, hieß es. Gleichwohl reagierte die CSU ablehnend: Eine Wahlrechts­reform entspreche zwar den Ideen seiner Partei, sagte ihr Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer Stefan Müller. „Einen Vorschlag allerdings, der Gewinnern von Wahlkreise­n den Einzug in den Deutschen Bundestag verweigert, halten wir für verfassung­swidrig.“Ähnlich argumentie­rte der CDU-Abgeordnet­e Axel Fischer: „Der Vorschlag mit einer Kappung von Wahlkreise­n ist verfassung­swidrig und damit inakzeptab­el.“

Der Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, begrüßte zwar die von Brinkhaus vorgeschla­gene Deckelung. „Allerdings sollte die Obergrenze, ab der Mandate nicht mehr zugeteilt werden, nicht über der derzeitige­n Bundestags­größe liegen.“Das wären 709. Die SPD hatte eine Begrenzung bei 690 vorgeschla­gen. Fischer regte eine Grenze bei 598 Abgeordnet­en an – eine Hälfte in den 299 Wahlkreise­n direkt gewählt, die andere Hälfte nach den Zweitstimm­energebnis­sen entsandt. Überhang- und Ausgleichs­mandate gäbe es nicht. „Der Vorschlag ist einfach umzusetzen und verfassung­skonform. Zudem stärkt er die Erststimme und vereinigt die Vorteile von Mehrheits- und Verhältnis­wahl“, sagte Fischer.

FDP und Grüne lehnten den Brinkhaus-Vorschlag ebenfalls ab. Er sei „offenkundi­g nicht fair, weil er die CSU von jedem Beitrag zur Lösung freistellt“, sagte der Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann. „Zudem ist der Vorschlag unambition­iert, weil das Modell einen Bundestag zulässt, der noch größer als der jetzige wäre und das Anwachsen auf bis zu 800 Abgeordnet­e nur gering dämpft.“

Die Fraktionen im Bundestag hatten sich bereits in der vergangene­n Wahlperiod­e nicht auf eine Reform einigen können. In der Folge wurde das Parlament bei der Wahl 2017 mit 709 Abgeordnet­en so groß wie nie zuvor. Für die Bundestags­wahl 2021 wird ohne Wahlrechts­änderung ein Anwachsen auf 800 oder noch mehr Abgeordnet­e befürchtet. Einen konkreten Gesetzentw­urf gibt es bislang nur von FDP, Grünen und Linken. Wegen der vorgesehen­en Reduzierun­g der Zahl der Wahlkreise lehnt ihn besonders die CSU ab. Die drei Opposition­sfraktione­n bestehen aber darauf, dass der Bundestag darüber am Freitag, dem letzten Sitzungsta­g vor der Sommerpaus­e, abstimmt.

Bundestags-Vizepräsid­ent Kubicki hält eine Einigung vor der Pause für unbedingt erforderli­ch: „Gelingt dies nicht in dieser Sitzungswo­che, wird das nichts mehr zur kommenden Bundestags­wahl“, sagte er. Kubicki plädierte dafür, über den Gesetzentw­urf von FDP, Grünen und Linken ohne Fraktionsz­wang abzustimme­n. „Dann kann sich die beste Lösung am Ende durchsetze­n.“Den Brinkhaus-Vorstoß nannte er in der Rheinische­n Post „nicht mehr als ein Ablenkungs­manöver“. Denn: „Brinkhaus weiß selbst, dass sein Vorschlag von den angehörten Sachverstä­ndigen als nicht verfassung­skonform verworfen wurde.“

Ulrich Steinkohl, dpa

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Foto: dpa Ralph Brinkhaus spürt Gegenwind für seinen Reformvors­chlag.

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