Harte Zeiten für Berufseinsteiger
Ratgeber Die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt bekommen besonders junge Menschen zu spüren. Was Bewerber über Video-Vorstellungsgespräche und ihre Karriere-Chancen wissen müssen
Sie haben viele Semester im Hörsaal gebüffelt, unzählige Praktika absolviert oder drei Jahre lang jeden Tag bei der Ausbildung fleißig gelernt: Nun ist es endlich soweit. Der Einstieg in das Berufsleben steht bevor. In diesem Jahr ist jedoch alles anders. Zwischen Abschlusszeugnis und Arbeitsvertrag drängt sich die Corona-Krise. Rund die Hälfte aller Unternehmen haben in Deutschland ihre Mitarbeiter laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo bereits in Kurzarbeit geschickt. Viele davon planen außerdem Stellen komplett abzubauen.
Gerät der Arbeitsmarkt erst einmal so unter Druck, ist es nicht einfach, einen passenden Job zu finden. Diese Herausforderungen kennt auch Susanne Eikemeier von der Bundesagentur für Arbeit: „Arbeitgeber sind in schwierigen Zeiten sehr zurückhaltend bei der Rekrutierung und schreiben weniger Stellen neu aus.“
Dass es längst nicht mehr so einfach ist einen Job zu finden, wie in den Boom-Jahren vor der CoronaKrise, weiß auch Ulrich Walwei, Vizedirektor beim Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung. Die Einstellungszahlen, vermutet er, würden weiter zurückgehen und so hätten vor allem junge Bewerber das Nachsehen: „Betriebe werden zunächst versuchen, die Arbeitszeit für ihr vorhandenes Personal wieder auszuweiten.“
Weil Berufseinsteiger noch kein Netzwerk in der Arbeitswelt besäßen, auf das sie bei der Jobsuche zurückgreifen könnten, sei es für sie besonders schwierig, betont auch Eikemeier. Hinzu komme, so die Sprecherin, dass Arbeitgeber in der Pandemie bemüht seien, ihre erfahrenen Fachkräfte zu halten, damit sie nach der Krise schnell wieder durchstarten können.
Für junge Menschen, so Walwei, werde es in der Konsequenz schwieriger, gleich zu Beginn den passenden Job zu finden. Zugeständnisse müssten Bewerber auf jeden Fall machen. Auch Flexibilität schade bei der Stellensuche nicht. Davon, sich zunächst in einem Bereich, der gar nichts mit der eigenen Qualifikation zu tun hat, nach Arbeit umzuschauen, rät der Ökonom jedoch ab: „Verkauft sich jemand unter Wert, könnte das bei späteren Bewerbungen so aussehen, als ob er sich nichts zutraut.“
Auszubildende, glaubt er, könnten aktuell einen Vorteil haben, da sie ihr Können im Betrieb bereits unter Beweis stellen konnten. Berufserfahrung durch Praktika könnte auch Studenten bei der Jobsuche helfen. Allerdings gibt der Experte zu bedenken: „Meist unterscheiden sich die Tätigkeiten und sind nicht einfach übertragbar.“Auch der demografische Wandel könnte vielen Bewerbern helfen. Gingen ältere Fachkräfte in Rente, müssten sie rechtzeitig durch qualifizierte Mitarbeiter ersetzt werden.
Um lästige Lücken im Lebenslauf zu schließen, könnten Berufseinsteiger auf freiwillige und ehrenamtliche Arbeit setzen. Gesellschaftliches Engagement, so Walwei, lasse sich bei der Bewerbung eher verkaufen. Wer „über den Tellerrand sehe“und neue Erfahrungen mache, beweise damit Flexibilität. „Junge Menschen können damit nicht nur ihren Horizont erweitern, dem Betrieb zeigt es außerdem ihr Verantwortungsbewusstsein“, sagt er. Da Weltreisen oder Arbeitsprogramme im Ausland durch die Corona-Pandemie weggefallen seien, lohne es sich, im lokalen Umfeld zu suchen.
In den systemrelevanten Berufen im Sozial- und Gesundheitsbereich war schon vor der Corona-Krise verstärkt nach Personal gesucht worden. Aufgrund der stark alternden Gesellschaft sei der Bedarf in der Branche weiter groß. Auch durch die Digitalisierung hätten sich neue Möglichkeiten ergeben. Nicht nur Programmierer seien gefragt, durch die Pandemie sei auch der Bedarf durch neue digitale Geschäftsmodelle gestiegen. Konferenzen, die nun im Video-Stream stattfinden, so der Experte, müssten ebenso organisiert werden. Corona habe diese Entwicklung sehr stark beschleunigt: „Vieles davon wird auch nach der Krise beibehalten werden.“Junge Leute seien in dieser Hinsicht bereits gut aufgestellt, weil sie mit den technischen Hilfsmitteln aufgewachsen seien.
Durch die Beschränkungen in der Pandemie sind auch viele Vorstellungsgespräche in den virtuellen Bereich verlegt worden. Dass das eine große Umstellung sein kann, weiß auch der Ökonom: „Um auch über den Bildschirm einen guten Eindruck zu machen, könne man üben.“Aus seinen Vorlesungen, die Walwei bei seiner Tätigkeit als Professor an der Universität Regensburg ebenso ins Netz verlegen musste, kennt er die Tücken. Auf
Junge Bewerber haben oft das Nachsehen
Vorsicht bei Video-Gesprächen
das Äußere, die stimmige Kleidung und die richtige Sitzposition sollten Bewerber auch beim Video-Gespräch achten. Außerdem rät er, die Regeln der Kommunikation wie auch in der realen Welt einzuhalten. „Wichtig ist auch, sich zuvor mit dem Konferenzsystem vertraut zu machen und rechtzeitig zugeschaltet zu sein“, rät er.
Auch finanzielle Auswirkungen könnte ein holpriger Start in das Berufsleben haben. Der „Scarring-Effect“beschreibe das Phänomen treffend, erklärt der Experte. Wer zu Beginn seiner Karriere Zugeständnisse machen muss oder nicht so hoch einsteigen kann wie gewünscht, könnte die Auswirkungen in seinem späteren Berufsleben noch spüren. Walwei sagt: „Wie stark sich das auswirkt, hängt davon ab, wie lange die Betroffenen brauchen, um eventuelle Lücken wieder aufzuholen.“Um Absolventen in der schwierigen Situation nicht im Stich zu lassen, hat die Universität Augsburg ihre Angebote angepasst. Neben Berufsorientierung und Profilbildung können sich Studenten trotz Corona-Pandemie auch Zusatzqualifikationen aneignen. Im aktuellen Semester wurden die Angebote größtenteils in das Internet verlegt. Claudia Lange vom Beratungsteam sagt: „Unsere Alumni freuen sich drauf, Studierenden in dieser schwierigen Zeit beizustehen – auch über digitale Formate.“