Wertinger Zeitung

Portugal wird zum Corona-Hotspot

Pandemie Lange kam das Land ganz im Südwesten Europas besser durch die Krise als der große Nachbar Spanien. Doch wird es nun – nach Schweden – zum neuen Sorgenkind in der EU?

- VON RALPH SCHULZE

Lissabon Im Frühjahr galt Portugal noch als europäisch­er Musterknab­e, der dank schneller Reaktionen und vorbildlic­her Schutzmaßn­ahmen in der Corona-Krise vergleichs­weise glimpflich davonkam. Doch jetzt, im Sommer, hat sich das Blatt gewendet. Statt Erfolgsmel­dungen kommen Corona-Hiobsbotsc­haften aus dem beliebten Urlaubslan­d, in dem im vergangene­n Jahr 27 Millionen ausländisc­he Touristen Ferien machten. Denn Portugal ist neuerdings, nach Schweden, das EULand mit dem höchsten Anstieg an Corona-Neuinfekti­onen.

Die Lage ist so bedenklich, dass die Regierung in 19 Vorstädten rund um die Metropole Lissabon wieder das Ausnahmere­cht verhängte und die Bewegungsf­reiheit der Bürger einschränk­te. So wie es bereits von Mitte März bis Anfang Mai, auf dem Höhepunkt der Epidemie, im ganzen Land der Fall war.

Vom 1. Juli an sollen die Bürger in den betroffene­n Gemeinden möglichst nur zum Einkaufen, zum Arbeiten und für Arztbesuch­e auf die Straße. Der sozialisti­sche Regierungs­chef António Costa sagte, die Erfüllung der Ausgehsper­re sei „bürgerlich­e Pflicht“.

Das touristisc­he Zentrum Lissabons ist von den Ausgangsbe­schränkung­en noch nicht betroffen, wohl aber der an der Peripherie liegende Stadtteil Santa Clara. Insgesamt müssen nun rund eine Million Portugiese­n, die überwiegen­d in den nordwestli­chen Vorstädten Lissabons wohnen, wieder zu Hause bleiben. In der City Lissabons wird wegen des steigenden Corona-Risikos der Handel eingeschrä­nkt: Mehrere große Märkte wurden verboten. Die Einzelhand­elsgeschäf­te, die zuweilen bis spät in der Nacht aufhaben, müssen nun um 20 Uhr zumachen. Restaurant­s schließen wie bisher gegen 22 Uhr.

Die Zahl der Neuinfekti­onen liegt in Portugal inzwischen so hoch, dass manche europäisch­e Regierunge­n von einem Urlaub in dem südeuropäi­schen Land am Atlantik abraten. „Vor allen Reisen nach Portugal wird aufgrund der Ausbreitun­g des Coronaviru­s gewarnt“, heißt es zum Beispiel in den aktuellen Landesinfo­s des österreich­ischen Außenminis­teriums. Die deutsche Regierung beschränkt­e sich am Freitag noch auf den Hinweis, dass „aufgrund der weiterhin steigenden Neuinfekti­onen“im Großraum Lissabon einige Lockerungs­maßnahmen zurückgeno­mmen worden seien. Die Deutschen sind nach den Briten die

Besucherna­tion in

Portugal.

Nach der Statistik des EU-Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheite­n (ECDC) registrier­te Portugal in sieben Tagen alle 24 Stunden im Schnitt 332 neue Corona-Fälle. Drei Viertel aller Erkrankung­en werden derzeit aus dem Großraum Lissabon gemeldet.

Pro 100 000 Einwohner werden in Portugal derzeit wöchentlic­h 22,6 Fälle erfasst. Nur in Schweden sieht es mit 76,7 Infektione­n pro 100000 Menschen noch schlechter aus. Zum Vergleich: In Deutschlan­d liegt die Zahl derzeit bei 4,8. Auch andere beliebte Urlaubslän­der wie etwa Spanien (4,1), Frankreich (4,0), Österreich (3,1) Italien (2,6) oder Griechenla­nd (0,8) stehen deutlich besser als Portugal da.

Mit der sich verschärfe­nden Corona-Krise in Lissabon könnte auch das Champions-League-Spektakel vom 12. bis 23. August in Lissabon in Gefahr geraten. Die noch ausstehend­en Viertel- und Halbfinalr­unden sowie das Endspiel waren von der Uefa in die portugiesi­sche Hauptstadt verlegt worden – weil man dachte, dass dort die Epidemie unter Kontrolle sei.

Auch an der Algarve-Küste, Portugals wichtigste­r Urlaubshoc­hburg, macht man sich Sorgen. Bisher war die Algarve weitgehend verschont geblieben von der Epidemie. Die meisten der bisher in ganz Portugal durch Tests bestätigte­n 40 500

Fälle wurden aus den beiden großen Ballungsge­bieten Lissabon und Porto gemeldet. Doch seit nach einer illegalen Massenpart­y im Algarvezwe­itstärkste

Ort Odiáxere binnen weniger Tage schon mehr als 100 Menschen erkrankten, steigt auch dort das Risiko.

 ?? Foto: Pedro Fiuza, dpa ?? Portugal (hier ein Foto aus der Innenstadt Lissabons) galt als Musterknab­e in puncto Corona. Doch nun hat sich das Blatt gewendet. Die Infektions­zahlen steigen.
Foto: Pedro Fiuza, dpa Portugal (hier ein Foto aus der Innenstadt Lissabons) galt als Musterknab­e in puncto Corona. Doch nun hat sich das Blatt gewendet. Die Infektions­zahlen steigen.

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