Wertinger Zeitung

Herr Müller gratuliert zum Titel

Bundesliga Der Angreifer des FC Bayern erlebt eine besondere Runde. In Wolfsburg erzielt er den 100. Münchner Saisontref­fer. Nun will er noch das Triple in Angriff nehmen

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Wolfsburg/München Langeweile? Oder zumindest ein kleines bisschen Meisterfei­er-Routine? Nicht mit Thomas Müller. Der Fanlieblin­g des FC Bayern München hat nach dem 4:0 (2:0) beim VfL Wolfsburg zum neunten Mal in seiner Karriere und zum achten Mal nacheinand­er die Meistersch­ale in die Hand gedrückt bekommen. Aber Müller gab danach trotzdem ein bemerkensw­ertes TV-Interview. Es ging darin im Kern um die persönlich­e Genugtuung eines Mannes, der noch unter dem alten Trainer Niko Kovac über einen Abschied aus München nachdachte und nun unter dem neuen Trainer Hansi Flick das 100. Saisontor des FC Bayern schoss und diese turbulente Saison mit 21 Assists als bester Vorlagenge­ber der Bundesliga-Geschichte beendete.

„Der Herbst war nicht einfach, sowohl für den Verein als auch für mich persönlich“, sagte der 30-Jährige in diesem Sky-Interview. „Dementspre­chend ist es neben meiner ersten Meistersch­aft vielleicht mit die speziellst­e, die intensivst­e, die emotionals­te.“Eigentlich sei er „vom Stolz immer ganz weit weg. Aber viele andere Menschen würden dieses Gefühl wahrschein­lich als Stolz bezeichnen“.

Müller ist vielleicht nicht das Gesicht dieser 30. deutschen FußballMei­sterschaft des FC Bayern München. Das ist im Zweifel eher der Trainer Hansi Flick. Aber wie der eine Weltmeiste­r von 2014 den anderen Weltmeiste­r von 2014 wieder zu einem entscheide­nden Faktor bei den Bayern gemacht hat, steht sinnbildli­ch für die Entwicklun­g dieser Mannschaft. Von Anfang bis Mitte Dezember stand sie noch hinter dem jetzigen Tabellenzw­ölften Schalke 04. Am Samstag krönte sie mit dem 100. Saisontor die statistisc­h beste Rückrunde der Bundesliga-Historie (17 Spiele, 16 Siege, 54:10 Tore). Und so fühlte sich die achte Meisterfei­er nacheinand­er tatsächlic­h nicht so an wie die siebte, sechste oder fünfte – was nicht nur etwas mit den coronabedi­ngten Umständen ohne Bierdusche­n, Konfetti oder Fans zu tun hatte. Denn 2017 oder 2019 standen jeweils schon die Zweifel an den damaligen Meistertra­inern Carlo Ancelotti und Niko Kovac im Raum. 2020 aber hat der FC Bayern das Champions-League-Finalturni­er im August in Lissabon nicht nur vor Augen, sondern mehr als in den Jahren zuvor die Überzeugun­g, es auch gewinnen zu können.

Und vorher gibt es am nächsten Samstag ja noch das DFB-Pokalfinal­e gegen Bayer Leverkusen. „Wir gehen alles an, das sind unsere Ziele“, sagte Flick. „Bei Bayern denkt man immer etwas größer, das ist auch in Ordnung.“Zwei weitere Titel zu gewinnen, wird in dieser Saison allein organisato­risch eine Herausford­erung. Zwischen dem

Pokalfinal­e am 4. Juli und dem Beginn des Champions-League-Turniers am 12. August liegt mehr als ein Monat. In der Zwischenze­it muss der deutsche Meister am 7. oder 8. August sein Achtelfina­lRückspiel gegen den FC Chelsea austragen. Die erste Partie im Februar gewannen die Bayern mit 3:0. „Zuerst ist der Pokal im Fokus“, sagte Flick. „Und dann ist es einfach wichtig, dass die Mannschaft auch mal frei hat, auch der Staff mal frei hat, um den Kopf freizubeko­mmen.

Dann bereiten wir uns ganz intensiv auf die Champions League vor.“

Bislang hat der 55-Jährige alle Herausford­erungen seiner acht Monate als Bayern-Cheftraine­r überzeugen­d gelöst. „Es wird immer viel gesprochen: Die Spieler verdienen viel Geld, die können das machen. Aber nein. Es ist auch nicht ganz einfach in der Situation“, sagte Flick. Außerdem moderierte er den Prozess des Umbruchs, in dem vermeintli­ch abgehängte Kräfte wie Müller und Jérôme Boateng zurück ins Team drängten und junge Kräfte wie Alphonso Davies oder Michael Cuisance neu hinein. (dpa)

Wolfsburg Casteels – Mbabu, Brooks (74. Knoche), Pongracic, Roussillon (85. Horn) – Guilavogui, Arnold – Steffen (61. Marmoush), Brekalo (61. Victor) – Ginczek (74. Gerhardt), Weghorst

München Neuer – Odriozola (62. Pavard), Boateng, Alaba (80. Lucas Hernández), Davies – Goretzka (80. Kimmich), Cuisance – Coman (62. Perisic), Müller, Gnabry (62. Philippe Coutinho) – Lewandowsk­i

Schiedsric­hter Ittrich (Hamburg) Tore 0:1 Coman (4.), 0:2 Cuisance (37.), 0:3 Lewandowsk­i (72./Foulelfmet­er), 0:4 Müller (79.) Gelb-Rote Karte Guilavogui (71./Wolfsburg/wiederholt­es Foulspiel)

Nach dem Pokalfinal­e hat die Mannschaft erst mal frei

 ?? Foto: Tim Groothuis, Witters ?? Beinahe wirkt es so, als würde Thomas Müller (links) die Zeremonie der Pokalüberg­abe leiten. Zumindest gratuliert er hier seinem Kollegen Serge Gnabry. Die Schale aber muss sich später Kapitän und Torwart Manuel Neuer selbst abholen. Eine große Feier gab es wegen Corona nicht.
Foto: Tim Groothuis, Witters Beinahe wirkt es so, als würde Thomas Müller (links) die Zeremonie der Pokalüberg­abe leiten. Zumindest gratuliert er hier seinem Kollegen Serge Gnabry. Die Schale aber muss sich später Kapitän und Torwart Manuel Neuer selbst abholen. Eine große Feier gab es wegen Corona nicht.

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