Wertinger Zeitung

Der Traum vom Hausschwei­n

- VON ERICH PAWLU redaktion@wertinger-zeitung.de

Schon lange wollten kluge Köpfe die Menschheit mit Schrift, Charme und Schläue „Zurück zur Natur“führen. Die Erfolge hielten sich in Grenzen. Erst die CoronaKris­e erschafft jetzt den naturnahen Menschen.

Denn seit Ausbruch der Pandemie hat das Interesse an privater Landwirtsc­haft und Gärtnerei sprunghaft zugenommen. Der in seine Wohnung eingesperr­te Mensch träumt plötzlich von der Möglichkei­t, sich durch Gemüseanba­u auf Terrasse und Balkon zu biologisch­er Selbstvers­orgung hochzuarbe­iten. Der Informatio­nselektron­iker wird nebenbei zum Kohlrabi-Experten, seine Frau sammelt Spezialwis­sen über die Wirkung von Folsäure auf das Wachstum von Chinakohl. Endlich verstehen wir, dass man mit ein paar Hühnern und viel Salat allen Krisen trotzen kann. Ständige Nachrichte­n von den Zuständen in Großschlac­htereien befeuern zusätzlich die Sehnsucht nach einem eigenen Schwein, das mit Familienan­schluss im Gärtchen lebt und der Pandemie mit freudigem Grunzen pure Lebenslust entgegense­tzt.

Plötzlich ergeben sich ganz neue Möglichkei­ten auch für junge Leute, die noch immer auf regelmäßig­en Unterricht verzichten müssen. Sie übernehmen eine eigene Erziehungs­aufgabe, wenn sie sich beim Schweinehü­ten an die Erkenntnis halten, die uns in Brehms Werk „Illustrirt­es Thierleben“übermittel­t wird: „Hausschwei­ne, welche von Jugend auf mehr in der Familie des Menschen, als für sich allein gelebt haben, … üben ihre geistigen Kräfte, und sind dann weit verständig­er als die Übrigen ihrer Art.“

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