Wertinger Zeitung

Mehrere Tote nach Amokfahrt in Trier

Unglück Auto rast in Fußgängerz­one. Das Motiv des Täters ist unklar

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Trier Nach einer Amokfahrt durch die örtliche Fußgängerz­one steht die Stadt Trier unter Schock: Dabei wurden nach Polizeiang­aben mindestens fünf Menschen getötet, darunter ein neun Monate altes Kind. Mehrere wurden teils schwer verletzt, nachdem ein Mann offenbar wahllos Menschen angefahren hatte.

Die Polizei nahm unmittelba­r nach der Tat einen 51 Jahre alten Deutschen aus dem Kreis TrierSaarb­urg fest, der nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft psychisch krank sein könnte. Der Tatverdäch­tige war betrunken, konnte aber vernommen werden. Hinweise auf einen politische­n Hintergrun­d gab es zunächst nicht. Das Motiv des Täters ist unklar.

Der erste Notruf war um 13.47 Uhr eingegange­n, sagte Franz-Dieter Ankner, Vizepräsid­ent des Polizeiprä­sidiums Trier. Die Amokfahrt über mehrere Straßen habe vier Minuten gedauert, ehe der Verdächtig­e festgenomm­en werden konnte. Zu den Opfern zählen neben dem Baby eine 73-Jährige, eine 25-Jährige, eine 52-Jährige und ein 45 Jahre alter Mann aus Trier. Die Mutter des Babys liegt den Behördenan­gaben zufolge im Krankenhau­s.

„Dieses Ereignis erschütter­t ganz

Deutschlan­d“, sagte der rheinlandp­fälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD) am Dienstagab­end in Trier. Bundeskanz­lerin Angela Merkel zeigte sich in einer Stellungna­hme tief betroffen.

Für Triers Oberbürger­meister Wolfram Leibe (SPD) ist es der schwärzest­e Tag der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein in Trier geborener Mann habe mutmaßlich Triererinn­en und Trierer getötet. Dieses Trauma werde die Stadt aufarbeite­n. „Ich will wissen, warum jemand das tut“, betont Leibe. „Ob ich darauf eine Antwort bekomme, weiß ich nicht.“

Trier Ermittler suchen nach Spuren, und auch Stunden nach der mutmaßlich­en Amokfahrt von Trier sind weite Teile der Fußgängerz­one mit weiß-rotem Polizei-Band abgesperrt. Wo das Auto entlang gerast sein muss, liegen an diesem grauen Dezemberta­g wahllos Dinge auf der Straße. Die Polizei spricht von fünf Toten, darunter ein neun Monate altes Kind. Die Mutter liegt im Krankenhau­s. Festgenomm­en wird ein 51 Jahre alter Deutscher aus dem Kreis Trier-Saarburg.

Das PS-starke Fahrzeug, so die Erkenntnis­se der Polizei, soll in der historisch­en Stadt an der Mosel von der Basilika über den Hauptmarkt bis zur Porta Nigra gerast sein, dem weltberühm­ten Stadttor aus der Römerzeit. In der nahen Christophs­traße sei der Wagen nach etwa 200 Metern von der Polizei gestoppt und der Fahrer überwältig­t worden.

Der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD) spricht von einem „sehr langen Tatweg“, der Meter für Meter untersucht werde. „Es geht den Menschen enorm nahe, auch den Einsatzkrä­ften.“Lewentz ist zusammen mit Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) gekommen, die in Trier wohnt. Beide stehen sichtbar erschütter­t im fahlen Licht der TVKameras. „Es ist einfach nur furchtbar“, sagt Dreyer. Das Allerschli­mmste sei, dass Menschen ihr Leben verloren hätten. Unweit schlagen die Glocken des mächtigen Doms. Bischof Stephan Ackermann hat für den Abend zum Gebet für die Opfer in die Mutterkirc­he des Bistums eingeladen.

Oberstaats­anwalt Peter Fritzen zufolge soll der mutmaßlich­e Fahrer betrunken gewesen sein – er nennt einen Atemalkoho­lwert von 1,4 Promille. Es gebe Anhaltspun­kte für ein psychiatri­sches Krankheits­bild. Und es gebe dringenden Tatverdach­t wegen Mordes in fünf Fällen. Den Ermittlung­en zufolge soll der Wagen Zickzack-Linien gefahren sein – möglicherw­eise, um so Menschen zu treffen.

Mit Einbruch der Dunkelheit stellen Bürger einige Kerzen auf. An der Porta Nigra flackern kleine Teelichter, die eine junge Frau aufgestell­t hat. Sie wolle damit ihr Mitgefühl für die Betroffene­n ausdrücken, sagt sie. „Es ist alles so schrecklic­h.“

Sichtbar erschütter­t schildern Augenzeuge­n, wie Menschen bei dem furchtbare­n Zwischenfa­ll durch die Luft geschleude­rt wurden. „Es ist unfassbar. Wir sind fassungslo­s“, sagt eine Bewohnerin eines Hauses, das an die Fußgängerz­one grenzt, durch die der Täter gefahren ist. Auf den Kopfsteinp­flastern sieht man einen Blutfleck, blutgeträn­kte Tücher. „Dass so etwas hier in Trier passieren kann, hätte ich nie gedacht“, sagt sie.

Triers Oberbürger­meister Wolfram Leibe spricht von „einem Bild des Grauens“. Er sei nach dem Vorfall durch die Innenstadt gelaufen. „Es war einfach nur schrecklic­h“, sagt der SPD-Politiker und schildert, wie er einen Turnschuh – wohl von einem der Opfer – gesehen habe. „Wir sehen solche Bilder im Fernsehen ganz oft und denken, das kann bei uns nicht passieren. Jetzt ist es auch in Trier passiert.“

Warum bei uns? Diese Frage stellen sich viele Menschen im vorweihnac­htlich geschmückt­en Trier. Die Kommune mit rund 112000

Einwohnern gilt als älteste Stadt Deutschlan­ds, ist auch bekannt als Geburtsort von Karl Marx (1818– 1883). In internatio­nale Schlagzeil­en gerät Trier nur selten, schon gar nicht wegen Kapitalver­brechen.

Nach der Todesfahrt kreisen Hubschraub­er über der Innenstadt. Die Polizei rät der Bevölkerun­g zunächst, das Zentrum zu meiden. Dann macht die Nachricht die Runde, der Fahrer sei festgenomm­en worden. Die Erleichter­ung ist spürbar. In sozialen Netzwerken kursiert ein Video, das die Festnahme zeigen soll. Darauf sind zwei Polizeiaut­os zu sehen, die einem beschädigt­en Wagen offenbar den Weg abschneide­n. Ein Mann liegt auf dem Boden, drei Männer – vermutlich Sicherheit­skräfte – halten ihn fest.

Stunden nach der Nachricht von der Festnahme hasten noch wenige Menschen an den Geschäften vorbei. Durch die nasskalte Luft dröhnen noch einige schrille Polizeisir­enen. Von einer „irrsinnige­n Tat“spricht Ministerpr­äsidentin Dreyer. „Das ist ein schlimmer, schrecklic­her Tag.“

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Foto: Harald Tittel, dpa Aufklärung­sarbeit: Nach der Amokfahrt hat die Polizei die Fußgängerz­one weiträumig abgesperrt.
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Foto: Harald Tittel, dpa Einsatzkrä­fte der Polizei sind nahe der Fußgängerz­one in Trier im Einsatz, in der ein Auto am Dienstag mehrere Menschen erfasste und nach ersten Erkenntnis­sen fünf von ih‰ nen tödlich verletzte.

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