Entsorger schlagen wegen wilden Mülls Alarm
Alltag Die Pandemie wirkt sich auch dramatisch auf das Abfallgeschäft aus. In Wertingen beschäftigt das Thema Müllsünder die Umweltreferentin Hertha Stauch. Und der Abfallverband plant eine Kampagne
Wertingen Tatort Industriestraße Wertingen vor dem Lidl-Parkplatz: Seit Monaten lagert dort am Gehwegrand rund um einen Altkleidercontainer Müll in jeder Form. Eine Kühltruhe rostet seit Monaten vor sich hin, umgeben von Tüten voller Restmüll, Kisten, Töpfen, Schachteln, Schuhe, vermodertes Zeug.
Irgendwann kann die Umweltreferentin des Stadtrates den Anblick nicht mehr ertragen, holt ihre Kamera aus der Tasche und fotografiert. Hertha Stauch notiert sich auch die Adresse auf dem Container: „Mario Sedita GmbH – Textilsammlung mit Qualitätssiegel, kontrolliert, geprüft, ausgezeichnet“. Sie schickt eine Mail an die Adresse, spricht auf den Anrufbeantworter. Wenige Tage später erreicht sie ein Rückruf mit einer leicht frustrierten Stimme: „Frank Nemeth am Apparat“. Es entwickelt sich ein angeregtes, interessantes Gespräch. 45 Mitarbeiter hat seine Firma in Aalen, erzählt Nemeth, seit 20 Jahren ist er im Altkleidergeschäft tätig, schickt wöchentlich mindestens einmal seine Entsorgungs-Laster zu den Containern, die er in Süddeutschland und Österreich aufgestellt hat.
Jetzt kommt es, was er in einem derartigen Ausmaß noch nie erlebt hat und verärgert schildert: „Seit dem Corona-Ausbruch haben wir keine Kleider und Schuhe mehr in unseren Containern, sondern alle Arten von Restmüll und Dreck, im Behälter und Drumherum. Wir kommen gar nicht mehr nach mit der Beseitigung der Tonnen von Restmüll.“Wird er in den Kommunen mit seinem Problem vorstellig – in Wertingen stehen nur zwei seiner Container – bekommt er die Antwort, dass diese nicht zuständig seien: „Die Städte machen es clever.“Nemeth meint vor allem die Städte in Baden Württemberg, wo er die meisten Container betreibt. Er schreibt verärgert an den dortigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und macht auf die prekäre Situation der Abfallbetriebe in der Pandemie aufmerksam: „Die Maßnahmen zur Reduktion der Verbreitungsgeschwindigkeit der COVID-19-Epidemie fordern uns Alttextilsammler bis an die Grenzen des Möglichen. Die Mitglieder des bvseFachverbandsvorstand Textilrecycling schlagen Alarm, denn die wirtschaftliche Ausgangssituation für Alttextilunternehmen spitzt sich täglich weiter zu. Immer mehr Sortieranlagen beantragen aufgrund der Corona
Kurzarbeit oder schließen die Betriebe aufgrund von QuarantäneMaßnahmen komplett.“Der Export kommt fast völlig zum Erliegen.
In der Zeit des „Social-Distancing“nehme das Restmüllaufkommen Dimensionen an, die nicht mehr vertretbar seien. Nemeth in seinem Schreiben an Kretschmann: „Wir reden hier von einer Zunahme des Restmüllaufkommens von 200 Prozent. Diese Kosten sind nicht überschaubar und tragbar. Es ist auch nicht unsere Aufgabe, den Müll der Bevölkerung für teure Kosten zu entsorgen.“
Nemeth bekommt später Antwort vom Ministerpräsidenten-Büro des
Nachbar-Ländles: Durch die zeitweise Schließung der Wertstoffhöfe während der Pandemie steige das Alttextilaufkommen bei den gewerblichen Sammlern. Zugleich sinke die Qualität des Sammelguts. Die Marktsituation auf dem Alttextilsektor werde durch die Coronakrise erheblich verschärft. Nemeth fühlt sich bestätigt, weiß aber immer noch nicht, wie er dem Problem Herr werden kann. „Wir haben in der Pandemie ein riesiges Abfallproblem.“Dabei schiebe jeder dem anderen den schwarzen Peter zu. Er kenne Kommunen, sagt Nemeth im Gespräch mit der Umweltreferentin, die wollen keine KleiderconKrise tainer mehr – „da werden keine mehr aufgestellt.“Sein Vorschlag, an den Container-Plätzen Überwachungskameras aufzustellen wurde abgelehnt – aus Gründen des Datenschutzes.
Während Nemeth seinen „Kampf gegen Windmühlen“nicht aufgeben will, versucht der Abfallwirtschaftsverband Nordschwaben (AWV) das Problem auf andere Weise in Griff zu bekommen. Denn auch auf dem AWV-Containerstandort am Laugnaplatz in Wertingen lagert oft wilder Müll. Der AWV setzt auf Aufklärung und Abschreckung. Ab Januar plant er den Einsatz von Müllpaten. Das sind Menschen, die vermehrt ein
Auge auf den Containerstandort werfen sollen, berichtet AWV-Mitarbeiterin Emma Christa der Umweltreferentin. In Lauingen gibt es bereits Müllpaten, im Januar sollen das Projekt auch in Wertingen starten. Dafür soll es eine Werbekampagne geben. Die Müllpaten „überwachen“den Containerstandort und melden an den AWV, wenn dort ungewollter Abfall lagert. „Wenn dort erst mal was liegt, dann kommt immer mehr hinzu“, so Christas Erfahrung. Da eine Überwachung mittels Kameras nicht erlaubt sei, hoffe der AWV, dass sich die wilden Ablagerungen mit Hilfe der Müllpaten verringern werden.