Ärger ist „absolut nachvollziehbar“
Finanzen Mitglieder des Sparkassen-Verwaltungsrats äußern sich zu den Schließungen und zum Ende der Filiale in Nördlingen
Nördlingen/Dillingen Seit dem vergangenen Freitag ist die Nördlinger Sparkassen-Filiale „Am Steigweg“Geschichte. Wie fünf weitere Standorte im Ries schloss die Sparkasse Dillingen-Nördlingen die Geschäftsstelle, um nach eigener Aussage „das Geschäftsstellen-Netz zu optimieren“. Ein älterer Mann will an jenem Morgen gegen 10.30 Uhr Geld abheben. Er setzt seinen Fuß sachte aus seinem Auto auf den Asphalt, steigt aus, versperrt die Tür und geht einige Schritte auf die Filiale zu. Die automatische Schiebetür aus Glas gibt den Weg frei, doch der Mann aus Marktoffingen geht nicht weiter. Er liest die Zeilen auf einem Plakat, das aufgehängt wurde.
„Sehr geehrte Kunden, unser Geldautomat wurde bereits abgebaut. Die nächsten Automaten finden Sie in der Hofer Straße (bei Aldi), in der Maria-Penn-Straße (beim neuen Edeka), in der Hauptstelle in der Stadt. Vielen Dank!“Er dreht sich wieder um und geht langsam zurück zu seinem Auto. Er brauche Bargeld, deshalb sei er hergefahren, sagt er. Jetzt müsse er weiter in die Hofer Straße. Die Innenstadt sei keine Option, parken sei dort mühsam. Er komme gerade vom Krankenhaus. Noch dazu sei er schlecht zu Fuß. Seine Meinung als langjähriger Kunde zur Schließung diverser Filialen: Er finde das nicht gut, dass so viele Filialen auf einmal geschlossen würden. Auch die in der Augsburger Straße gebe es nicht mehr. Kommen sehen habe er die Entscheidung nicht.
Ein weiterer Mann parkt mit seinem alten, aber gepflegten Mercedes vor der Filiale. Auch er kommt schnell wieder zu seinem Wagen zurück, ohne Bargeld. Was er zur Schließung sagt? „Optimal ist es nicht. Ich habe aber ein Auto, für mich ist das nicht so schlimm. Aber sagen wir mal so: Es gibt ja Leute ohne Auto. Was machen die?“Er schwingt sich mit einer Hand am Auto auf seinen Fahrersitz zurück, lässt den Motor an und fährt Richtung Hofer Straße.
In Leserbriefen an die Nördlinger Redaktion unserer Zeitung wird der Unmut deutlich. Zusammengefasst heißt es darin, dass die Schließung auf Kosten der älteren Kunden und des Rieses gehe. Im Landkreis Dillingen gab es keine Proteste, hier wurden die Selbstbedienungs-Geschäftsstellen beim Rewe in Buttenwiesen und an der B16 in Blindheim abgebaut. Im Ries wird dagegen mehrmals die Frage aufgeworfen, ob das durch eine Banken-Ehe mit Donauwörth vielleicht hätte verhindert werden können. Außerdem wird nach Stellungnahmen der örtlichen Politiker gefragt, vor allem von denjenigen, die als Mitglieder im Verwaltungsrat der Sparkasse DillingenNördlingen agieren.
Stellvertretender Aufsichtsrats
ist der Nördlinger Oberbürgermeister David Wittner. Er teilt auf eine entsprechende Nachfrage mit, dass der Ärger der betroffenen Kundinnen und Kunden im Wemdinger Viertel „absolut nachvollziehbar“sei. Er differenziert außerdem: „Ich hätte es als Oberbürgermeister natürlich sehr gerne gesehen, wenn uns die Filiale im Steigweg erhalten geblieben wäre. Als Verwaltungsrat muss ich aber auch die Gesamtsituation der Sparkasse Dillingen-Nördlingen im Blick haben.“In seinen Augen könnten die zeitnahen Schließungen der Filialen so kurz, nachdem sie überhaupt bekanntgegeben worden waren, kritisch gesehen werden. „Richtig ist aber auch, dass die Sparkasse weiterhin dort, wo jetzt Filialen geschlossen wurden, den Kundenservice vor Ort aufrechterhält.“Dies sei dem Verwaltungsrat ein sehr wichtiges Anliegen. Kundinnen und Kunden könnten sich zu Hause im Wohnzimmer beraten lassen – auch in Corona-Zeiten mit den entsprechenden Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen. Ein Geldexpress bringe Bargeld bei Bedarf kostenlos nach Hause und auch Kosten für Busfahrtickets und Kuverts würden übernommen. „Gerade für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen ist dies ein guter Ansatz“, findet Wittner.
Landrat Stefan Rößle, ebenfalls Mitglied im Verwaltungsrat der Sparkasse Dillingen-Nördlingen, schließt sich der Stellungnahme des Oberbürgermeisters an und weist ergänzend darauf hin, dass die FilialVorsitzender schließungen unabhängig von der Fusion zu sehen seien. „Das geänderte Kundenverhalten und die dadurch nicht mehr vertretbaren Personalund Sachkosten für einzelne Filialen sind für alle Sparkassen in Deutschland und auch für andere Banken eine Herausforderung, auf die man entsprechende Antworten finden muss, auch wenn es mitunter schmerzliche Einschnitte für Betroffene darstellt“, so Rößle.
Auch Nördlingens Stadtrat Jörg Schwarzer hat einen Platz im Verwaltungsrat der Sparkasse DillingenNördlingen. Er vertritt die Haltung des Landrats und ergänzt zwei Punkte. So sei in vielen Regionen, auch in Dillingen und Donauwörth, das Filialnetz der Sparkassen bereits vor Jahren ausgedünnt worden. „Hier war man in Nördlingen immer sehr zurückhaltend und hat im Interesse der Kunden so lange wie nur möglich die Filialen aufrechterhalten,“, sagt Schwarzer. Zudem sei die „Schließung eine Abwägung aus Wirtschaftlichkeit und Service“, die „sehr wahrscheinlich auch ohne eine Fusion oder mit einem anderen Fusionspartner unter dieser Abwägung unausweichlich gewesen wäre.“
Für viele Kunden hat die Sparkasse nicht nur die Funktion, in Geldangelegenheiten Dienstleister zu sein. Dazu zählt sich unter anderem auch Ulrich Lange, ebenfalls Verwaltungsrats-Mitglied und Bundestagsabgeordneter. So erzählt er gegenüber unserer Redaktion: „Für mich war die Filiale Am Steigweg die Sparkasse meiner Kindheit, die ich bis zuletzt für BankautomatenStopps nutzte. Von dort bekam ich mein erstes Sparbuch, dort leerte ich meine Spardose und dort holte ich meine Knax-Hefte.“Die Angebote für Kinder seien sogar über Sparkassenkunden hinaus bekannt. Allerdings erkenne Lange das veränderte Kundenverhalten sowie die Veränderungen bei allen Banken in Deutschland. Diese würden auch an den Sparkassen nicht vorübergehen. Trotzdem gibt er sich überzeugt, dass die Angebote der Sparkasse Dillingen-Nördlingen, insbesondere auch für ältere Menschen, ein guter Kundenservice vor Ort seien. Das unterscheide Sparkassen in seinen Augen auch heute noch von anonymen Onlinebanken.
Zwischen der geschlossenen Filiale Am Steigweg und dem Standort in der Hofer Straße liegt knapp ein Kilometer. Ein paar Kunden gehen an jenem Freitag im November im Sparkassen-Pavillon ein und aus, ringsum fließt viel Verkehr. Ein Schild informiert die Kunden über „Noch mehr Service rund um die Uhr.“Seit 25. November könnten Kunden rund um die Uhr einzahlen, Kontoauszüge und Bargeld abholen. Im Pavillon wird auf die OnlineDienste verwiesen. Nach Angaben der Sparkasse sind diese die „Filiale“, die am meisten angenommen werde.