Wertinger Zeitung

Glückliche Gärtner

Freizeit Deutschlan­ds Laubenkolo­nien: die letzten Paradiese auf Erden?

- VON RUDI WAIS

Auch im Grundgeset­z der Schrebergä­rtner ist Müßiggang aller Laster Anfang. Sich einfach nur in die Hängematte legen, dem Gras beim Wachsen zusehen und mit einem frühen Feierabend­bier einen faulen Tag beschließe­n: undenkbar in einer Laubenkolo­nie. Kleingärte­n werden ihren Besitzern „insbesonde­re zur Gewinnung von Gartenbaue­rzeugnisse­n für den Eigenbedar­f“überlassen, heißt es im Bundesklei­ngartenges­etz streng. Auf mindestens einem Drittel der Fläche müssen danach Tomaten, Zucchini oder anderes Gemüse angebaut werden. Und das macht Arbeit.

Die Regeln in den Anlagen sind streng – und die Vorurteile jenseits des Zauns noch immer groß: Schrebergä­rtner schneiden den Rasen mit der Nagelscher­e auf den Nanometer genau, sie kontrollie­ren mit dem Zollstock die Höhe der Hecken, polieren ihre Gartenzwer­ge so eifrig wie ihre Autos und gelten auch sonst als Inbegriff allen Spießigen. Der Schriftste­ller Wladimir Kaminer etwa erinnert sich noch gut, wie er selbst Laubenpiep­er wurde: Innerhalb weniger Monate habe er bereits gegen so ziemlich jedes Verbot der Gartenordn­ung verstoßen – außer jenem zur Haltung von Großvieh in Kleingärte­n vielleicht. „Zu unseren Verbrechen gehörten unter anderem Ruhestörun­g, verbotenes Anpflanzen von Hecken zwischen den Parzellen und die vorsätzlic­he Anschaffun­g nicht zulässiger Pflanzen.“Geblieben ist er trotzdem. Kaminers Kolonie in Berlin heißt wenig prosaisch „Bornholm 1 und 2“. In einem seiner Bücher hat er sie in „Glückliche Hütten“umbenannt. Der Name ist Programm: Nach einer neuen Umfrage sind Kleingärtn­er glückliche­r als Menschen ohne Garten und ihre Schrebergä­rten so etwas wie die letzten Paradiese auf Erden – zumindest bis die ersten Nacktschne­cken kommen.

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Foto: Adobe Stock

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