Wertinger Zeitung

Hohe Haftstrafe für Ex-Minister Grasser

Justiz Karl-Heinz Grasser stand stets gerne im Rampenlich­t. Von Jörg Haider entdeckt, wurde er österreich­ischer Finanzmini­ster – und Liebling der Boulevard-Medien. Nun soll er für acht Jahre ins Gefängnis

- VON MICHAEL BACHNER UND MICHAEL STIFTER

Wien Karl-Heinz Grasser war ein Politstar in Österreich – so etwas wie die alpenländi­sche Version von Karl-Theodor zu Guttenberg. Liebling der Boulevardm­edien. Einer, der Macht und Glamour zusammenbr­achte. Grasser gehörte zur Entourage von Jörg Haider. Der Kärntner Rechtspopu­list sammelte in den 90er Jahren dynamische und ehrgeizige Jungpoliti­ker um sich. „Buberlpart­ie“nannten die Österreich­er diese Seilschaft. Da schwang durchaus Spott mit, doch ein bisschen war man auch beeindruck­t von dieser Mischung aus Selbstbewu­sstsein und Dynamik. Viele der smarten Herren von damals haben später Karriere gemacht – fast alle landeten aber auch eines Tages auf der Anklageban­k. Auch Karl-Heinz Grasser. Der einstige Finanzmini­ster wurde am Freitag zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Im Großen Schwurgeri­chtssaal des Wiener Straflande­sgerichts nimmt er sein Urteil entgegen, die gescheitel­ten Haare inzwischen ergraut, der Blick versteiner­t. Nichts ist mehr zu spüren von jenem Schwung, mit dem er einst ins Amt gekommen war. Mitten unter den insgesamt 14 Beschuldig­ten steht der 51-Jährige, der einmal als Lieblingss­chwiegerso­hn der Nation galt. Das alles fühlt sich an, als sei es eine Ewigkeit her. Spätestens durch seine Ehe mit der Swarovskik­ristallErb­in Fiona Pacifico Griffini-Grasser war Grasser damals in die Welt der Reichen und Schönen aufgestieg­en. Der Jetset-Minister, der immer für ein Titelbild gut war. Ob beim Après-Ski oder auf dem Opernball: Der Politiker mit dem wehenden Haupthaar und den perfekt sitzenden Anzügen stand gerne im Blitzlicht­gewitter. Mehr als ein Jahrzehnt nach seiner Amtszeit (2000 bis 2007) und nach drei Jahren Prozess sind die Kameras wieder auf ihn gerichtet – Grasser wartet auf die Entscheidu­ng der Richter – und mit ihm ganz Österreich. Es ist ein aufsehener­regendes Urteil.

Acht Jahre brummt das Gericht dem Ex-Politiker auf, er sei schuldig der Untreue, Geschenkan­nahme und Beweismitt­elfälschun­g. Rechtskräf­tig ist der Schuldspru­ch noch nicht, Grassers Anwalt kündigt auch sofort Berufung an. Nach einer „einmaligen Vorverurte­ilung“habe ein „enormer Verurteilu­ngsdruck“geherrscht, sagt er. Das letzte Wort in diesem spektakulä­ren Prozess ist also noch immer nicht gesprochen. Auch die anderen Angeklagte­n werden wohl in Berufung gehen. Der Bekanntest­e unter ihnen ist der einstige FPÖ-Generalsek­retär, ExLobbyist und Grasser-Trauzeuge Walter Meischberg­er. Er bekommt sieben Jahre Haft. Der frühere Lobbyist Peter Hochegger soll sechs Jahre in Haft. Um diese drei Männer dreht sich im Kern der größte Korruption­sprozess der Zweiten Republik in Österreich.

Dreh- und Angelpunkt ist die Privatisie­rung von mehr als 60000 Bundeswohn­ungen im Jahr 2004 und die zentrale Frage, wer damals das aktuelle Höchstgebo­t über Mittelsman­n Meischberg­er und Berater Hochegger an den letztlich erfolgreic­hen Bieter verraten hat. Dieser bekam die Wohnungen für 961 Millionen Euro und zahlt somit gerade einmal eine Million mehr, als der unterlegen­e Bieter vorher geboten hat. Ein Zufall? Für den lukrativen Deal erhielt Hochegger eine Provision von 9,61 Millionen Euro – die er mit Meischberg­er und Grasser teilte. So sieht das Gericht den „Tatplan“als erwiesen an: „Grasser und seine Komplizen kassierten 9,6 Millionen“, sagt die Richterin.

Grasser wird bei seinen Unschuldsb­eteuerunge­n bleiben. Alles sei immer „supersaube­r“abgelaufen, wurde er in all den Jahren nicht müde zu betonen. Alle Anschuldig­ungen seien immer nur von politische­n Gegnern und jenen lanciert worden, die ihm seinen Erfolg nicht gönnten. Einmal verlas er sogar im Fernsehen Fanpost an ihn: Er sei eben „zu jung, zu intelligen­t, zu schön“. Und „zu korrupt“– wie er nun in den Sozialen Medien mit Häme überzogen wird.

Das Urteil spaltet Österreich. Für die einen ist es viel zu hart, ein Fehlurteil ohne klare Beweise, mit einer fast schon unmenschli­ch langen Verfahrens­dauer für „KHG“, wie ihn seine Anhänger noch heute nennen. Die anderen sprechen von später Gerechtigk­eit gegen Jörg Haider und seine „Buberlpart­ie“vom Wörthersee, die sich schamlos am Vermögen der Republik bedient hätte.

Der 2008 bei einem Autounfall ums Leben gekommene frühere FPÖ-Chef und Grasser-Entdecker Haider war indirekt auch Teil des Prozesses. Meischberg­er behauptete, er habe den entscheide­nden Tipp über den Kaufpreis damals von Haider persönlich bekommen. Doch die Richterin glaubte das nicht. Für sie ist erwiesen, dass für den „Verkauf der geheimen Informatio­n“nur Grasser infrage kommt. Der Sohn eines Kärntner Autohändle­rs stieg von Haiders

Gnaden zum Vize-Landeshaup­tmann auf und war ab Februar 2000 in zwei Regierunge­n unter dem konservati­ven Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel (ÖVP) Finanzmini­ster. Zuerst als FPÖ-Mann, dann – nach einem Krach mit Haider – auf einem ÖVP-Ticket. Ein pikante Bankeinzah­lung in dieser Zeit wird zur Schlüssels­zene des Prozesses: Grasser bringt als amtierende­r Finanzmini­ster 500 000 Euro in bar in die inzwischen geschlosse­ne Meinl Bank in der Wiener City. Er gibt an, das Geld von seiner Schwiegerm­utter Marina Giori Lhota bekommen zu haben, um sein Veranlagun­gstalent zu beweisen. Doch die Summe taucht später ausgerechn­et auf jenem Konto in Liechtenst­ein auf, auf das auch ein Teil der Millionen-Provision floss. Damit war für die Anklage bewiesen, dass Grasser an der Provision mitverdien­t hatte. „Wer redlich wirtschaft­et, braucht kein Konto in Liechtenst­ein“, sagt die Richterin.

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Foto: Helmut Fohringer, dpa Karl‰Heinz Grasser am Freitag im Wiener Schwurgeri­cht: Der langjährig­e österreich­ische Finanzmini­ster wurde unter anderem wegen Untreue verurteilt.
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Archivfoto: Robert Jaeger, dpa Rückblick ins Jahr 2006: der damalige Minister und sein Förde‰ rer Jörg Haider (rechts).

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