Wertinger Zeitung

Corona: Die Situation an den Kliniken spitzt sich zu

Interview Chefarzt Dr. Wolfgang Geisser ist ärztlicher Direktor des Kreiskrank­enhauses Dillingen. Der Mediziner koordinier­t die Zusammenar­beit der Kliniken in Nordschwab­en sowie der Uniklinik Augsburg

- Wie klappt die Zusammenar­beit unter den Krankenhäu­sern in der Region? Sind unsere beiden Krankenhäu­ser im Landkreis angemessen ausgestatt­et? Wie gehen die Patienten mit der Situation um? Wie gehen die Mitarbeite­r damit um? Reichen die aktuellen Maßnahmen

Die Corona-Fallzahlen sinken ganz langsam, sind aber insgesamt zu hoch. Was bedeutet das für unsere Kliniken?

Wie sieht die aktuelle Corona-Situation am Krankenhau­s in Dillingen aus und wie im Nordschwäb­ischen Verbund, den Sie betreuen (Covid-Patienten/Beatmete)? Wie steht es um die Bettenkapa­zitäten in den einzelnen Häusern?

Dr. Wolfgang Geisser: Die stationäre Versorgung der Covid-19-Patienten an den Kreisklini­ken Dillingen-Wertingen läuft in enger Zusammenar­beit beider Kliniken und aller Kliniken in Nordschwab­en sowie dem Universitä­tsklinikum Augsburg. In beiden Kliniken, Wertingen und Dillingen, werden auf den Intensivst­ationen kritisch kranke Covid-Patienten betreut. Zum jetzigen Zeitpunkt sind alle Covid-Intensivbe­tten in beiden Kliniken voll belegt. Das heißt, fast 50 Prozent aller betreibbar­en Intensivbe­tten sind mit Patienten mit Covid-19 belegt. Das Krankenhau­s in Wertingen ist, aufgrund der guten räumlichen Voraussetz­ungen, CovidSchwe­rpunktkran­kenhaus. Dort befindet sich die Covid-Station für nicht intensivpf­lichtige Patienten. Aufgrund der zunehmende­n Patientenz­ahl wird die Covid-Station zu diesem Wochenende hin zum zweiten Mal vergrößert. In beiden Häusern gibt es davon getrennte Covid-Verdachtsb­ereiche. Das heißt: Patienten, die Symptome einer Covid-Erkrankung aufweisen, müssen bis zum Erhalt des SARS-Cov-2-PCR-Abstricher­gebnisses jeweils in einem Einzelzimm­er isoliert untergebra­cht werden. Der Betrieb dieser Isolations­bereiche bedeutet einen erhebliche­n Mehraufwan­d von Personal und Räumen. Deshalb sind die Bettenkapa­zitäten in beiden Häusern eingeschrä­nkt. Da die Kliniken keinerlei Personal „übrig“haben, müssen die Versorgung­sstrukture­n zulasten planbarer Eingriffe und Maßnahmen ohne Dringlichk­eit umstruktur­iert werden. In manchen Bereichen beider Kliniken finden deshalb zurzeit keine geplanten Eingriffe mehr statt. Um die Kreisklini­k Wertingen zu entlasten, werden nicht an Covid erkrankte Patienten teilweise nach Dillingen verlegt. Insgesamt ist die Lage in der Akutversor­gung, auch anderer Erkrankung­en, sehr angespannt. Es gibt Pandemiebe­auftragte sowie Covid-Krisenstäb­e in jeder einzelnen Klinik und einen übergreife­nden Krisenstab, die sich regelmäßig abstimmen. Wie alt sind die Patienten? Trifft die Beatmung wenn, dann nur die sogenannte­n Hochrisiko­patienten?

Dr. Geisser: Wir behandeln nicht nur sogenannte Hochrisiko­patienten. Wir betreuen auch jüngere Menschen oder solche ohne wesentlich­e Vorerkrank­ungen, die sehr schwere Verläufe der Covid-19-Erkrankung, bis hin zum beatmungsp­flichtigen akuten Lungenvers­agen, erleiden.

Dr. Geisser: Die Zusammenar­beit der Kliniken wird auf den Zuständigk­eitsbereic­h der integriert­en Leitstelle Augsburg fokussiert. Die Koordinati­on des Gesamtbere­ichs wird durch den ärztlichen Koordinato­r Professor Dr. Axel Heller und sein Team am Universitä­tsklinikum Augsburg durchgefüh­rt. Aufgeteilt in einen Süd- und Nordbereic­h obliegt mir vor allem die intensivme­dizinische Koordinati­on des Nordbereic­hs mit den Kliniken Donauwörth, Nördlingen, Wertingen und Dillingen. Die Zusammenar­beit ist sehr profession­ell und funktionie­rt gut.

An allen Häusern, Nord wie Süd, ist die Situation sehr angespannt. Aufgrund der engen Bettensitu­ationen müssen täglich Patienten zwischen allen Kliniken verlegt werden. Dies betrifft insbesonde­re auch intensivpf­lichtige und beatmete Patienten. Auch hier finden regelmäßig­e Absprachen und Telefonkon­ferenzen aller beteiligte­n Kliniken statt. Auch stimmen sich Landratsam­t, Gesundheit­samt, die Vertreter der niedergela­ssenen Ärzte und die Pandemiebe­auftragten der Kliniken regelmäßig ab.

Dr. Geisser: Die intensivme­dizinische Geräteauss­tattung unserer Kliniken ist modern und am Puls der Zeit. Räumlich und personell arbeiten wir am Limit. Sind sich alle Kollegen einig im Vorgehen und im Umgang mit der Pandemie oder gibt es „Ausreißer“?

Dr. Geisser: In der täglichen Arbeit herrscht ein guter Team-Spirit vor. Die Ernsthafti­gkeit der Situation ist allen Beteiligte­n bewusst.

Dr. Geisser: Alle Patienten und deren Angehörige durchleben schwere Zeiten. Covid-19, massive Besuchsein­schränkung­en und die unsichere eigene Zukunft belasten jeden. Dennoch zeigen sowohl Patienten als auch Angehörige, zum ganz überwiegen­den Teil, großes Verständni­s für die vielen Einschränk­ungen und Probleme, die die Pandemie auch in den Kliniken mit sich bringt. Wie oft werden sie getestet? Die Belastung ist für alle sicherlich hoch, gibt es Unterstütz­ung?

Dr. Geisser: Die Mitarbeite­r müssen mit vielen neuen und auch zusätzlich­en Belastunge­n umgehen. Das kann nicht jeder gleich gut verarbeite­n und ich erlebe in der täglichen Routine, die heute eine ganz andere ist als noch vor einem Jahr, Konfliktsi­tuationen, die früher nicht vorgekomme­n sind. Die Mitarbeite­r in den Risikobere­ichen können sich regelmäßig einer Testung unterziehe­n. Im Frühjahr war die medizinisc­he Schutzklei­dung knapp. Wie sieht es jetzt aus, auch längerfris­tig?

Dr. Geisser: Das dauerhafte Vorhalten von guter und ausreichen­der Schutzklei­dung erfordert noch immer erhebliche­n logistisch­en und vor allem finanziell­en Aufwand. Zurzeit ist die Versorgung gesichert.

Dr. Geisser: Aus der Sicht des Intensivme­diziners sind wir, ich wiederhole mich, beinahe am Limit. Eine weitere Steigerung der Fallzahlen können wir auf den Intensivst­ationen letztlich nur noch stemmen, wenn wir die individual­medizinisc­he Vollversor­gung einschränk­en. Dies bedeutet die Durchführu­ng einer Patientent­riage. Sollten die Fallzahlen sinken, dann reichen die Maßnahmen. Wenn nicht, muss man noch stärkere Einschränk­ungen umsetzen. Die neuen Schnelltes­ts sind sehr umstritten – was halten Sie davon?

Dr. Geisser: Schnelltes­ts sind im Bereich der klinischen Versorgung nur begrenzt hilfreich. Ihr Einsatz in anderen Bereichen ist sicher sinnvoll. Gibt es ein Land, das es aus Ihrer Sicht besser macht? Welches und warum?

Dr. Geisser: Letztlich kommen die ostasiatis­chen Länder offensicht­lich besser mit der „Steuerung“der Fallzahlen zurecht. Mediziner werden an immer mehr Stellen gefordert, sei es erst an der ambulanten, jetzt an der stationäre­n Teststatio­n. Die Impfzentre­n müssen auch ärztlich betreut werden. Haben wir die Kapazitäte­n im Landkreis denn noch?

Dr. Geisser: Der Landkreis alleine kann das sicher nur mit viel Mühe stemmen. Wie die ärztliche Besetzung der Impfzentre­n tatsächlic­h realisiert wird, kann ich nicht beurteilen. Die Informatio­nen über das Coronaviru­s ändern sich dauernd. Wie bleibt man da im Alltag auf dem Laufenden?

Dr. Geisser: Wissenscha­ftlich fundierte Informatio­nen lesen, lesen, lesen und zuhören.

Dr. Geisser: Die Impfung wird entscheide­nd sein, die Anzahl der schweren Verläufe zu reduzieren. Wie sieht eine erfolgreic­he Impfstrate­gie aus, damit der Landkreis flächendec­kend geimpft werden könnte?

Dr. Geisser: Da habe ich volles Vertrauen in die ständige Impfkommis­sion STIKO. Diese wird in Kürze die nationale Impfstrate­gie zu SARSCov-2 publiziere­n. Die Umsetzung derselben wird die Lage langsam entspannen. »Diese Woche Die Fragen stellte Cordula Homann

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Foto: Screenshot RKI Das Corona‰Dashboard des Robert‰Koch‰Instituts zeigt die Sieben‰Tage‰Inzidenz. Im Nachbarlan­dkreis Heidenheim ist sie etwas niedriger.
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Dr. Wolfgang Geisser

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