Wertinger Zeitung

CDU in der Krise

Interview Saarlands Ministerpr­äsident Tobias Hans erwartet nach der Entscheidu­ng über den neuen Parteichef vor allem eines: Geschlosse­nheit. Was ihn mit seinem bayerische­n Amtskolleg­en Markus Söder verbindet und warum er sich auf Weihnachte­n besonders fre

- Interview: Bernhard Junginger

In Sachsen-Anhalt hat Ministerpr­äsident Reiner Haseloff am Freitag seinen Innenminis­ter Holger Stahlknech­t (beide CDU) entlassen. Dieser kündigte daraufhin seinen Rücktritt als Landesvors­itzender der Partei an.

Herr Ministerpr­äsident, der Countdown zur Bundestags­wahl läuft, doch die CDU hat noch keinen neuen Vorsitzend­en und damit auch keinen Kanzlerkan­didaten. Rennt Ihrer Partei die Zeit davon?

Tobias Hans: Es stimmt, die Personalfr­age lässt sich nun nicht mehr länger aufschiebe­n. Ich war immer dafür, lieber im Dezember zum regulären Zeitpunkt auf coronakonf­orme Weise zu entscheide­n als später. Jetzt ist der Parteitag auf Mitte Januar verschoben, damit kann man leben. Aber eine weitere Verschiebu­ng darf es nicht geben. Wir müssen einen neuen Vorsitzend­en wählen, der dann natürlich auch die Aufgabe hat, die Kanzlerkan­didatur zu klären.

Keiner der drei Bewerber kommt im Moment an die Beliebthei­t von Angela Merkel heran, ein Favorit zeichnet sich nicht wirklich ab. Wen halten Sie für die richtige Spitze?

Hans: Der künftige Parteichef muss jedenfalls die Fähigkeit besitzen, die verschiede­nen Strömungen der Partei zu einen. Ich bin optimistis­ch, dass nach dem Bundespart­eitag der neue Vorsitzend­e in den Meinungsum­fragen schnell nach vorne kommen wird, weil sich die Sympathien nicht mehr auf drei Bewerber verteilen. Das wird uns Zuversicht geben für eine erfolgreic­he Bundestags­wahl. Die CDU wird geschlosse­n hinter ihrem Vorsitzend­en stehen. Meine Bitte an die beiden unterlegen­en Bewerber ist, sich dann schnell in das Team des Siegers einzureihe­n. Anschließe­nd muss dann sehr schnell ein Gespräch mit der Schwesterp­artei CSU und ihrem Chef Markus Söder über die Frage der gemeinsame­n Kanzlerkan­didatur geführt werden.

Das heißt also, für Sie steht nicht fest, dass der neue CDU-Chef auch automatisc­h Kanzlerkan­didat wird ... Hans: Es ist eine Binsenweis­heit, dass der Parteivors­itzende nicht zwingend Kanzlerkan­didat wird. Das war ja auch früher schon der Fall. Aber er hat natürlich den ersten Zugriff. Deswegen gehört die Eignung zum Kanzlerkan­didaten zur Stellenbes­chreibung des Parteichef­s. Das traue ich allen Bewerbern zu. Aber es kann eben immer auch der Vorsitzend­e der Schwesterp­artei sein, es kann aber auch ein anderer aus der CDU sein. Das ist nicht ausgeschlo­ssen.

Sollte der neue CDU-Chef nach einem möglichen schlechten Wahlergebn­is nicht auf den vollen Rückhalt der Partei zählen können – wäre es für die Union nicht sogar erfolgvers­prechender, dass Markus Söder als Kanzlerkan­didat antritt?

Hans: Diesen Rückschlus­s würde ich nun nicht ziehen, Mehrheitse­ntscheidun­gen sind in einer Demokratie doch normal. Sollte der neue Parteichef vielleicht nur mit 55 Prozent gewählt werden, heißt das nicht, dass er nicht Kanzlerkan­didat sein kann. Wichtig ist, dass die Partei nach der Wahl geschlosse­n hinter dem neuen Vorsitzend­en steht.

Verteidigu­ngsministe­rin KrampKarre­nbauer, die sich von der CDUSpitze verabschie­det, kommt aus dem Saarland, ebenso Außenminis­ter Maas (SPD) und Wirtschaft­sminister Altmaier (CDU). Wie erklären Sie den Umstand, dass so viele Politiker aus dem kleinen Saarland es in die erste Reihe schaffen?

Hans: Das Saarland ist ein Land, das über Generation­en hinweg Spielball von Politik war, mal französisc­h, mal deutsch, mal eigenständ­ig. Die Saarländer haben dabei gelernt, dass man sich in die eigenen Angelegenh­eiten einmischen muss, um am Ende eine lebenswert­e Heimat zu haben. Diese Heimat ist für uns neben dem Saarland auch Europa. Wir sind Kinder der europäisch­en Aussöhnung, aber auch gebrannte Kinder der jahrhunder­telangen deutsch-französisc­hen Auseinande­rsetzung. Wir wollen deshalb auch im Bund unsere Stimme erheben.

Wie stark zieht es Sie selbst in die Bundespoli­tik? Könnte am Ende an der CDU-Spitze sogar ein Saarländer auf eine Saarländer­in folgen? Hans: Nein, das ist eine völlig abwegige Spekulatio­n. Ich bin sehr zufrieden damit, dass ich mich als saarländis­cher Ministerpr­äsident in der CDU einbringen kann und natürlich auch im Rahmen der Mitwirkung der Länder im Bund. Jetzt, in der Corona-Pandemie, haben die Länder einen so hohen Stellenwer­t wie nie zuvor. Diese Arbeit füllt mich sehr aus.

Sie sehen also Ihren Platz in der Heimat – das klingt jetzt wirklich sehr nach Markus Söder ...

Hans: ... auch ein engagierte­r Ministerpr­äsident. Markus Söder und ich sind gut abgestimmt und ich schätze sein besonnenes Vorgehen in der Pandemie, von der Bayern und das Saarland durch ihre Grenzlage besonders hart betroffen waren. Wir haben beide im Frühjahr schnell die Schulen geschlosse­n und Kontaktbes­chränkunge­n verhängt, sodass in der ersten Phase die Zahlen schnell nach unten gingen. Auch heute zählt das Saarland zu den besonnenen Bundesländ­ern.

Zwischen Bund, Ländern und Bundestag wird der Zwist über die richtigen Maßnahmen gegen Corona und ihre Finanzieru­ng immer größer. Sollten die Länder mehr Freiheiten bekommen, die Krise je nach ihrer speziellen Ausgangsla­ge zu bekämpfen?

Hans: Die Länder haben ja die Freiheit, jederzeit zu tun, was sie für richtig halten. Das war ja auch zu Beginn der Pandemie das Erfolgsrez­ept. Der Akzeptanz der Maßnahmen hat das sehr gutgetan. Im zentral regierten Frankreich war das nicht überall der Fall. Jetzt in dieser zweiten, starken Welle der Pandemie haben die Bundesländ­er ganz bewusst gesagt, wir wollen im Gleichschr­itt vorgehen. Diese weitestgeh­end einheitlic­hen Maßnahmen haben die Länder ja aus freien Stücken ergriffen.

Ihre Amtskolleg­in Manuela Schwesig (SPD) aus Mecklenbur­g-Vorpommern schert aus diesem Gleichschr­itt aus und lässt offen, ob sie den TeilLockdo­wn bis 10. Januar verlängert. Wie sehr ärgert Sie das?

Hans: Wenn es Landkreise mit wenig Corona-Fällen gibt, muss man schon Verständni­s haben, dass viele Maßnahmen dort an die Grenzen des Zumutbaren gehen. Wir sind uns unter den Ministerpr­äsidenten im Grundsatz einig, dass weder in Mecklenbur­g-Vorpommern noch in Schleswig-Holstein völlig andere Maßnahmen gelten. Die Unterschie­de bewegen sich im Bereich von kleineren Anpassunge­n, die dem Infektions­geschehen folgen.

Wenn die Infektions­zahlen natürlich durch die Decke gehen, wie mancherort­s in vielen Hotspots, dann werden wir auch über noch härtere Maßnahmen sprechen müssen. Eines ist doch klar: Wir dürfen kein Risiko eingehen, auch nicht an Silvester. Deshalb sollten wir – wenn sich die Zahlen weiter auf so hohem

Niveau befinden – auf Nummer sicher gehen und vor Silvester wieder zu den jetzigen strengen CoronaRege­lungen zurückkehr­en.

Sind die Runden zwischen Kanzlerin oder Ministerpr­äsidenten überhaupt noch das richtige Forum? Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus hat das stark bezweifelt. Müsste nicht der Bundestag stärker mitbestimm­en? Hans: Ich kann diese Kritik überhaupt nicht nachvollzi­ehen. Es gibt eine regelmäßig­e Abstimmung zwischen den Ministerpr­äsidenten und ihren jeweiligen Landesparl­amenten ebenso wie zwischen der Bundesregi­erung und den sie tragenden Fraktionen und Fraktionsc­hefs im Bundestag. Die Ministerpr­äsidenten stimmen sich auch sehr stark untereinan­der ab und haben dadurch den größeren Kontext im Blick, das hilft uns in dieser Phase der Pandemie sehr. Das sollte man nicht aufs Spiel setzen.

Brinkhaus kritisiert auch, dass sich die Länder bei der Finanzieru­ng zu sehr zurückhalt­en ...

Hans: Auch was die finanziell­e Lastenvert­eilung betrifft, irrt Brinkhaus. Alle Länder haben erheblich die Schatulle aufgemacht und sich neu verschulde­t. Das haben wir Ralph Brinkhaus deutlich gesagt.

Das Saarland ist direkter Nachbar Frankreich­s – hat die Pandemie die deutsch-französisc­he Freundscha­ft eher gestärkt oder geschwächt?

Hans: Als überzeugte­r Europäer glaube ich fest daran, dass uns die Krise weiter zusammenge­schweißt hat. Nicht nur, weil wir selbstvers­tändlich und wie andere Bundesländ­er auch, Covid-Patienten aus dem Nachbarlan­d aufgenomme­n haben. Es ist auch noch einmal deutlich geworden, wie wichtig es ist, sich wirtschaft­lich unter die Arme zu greifen. Unseren Mittelstän­dlern

im Saarland ist das Frankreich-Geschäft fast komplett weggebroch­en. Schon um unsere eigene Wirtschaft zu retten, wird es mehr an Unterstütz­ung für die europäisch­en Partner brauchen.

Welche Lehren ziehen Sie aus der Pandemie für Europa?

Hans: Unsere zentrale Erkenntnis lautet: Grenzschli­eßungen sind keine gute Lösung, das Virus macht vor Schlagbäum­en nicht halt. Gemeinsame­s Vorgehen mit abgestimmt­en Maßnahmen ist viel erfolgreic­her. Das gilt im Übrigen auch für das Thema Skifahren. Wir sollten in diesem Winter in ganz Europa auf dieses Vergnügen verzichten. Es ist nicht die Zeit für Winterspor­turlaub, so schwer das für alle Skibegeist­erten ist.

Wie werden Sie selbst Weihnachte­n verbringen?

Hans: Im sehr engen Familienkr­eis und mit stark reduzierte­n Kontakten. Wir müssen ein Ansteckung­srisiko so gut es geht ausschließ­en, denn meine Frau erwartet um den Jahreswech­sel unser drittes Kind.

Tobias Hans, 42, war ab 2015 CDU‰Fraktionsc­hef im Saar‰Land‰ tag, ein Amt, das einst auch sein Va‰ ter Peter innehatte. Ein Informa‰ tikstudium hatte Hans abgebroche­n. 2018 wurde er als Nachfolger von Annegret Kramp‰Karrenbaue­r, die in die Bundespoli­tik wechselte, saar‰ ländischer Ministerpr­äsident. (bju)

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Foto: dpa Sieht seinen Platz im Saarland und das Zusammensp­iel der Ministerpr­äsidenten als einen der Erfolgsfak­toren im Kampf gegen die Corona‰Pandemie: Tobias Hans.

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