Wertinger Zeitung

CDU in schweren Turbulenze­n

Sachsen‰Anhalt Erst wirft der Ministerpr­äsident den Innenminis­ter raus, dann kündigt der seinen Rücktritt als Landeschef an

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Magdeburg Der Koalitions­streit in Sachsen-Anhalt um den Umgang mit der AfD hat die Lage in der CDU eskalieren lassen und die politische Karriere von Innenminis­ter Holger Stahlknech­t vorerst beendet. Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU) entließ ihn am Freitag nach einem umstritten­en Interview, am Abend kündigte der 56-Jährige dann seinen Rücktritt als CDULandesc­hef für kommenden Dienstag an. Er wolle damit weiteren Schaden von seiner Partei, seiner Funktion, seiner Familie und sich selbst abwenden, teilte Stahlknech­t mit.

Nach der Entlassung des Ministers hatte am Freitagabe­nd zunächst der CDU-Landesvors­tand beraten – und die Personalie eigentlich vertagt. Nur fünf Minuten nach einer entspreche­nden Mitteilung des Landesverb­andes wandte sich Stahlknech­t dann aber selbst mit einer

Erklärung an die Öffentlich­keit und kündigte seinen Rückzug an.

Hintergrun­d des Streits in der Koalition aus CDU, SPD und Grünen ist die anstehende Entscheidu­ng über einen höheren Rundfunkbe­itrag. Im Koalitions­vertrag ist dazu Beitragsst­abilität vereinbart. SPD und Grüne wollen die Erhöhung aber mittragen, die CDU-Fraktion will sie verhindern. Die AfD ist ebenfalls gegen die Erhöhung. Sollte die CDU ihre Position mithilfe der AfD durchsetze­n, wollen SPD und Grüne die Koalition verlassen.

Die CDU erklärte am Freitag, dass sie unerbittli­ch bleibe. „Es wird keine Erhöhung mit der CDU geben!“, hieß es in der Mitteilung. Gleichzeit­ig stärkte der Landesvors­tand dem Regierungs­chef den Rücken: „Wir haben eine stabile und handlungsf­ähige Landesregi­erung, die, dank unseres Ministerpr­äsidenten Dr. Reiner Haseloff, in dieser schwierige­n Zeit eine verlässlic­he und erfolgreic­he Arbeit für unser Bundesland leistet.“

Anlass für den Rauswurf des Ministers war ein Interview Stahlknech­ts mit der Magdeburge­r Volksstimm­e gewesen. Der CDU-Landeschef hatte darin nicht nur ausgeschlo­ssen, dass seine Partei von ihrem Nein zu einem höheren Rundfunkbe­itrag abrückt, sondern die Kritik auch mit dem Bild Ostdeutsch­lands

in den öffentlich­rechtliche­n Sendern und einer Berichters­tattung mit dem „erhobenen Zeigefinge­r der Moralisier­ung“gerechtfer­tigt. Gleichzeit­ig hatte Stahlknech­t verkündet, im Falle eines Auseinande­rbrechens der Magdeburge­r Koalition mit einer CDUMinderh­eitsregier­ung bis zur regulären Landtagswa­hl im Juni 2021 weitermach­en zu wollen.

Das bewog schließlic­h den Ministerpr­äsidenten dazu, seinen Landesvors­itzenden aus dem Kabinett zu werfen. Haseloff hatte eine Minderheit­sregierung stets abgelehnt und angekündig­t, die sogenannte KeniaKoali­tion bis ans Ende der Legislatur­periode anführen zu wollen. Dass Stahlknech­t die Option trotzdem nannte, erschütter­te das Vertrauens­verhältnis nach Angaben der Staatskanz­lei so schwer, dass eine Zusammenar­beit nicht mehr möglich war.

In seiner Erklärung vom Freitagabe­nd rechtferti­gte Stahlknech­t die Aussagen aus dem Gespräch: „Dieses Interview war in Inhalt und Form für meine Partei und mich selber richtig.“. Es sei „notwendig geworden, um meine Partei gegen die Anwürfe des politische­n Gegners zu verteidige­n, die Partei suche eine Annäherung an die AfD“, so Stahlknech­t. Das sei eine haltlose Behauptung, die er nicht unwiderspr­ochen im Raum habe stehen lassen können. Sein Appell habe sich auch an die Koalitions­partner gerichtet.

Der 56-Jährige war seit 2011 Innenminis­ter, ist seit 2018 CDULandesc­hef und galt jahrelang als gesetzt für die Nachfolge von Ministerpr­äsident Haseloff. Dieser Ambition machte der Amtsinhabe­r erst vor wenigen Wochen einen Strich durch die Rechnung und verkündete, für eine dritte Amtszeit als CDUSpitzen­kandidat anzutreten.

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Foto: Hendrik Schmidt, dpa Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (links) und der entlassene Innenminis­ter Holger Stahlknech­t.

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