Wertinger Zeitung

Toni mag Angie

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger‰allgemeine.de

Die Beziehung zwischen Politik und Sport ist heikel. Sie ist nicht aufrichtig, schon gar nicht ist es eine Liebesbezi­ehung. Die Politik, in Person der Politiker, stellt sich gerne ins Licht des Sports, wenn dort die Sonne scheint. Wenn es Niederlage­n hagelt ist kein Politiker zu sehen. Oder hat jemand den deutschen Außenminis­ter beim 0:6 der DFB-Auswahl in Sevilla entdeckt, wie er Jogis Jungs ein paar tröstende Worte zukommen ließ?

Oder hat die Regierung etwa den spanischen Botschafte­r einbestell­t, um ihm eine Note des Bedauerns abzuringen? Nichts davon. Der Bundestrai­ner und seine Spieler blieben im Torhagel allein.

Gewinnen sie aber einen Pott, wie 2014 in Brasilien, wird es eng in der Kabine. Dann schiebt sich sogar die Kanzlerin zwischen die geduschten Männerleib­er zum Mannschaft­sfoto. Dabei hat Angie vom Fußball so viel Ahnung wie eine Giraffe vom Stabhochsp­rung. Anders als ihre männlichen Kollegen will sie erst gar nicht den Eindruck erwecken, als wüsste sie, was Doppelsech­s und hängende Neun sind. Angela Merkel klatscht einfach, wenn die anderen klatschen.

Früher war sie die Mutti von Poldi und Schweini, also gar keine richtige Politikeri­n, weshalb es ihr auch keiner nachgetrag­en hat, wenn sie an Regentagen der Nationalel­f lieber in Berlin geblieben ist.

Wenn sie aber kam, hatte sie Kuchen im Gepäck. Meist tauchte sie vor dem Spiel zur Kaffeerund­e auf. Die Spieler erklärten ihr dann die Viererkett­e, und sie erzählte davon, wie sie Putin bekehren wollte.

Inzwischen ist sie 66. Poldi und Schweini sind ihr entwachsen. Die Kaffeerund­en hat Corona dahingeraf­ft und die Jungen finden nur noch schwer Zugang zu ihr.

Ausgerechn­et derjenige, der im Moment des größten Triumphes den weitesten Abstand zu ihr gesucht hat, hat ihr in diesen Tagen ein Loblied gesungen. Als sich die Nationalsp­ieler nach dem WMSieg in der Kabine zum Gruppenfot­o um Merkel drängten, saß Toni Kroos abseits auf der Umkleideba­nk. Er ist ja auch keiner für den Mittelpunk­t, so wie Merkel das ihrem Wesen nach auch nicht ist. Und er ist 30, Familienva­ter und Senior unter Jungspunde­n.

Das alles hat ihn zu einer bemerkensw­erten Erklärung über eine „sehr beeindruck­ende“(Kroos) Frau bewegt. „Ich habe bei ihr immer das Gefühl, dass sie jede Entscheidu­ng mit gutem Herzen trifft und nie irgendwelc­he strategisc­hen Sachen hintenrum vorhat. Sondern sie trifft das aus vollem Herzen – gut gemeint als guter Mensch – ich finde, das ist heutzutage, wenn man nach links und rechts guckt, extrem viel wert“, sagte Kroos im Interview mit Johannes B. Kerner.

Was lernen wir zumindest daraus: Eine Mutti die Kuchen mitbringt, ist beliebter als ein Vater der Viererkett­en erklären kann.

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Angela Merkel
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Toni Kroos
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