Toni mag Angie
Die Beziehung zwischen Politik und Sport ist heikel. Sie ist nicht aufrichtig, schon gar nicht ist es eine Liebesbeziehung. Die Politik, in Person der Politiker, stellt sich gerne ins Licht des Sports, wenn dort die Sonne scheint. Wenn es Niederlagen hagelt ist kein Politiker zu sehen. Oder hat jemand den deutschen Außenminister beim 0:6 der DFB-Auswahl in Sevilla entdeckt, wie er Jogis Jungs ein paar tröstende Worte zukommen ließ?
Oder hat die Regierung etwa den spanischen Botschafter einbestellt, um ihm eine Note des Bedauerns abzuringen? Nichts davon. Der Bundestrainer und seine Spieler blieben im Torhagel allein.
Gewinnen sie aber einen Pott, wie 2014 in Brasilien, wird es eng in der Kabine. Dann schiebt sich sogar die Kanzlerin zwischen die geduschten Männerleiber zum Mannschaftsfoto. Dabei hat Angie vom Fußball so viel Ahnung wie eine Giraffe vom Stabhochsprung. Anders als ihre männlichen Kollegen will sie erst gar nicht den Eindruck erwecken, als wüsste sie, was Doppelsechs und hängende Neun sind. Angela Merkel klatscht einfach, wenn die anderen klatschen.
Früher war sie die Mutti von Poldi und Schweini, also gar keine richtige Politikerin, weshalb es ihr auch keiner nachgetragen hat, wenn sie an Regentagen der Nationalelf lieber in Berlin geblieben ist.
Wenn sie aber kam, hatte sie Kuchen im Gepäck. Meist tauchte sie vor dem Spiel zur Kaffeerunde auf. Die Spieler erklärten ihr dann die Viererkette, und sie erzählte davon, wie sie Putin bekehren wollte.
Inzwischen ist sie 66. Poldi und Schweini sind ihr entwachsen. Die Kaffeerunden hat Corona dahingerafft und die Jungen finden nur noch schwer Zugang zu ihr.
Ausgerechnet derjenige, der im Moment des größten Triumphes den weitesten Abstand zu ihr gesucht hat, hat ihr in diesen Tagen ein Loblied gesungen. Als sich die Nationalspieler nach dem WMSieg in der Kabine zum Gruppenfoto um Merkel drängten, saß Toni Kroos abseits auf der Umkleidebank. Er ist ja auch keiner für den Mittelpunkt, so wie Merkel das ihrem Wesen nach auch nicht ist. Und er ist 30, Familienvater und Senior unter Jungspunden.
Das alles hat ihn zu einer bemerkenswerten Erklärung über eine „sehr beeindruckende“(Kroos) Frau bewegt. „Ich habe bei ihr immer das Gefühl, dass sie jede Entscheidung mit gutem Herzen trifft und nie irgendwelche strategischen Sachen hintenrum vorhat. Sondern sie trifft das aus vollem Herzen – gut gemeint als guter Mensch – ich finde, das ist heutzutage, wenn man nach links und rechts guckt, extrem viel wert“, sagte Kroos im Interview mit Johannes B. Kerner.
Was lernen wir zumindest daraus: Eine Mutti die Kuchen mitbringt, ist beliebter als ein Vater der Viererketten erklären kann.