Wertinger Zeitung

Der Nikolaus kommt trotz Corona

Mein Engel Mit Zottelbart, rotem Umhang und der Mitra auf dem Kopf gibt Stefan Friedrich aus Lauingen jedes Jahr den Nikolaus. Und das seit 20 Jahren, immer für den guten Zweck. Die Pandemie hält ihn davon nicht ab

- VON JONATHAN MAYER

Der Advent ist für viele Menschen die schönste Zeit des Jahres. Sich mit Freunden auf eine Tasse Punsch auf einem Weihnachts­markt treffen, mit der Omi gemeinsam leckere Plätzchen backen oder mit dem Partner Geschenke shoppen. 2020 ist aber alles anders. Aufgrund der Corona-Pandemie und des aktuellen Lockdowns können beliebte Traditione­n und wichtige Feste so nicht stattfinde­n. Wir wollen mit unserer Serie „Mein Engel“dennoch ein wenig Licht in diese triste und etwas andere Adventszei­t bringen. Deshalb stellen wir jede Woche Menschen vor, die für andere Menschen Engel sind. Pünktlich zum Nikolausta­g: Stefan Friedrich aus Lauingen.

Lauingen Der heilige Nikolaus lässt es heuer etwas ruhiger angehen. Auf seinem Zettel stehen im Jahr der Pandemie deutlich weniger Haushalte als in den vergangene­n Jahren. Eingepackt in seinen roten Umhang mit der goldenen Kordel, seinen weißen Untermante­l, den Stab fest in der Hand und die Mitra auf dem Kopf macht er sich trotz der Widrigkeit­en auf den Weg, um den Kleinen eine Freude zu bereiten.

Kinder unter sieben Jahren sollten an dieser Stelle vielleicht aufhören zu lesen. Denn es lässt sich nicht verhindern, zu verraten, wer sich unter dem Rauschebar­t wirklich versteckt: Schon seit 20 Jahren spielt der Lauinger Stefan Friedrich den Nikolaus. Jahr um Jahr beschenkt er die Kinder im Landkreis Dillingen und erfreut sie mit seiner bloßen Präsenz. Schon über 100 Mal, schätzt er, hat er sich in das Kostüm geworfen. Aus all der Erfahrung heraus weiß Friedrich genau: „Wenn die Kinder sechs oder sieben sind, merken sie, dass das nur ein Kostüm ist.“Abhalten kann ihn das aber nicht von seiner ganz persönlich­en alljährlic­hen Tradition: „Es ist einfach jedes Mal wieder schön, zu sehen, wie sich die Kinder freuen. Das macht mir dann richtig Spaß“, erzählt er.

Wie so viele der ganz Großen hat auch Friedrich klein angefangen: Als er vor 20 Jahren erstmals den Nikolaus gab, war alles noch etwas rudimentär. Für die Kinder einer Freundin spielte er seine Rolle zum ersten Mal, damals noch mit einem recht billigen Kostüm aus Vlies. Ein Jahr später beschloss er, das Ganze etwas profession­eller anzugehen, und kaufte sich ein richtiges Kostüm, das ihn seitdem jedes Jahr in den Nikolaus verwandelt.

Sechs bis sieben Haushalte besucht Friedrich in normalen Zeiten jedes Jahr. Dazu kommen in der Regel vier Weihnachts­märkte. In Wittisling­en fährt er dann sogar in einer Kutsche durch den Ort. Und auch auf dem Nürnberger Weihnachts­markt war er schon. „Auf den Weihnachts­märkten ist man als Nikolaus ein richtiger Star“, schwärmt er. Da merke er dann immer, wie anstrengen­d das Leben eines echten Promis sein muss, wenn einen jeder erkennt. In den vergangene­n beiden Jahren hat Friedrich im Wittisling­er Kindergart­en sogar eines Morgens jedes Kind persönlich begrüßt. „Da strahlten sie richtig. Das ist für die meisten wirklich was Besonderes.“Genau das sei es, was ihn jedes Mal aufs Neue antreibt. „Wenn die Kinder Freude daran haben, dann habe ich sie auch.“Zugleich wolle er damit aber auch die Tradition weitertrag­en – und zeigen, dass es mehr gibt als Weihnachts­mann und Santa Claus.

Im Corona-Jahr 2020 ist aber auch für den Nikolaus vieles anders. Nicht nur, dass heuer weniger Besuche anstehen und die Märkte ausfallen, auch die Nähe zu den Kindern ist wegen der Pandemie zu gefährlich. Friedrich hat sich aber etwas einfallen lassen, um die Tradition trotz allem weiterzutr­agen: Statt in die Häuser stapft der Nikolaus heuer durch die Gärten. Die Kinder gehen irgendwann ans Fenster. Wenn sie den Mann mit Stab und Mitra sehen, machen sie es auf, und Friedrich spricht – natürlich mit verstellte­r Stimme – mit ihnen. Dann erklärt er, warum der Nikolaus heuer nicht so nah bei ihnen sein kann wie sonst. „Und natürlich, dass er sich schon aufs nächste Jahr freut, wenn das dann hoffentlic­h wieder geht“, erzählt Friedrich. Dabei halte er immer den Sicherheit­sabstand ein, seine MundNasen-Maske versteckt er unter dem Bart. Auf die traditione­llen Äpfel und Nüsse müssen die Kleinen heuer trotzdem verzichten.

Für Friedrich stand immer fest, dass er auch 2020 den Nikolaus spielen wird. Im Internet hat er recherchie­rt, wie er das trotz Corona am besten umsetzen kann. „Zwischen mir und den Kindern sind fünf bis sechs Meter Abstand. Da sollte also nichts passieren“, sagt er.

In all den Jahren habe er viele unterschie­dliche Kinder kennengele­rnt: Da gibt es die, die gleich auf ihn zustürmen und ihn umarmen. Aber auch die schüchtern­en, die sich hinter ihren Eltern verstecken. Und dann sind da welche, die Blödsinn machen. Aber: „Wenn einer meint, er kann den Nikolaus ärgern, dann brummt er auch schon mal ordentlich“, witzelt Friedrich. Meist reiche das dann aus, damit sich wieder alle ordentlich benehmen.

Generell will er den Kindern aber natürlich die positive Seite des Nikolaus zeigen. Auch deshalb ist er allein unterwegs, ohne einen Knecht Ruprecht. „Der Nikolaus ist ein guter Mann, Knecht Ruprecht erschreckt die Kinder“, erklärt der Lauinger. Der Besuch des Nikolaus aber solle ja allen Spaß machen.

Der Einsatz als Nikolaus ist aber nicht Friedrichs einzige gute Tat: Bei seinen Besuchen als Nikolaus daheim und auf den Weihnachts­märkten sammelt er auch Spenden, die er dann an die Kartei der Not, das Leserhilfs­werk unserer Zeitung, übergibt. Anfangs sind dabei einige Dutzend Mark zusammenge­kommen. Doch in den vergangene­n Jahren waren es jedes Mal gleich ein paar Hundert Euro, die am Ende unverschul­det in Not geratenen Menschen zugutekomm­en.

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Fotos: Karl Aumiller Vom recht billigen Gewand aus Vlies ist heute nicht mehr viel zu sehen: Schon vor vielen Jahren hat Stefan Friedrich beschlosse­n, seine Rolle als Nikolaus etwas profession­eller anzugehen, und kaufte sich dieses Kostüm. Damit bereitet er jedes Jahr aufs Neue den Kindern eine Freude – und Menschen in Not.
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Stefan Friedrich

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