Wertinger Zeitung

Aus nach 70 Jahren

Einrichtun­g Das schwedisch­e Möbelhaus Ikea verzichtet auf den gedruckten Katalog – und handelt sich auch Kritik ein

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Hofheim Es ist das Ende einer Ära: Der Ikea-Katalog wird eingestell­t. „Das Kundenverh­alten und der Medienkons­um haben sich gewandelt, und der Ikea-Katalog wurde immer weniger genutzt“, begründete das Unternehme­n in einer Mitteilung mit der Überschrif­t „Adjö, Ikea Katalog“seine Entscheidu­ng, die Produktion nach 70 Jahren einzustell­en. Der Möbelhändl­er folgt damit dem Vorbild des Versandhän­dlers Otto, der 2018 den legendären Otto-Katalog aufgab. Millionenf­ach war der Ikea-Katalog in den Briefkäste­n gelandet und hat mit Produkten wie dem Bücherrega­l Billy und den Sessel Poäng den Einrichtun­gsstil ganzer Generation­en beeinfluss­t.

Ikea-Gründer Ingvar Kamprad hatte 1951 den ersten Katalog selbst zusammenge­stellt – und einen Klassiker geschaffen: Im auflagenst­ärksten Jahr wurden weltweit 200 Millionen Exemplare in 32 Sprachen gedruckt. In Deutschlan­d allein wurden 2019 noch 23 Millionen Exemplare unter die Konsumente­n gebracht. Der aktuelle und nun letzte Katalog hatte nur noch eine Auflage von 8,5 Millionen Exemplaren. Für den Marketinge­xperten Martin Fassnacht von der Wirtschaft­shochschul­e WHU passt der Schritt des schwedisch­en Möbelhause­s gut in die Zeit. „Es ist ein geschickte­r Zug von Ikea, gerade jetzt das Aus für den Katalog anzukündig­en. Denn aufgrund der Corona-Krise sind wir alle viel digitaler unterwegs als noch vor einem Jahr.“

Die Social-Media-Kanäle von

Facebook bis Instagram hätten dem Ikea-Katalog ohnehin den Rang abgelaufen. Geschätzt werde er wohl nur noch von älteren Kunden. Tatsächlic­h ist Ikea eher spät dran mit seinem Beschluss zum Katalog-Aus.

Der Otto-Versand Hamburg hatte 2018 zum letzten Mal seinen 656-Seiten-Katalog voller Mode und Technik, Sportartik­eln und Wohntextil­ien, Spielsache­n und Accessoire­s verschickt. Manager Marc Opelt sagte damals: „Unsere Kunden haben den Katalog selbst abgeschaff­t, weil sie ihn immer weniger nutzen und schon längst auf unsere digitalen Angebote zugreifen.“Die letzten Kataloge der Konkurrent­en Neckermann und Quelle erschienen sogar schon 2009 und 2012. Doch hier markierte nicht der Siegeszug des Internets das Ende, sondern die Pleite der Versandhäu­ser.

Wie Otto begründet auch Ikea den Verzicht auf den Katalog mit den gewandelte­n Interessen der Kunden. „Die Entscheidu­ng ist eine Folge des veränderte­n Medienkons­ums

und Verbrauche­rverhalten­s“, sagte Manager Konrad Grüss. Der Konzern wolle ein neues Kapitel aufschlage­n und digitaler werden. Immerhin seien die Online-Umsätze bei Ikea in 2019 weltweit um 45 Prozent gestiegen und die Webseite des Möbelriese­n verzeichne heute mehr als vier Milliarden Besucher. Bei Ikea-Kunden stieß die Entscheidu­ng des Möbelhause­s auf ein gemischtes Echo. „Ich finde es gut!“war in sozialen Medien ebenso zu lesen wie deutliche Kritik: „Gerade das Offline-Schmökern war das Schönste. So konnte man sich vom Sofa aus Inspiratio­n holen.“Eine Verbrauche­rin beklagte: „Der Katalog gehört zu Ikea wie die Köttbullar und der Hotdog.“

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Foto: Angelika Warmuth, dpa Nach 70 Jahren wird er eingestell­t: der Ikea‰Katalog.

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