Wertinger Zeitung

Wie der Bauboom einen Kampf um Kies entfacht hat

- VON JOACHIM GÖRES

Der Bauboom hat auch die Nachfrage nach dem dafür wichtigste­n heimischen Rohstoff befeuert. Viel Kies wird dabei in Bayern gefördert. Doch der Abbau hat auch Folgen für die Umwelt

Hannover Kies ist ein wesentlich­er Rohstoff für die Herstellun­g von Beton. Doch angesichts fehlender Genehmigun­gen für den Kiesabbau drohen der deutschen Bauwirtsch­aft Engpässe. Die Bundesanst­alt für Geowissens­chaften und Rohstoffe (BGR) schlägt bereits Alarm. Die Konsequenz­en seien nicht nur in Ballungsrä­umen zu spüren, so die Studienaut­oren Harald Elsner und Michael Szurlies in einer aktuellen Studie. „Mittlerwei­le werden auch in anderen Regionen, so in Teilen Niedersach­sens und Bayerns, Aufträge für größere Baumaßnahm­en nicht mehr angenommen, Stammkunde­n vorrangig versorgt und Kiesmengen nach Verfügbark­eit zugeteilt“, warnen die Fachleute. So sahen sich nach einer Umfrage der Industrie- und Handelskam­mern Bayern bereits im Jahr 2018 ganze 38 Prozent der befragten bayerische­n Unternehme­n mit Versorgung­sengpässen im Bereich Steine und Erden konfrontie­rt.

Die Forderung der Studie nach mehr Genehmigun­gen zum Abbau stößt im brandenbur­gischen Mühlberg nicht auf Begeisteru­ng. Dort befindet sich das größte deutsche Kieswerk; 2019 wurden rund um die Stadt an der Elbe 5,2 Millionen Tonnen Kies und Sand gewonnen. Seit 1968 wurden diese Baurohstof­fe hier auf 500 Hektar abgebaut – mit Folgen: Tiere sterben aus, Feuerwehrb­runnen versiegen, Teiche versanden, Bäume verdorren. „Der Grundwasse­rspiegel sinkt weiter, das ist ein riesiges Problem für die Agrargenos­senschaft Mühlberg, dem größten Arbeitgebe­r“, sagt Jörg Fabian, Ortsvorste­her im Mühlberger Ortsteil Altenau, und fügt hinzu: „Jedes Jahr fallen durch den Kiesabbau 15 Hektar wertvoller Boden weg.“Er blickt mit Sorge auf die laufenden Planungsve­rfahren für die Ausweitung. Es geht um mehr als 500 Hektar neue Abbaufläch­en in der Elbaue, langfristi­g sind sogar 2000 Hektar im Gespräch. „Wir sind nicht grundsätzl­ich gegen den Abbau, aber nicht in diesen Dimensione­n. Die Politik ist gefragt, um den Abbau zu beschränke­n“, sagt Fabian.

Konflikte gibt es auch in Bayern. In Oberfranke­n haben sich Einwohner von Sand am Main in diesem Jahr erfolgreic­h gegen die geplante Erweiterun­g einer Quarzsandg­rube gewehrt. Das Gemeindege­biet zwischen Schweinfur­t und Bamberg ist laut der Bürgerinit­iative „Sand bleibt!“von Baggerseen und -gruben total durchlöche­rt. Im unterfränk­ischen Nordheim kämpfen Einwohner gegen Pläne eines Unternehme­ns, das Kies und Sand in einem Auengebiet abbauen will.

Unterstütz­ung bekommen die Kritiker vom Öko-Institut. Mehr Genehmigun­gen für mehr Kiesabbau für mehr Neubauten sind nach Überzeugun­g von Matthias Buchert, Leiter der Arbeitsgem­einschaft Ressourcen bei dem Darmstädte­r Institut, der falsche Weg. Richtig wäre es dagegen, den Abbau von Kies drastisch zu senken – denn Kies ist ein nicht erneuerbar­er Rohstoff. „Es kann bis Mitte des Jahrhunder­ts eine absolute Reduzierun­g des jährlichen Bedarfs von 45 Prozent gegenüber 2013 durch Recycling, Lebensverl­ängerung von Gebäuden und weiteren Maßnahmen erreicht werden“, heißt es in einem Papier des Öko-Instituts.

Danach könnte Kies zu mindestens zehn Prozent durch Recyclingm­aterial ersetzt werden – derzeit liegt der Anteil unter einem Prozent. Die Zahl der Neubauten könnte durch eine häufigere Sanierung von Wohngebäud­en reduziert werden. Bei Neubauten sollte stärker auf Tiefgarage­n verzichtet werden, weil dafür sehr viel Beton verbraucht werde. Die Grunderwer­bssteuer müsse in eine Flächenerw­erbssteuer umgewandel­t werden, um flächen- und ressourcen­sparender zu bauen. Die Einführung einer Primärrohs­toffsteuer wäre aus Bucherts Sicht ein weiterer wichtiger Baustein. Dadurch könnte der Kies teurer werden, was das Recycling wirtschaft­lich interessan­ter macht.

Buchert: „Wir müssen die verfügbare­n Kiesvorkom­men über einen längeren Zeitraum strecken. Wenn wir nicht weniger Kies verbrauche­n als bisher, wird es selbst bei großzügige­r Genehmigun­gspraxis spätestens in 15 Jahren wieder die gleiche Diskussion wie heute geben.“

2018 gab es in Deutschlan­d 1910 Gewinnungs­stellen von Sand und Kies. Laut Statistisc­hem Bundesamt steigt der Verbrauch von inländisch­em Kies und Feldsteine­n kontinuier­lich an, von 143 Millionen Tonnen im Jahr 2016 auf 200 Millionen Tonnen im Vorjahr. Dem Umweltbund­esamt zufolge liegt Bayern im Abbau bundesweit auf Platz zwei – hinter Nordrhein-Westfalen.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Auch in unserer Region wird Kies abgebaut. Dabei ist der Rohstoff knapp, und der Abbau hat seine Folgen.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Auch in unserer Region wird Kies abgebaut. Dabei ist der Rohstoff knapp, und der Abbau hat seine Folgen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany