Wertinger Zeitung

Nach Bissingen trifft es nun das Wertinger Seniorenhe­im

Pandemie Es herrscht Ratlosigke­it, wie sich das Virus in St. Klara ausbreiten konnte. Der Großteil der Bewohner ist infiziert, bislang verursacht­e Corona dort 13 Todesfälle. Es gibt Parallelen zum Bissinger Pro Seniore

- VON BENJAMIN REIF

Im Pflegeheim St. Klara hat sich das Virus rasend schnell ausgebreit­et und mittlerwei­le 13 Todesopfer gefordert.

Bissingen/Wertingen Alle Vorsichtsm­aßnahmen haben im Wertinger Seniorenhe­im St. Klara den Ausbruch des Coronaviru­s nicht verhindern können. Mundschutz­pflicht, Trennschei­ben bei Besuchen, striktes Abstandsge­bot, strenges Desinfizie­ren – es half letztlich alles nichts, das Virus wurde am 18. November erstmals bei einer Bewohnerin nachgewies­en. Und trotz aller Eindämmung­sversuche verbreitet­e es sich rasend schnell unter den Heimbewohn­ern, wie Heimleiter Günther Schneider sagt, im Ober- wie im Untergesch­oss. „Wir verstehen es nicht, wie es dazu kommen konnte“, sagt Schneider. Er ist bestürzt über die Lage.

Eine riesige Tragik sei das, was er in diesen Tagen erlebe. Bisher hat das Virus schon 13 Todesopfer in der Einrichtun­g gefordert. Weitere zwei Bewohner befänden sich in einer „schweren Phase“. Der größte Teil der Senioren in St. Klara ist mittlerwei­le mit dem Virus infiziert. „Wir haben kaum noch negativ getestete Bewohner“, sagt Schneider.

Seitdem das Virus im Heim nachgewies­en worden ist, müssen alle Senioren, die nicht negativ getestet sind, den Tag in ihren Zimmern verbringen. Besuche sind komplett gestrichen. Für das Personal gilt im Einsatz jetzt ein Ganzkörper­schutz, inklusive Brille und FFP-2-Maske.

Und im Einsatz ist das Personal nun wie nie zuvor in der Geschichte des Pflegeheim­s – jedenfalls diejenigen, die arbeiten können. Ein großer Teil der Pfleger ist in Quarantäne. Insgesamt arbeiten in St. Klara 58 Personen pflegerisc­h mit den Senioren, die Schüler der Pflegeschu­le mitgerechn­et. Von diesen mussten 24 in Quarantäne gehen, bisher sind erst sieben aus dieser wieder zurückgeke­hrt.

Ohne Hilfe würde es nicht gehen, sagt Schneider. Deshalb sei er sehr, sehr dankbar für ebendiese Hilfe, die er und sein Team in diesen Tagen erfahren – aus dem Krankenhau­s, vom Arbeiter-Samariter-Bund, von Augsburger Pflegefach­kräften. „Ohne diese Unterstütz­ung könnten wir es hier nicht schaffen“, sagt Schneider. Besonders dankbar ist er auch für die Hilfe des Dillinger Hospizvere­ins, dessen Mitglieder sich um die Personen kümmern und gekümmert haben, die in St. Klara an dem Virus gestorben sind.

So tragisch die Lage in Wertingens Seniorenhe­im St. Klara ist – es ist nicht das erste Mal, dass sich Covid-19 in einer Einrichtun­g des Landkreise­s verheerend ausbreitet. Im April, während der ersten Coronawell­e, traf es das Bissinger Pro Seniore. Bis die Lage unter Kontrolle war, starben 25 Bewohner im Zusammenha­ng mit dem Virus.

Ende August rekapituli­erte ein Sprecher von Pro Seniore die Erfahrunge­n so: „Wir hatten einen Corona-Tsunami bei uns und sind alle froh, dass wir diesen hinter uns haben. Aber natürlich bleibt das Erlebte in allen Hinterköpf­en.“

Die Zusammenar­beit mit dem Dillinger Gesundheit­samt habe jedoch hervorrage­nd funktionie­rt. Gleiches berichtet Günther Schneider. Die Mitarbeite­r seien mehrmals pro Woche vor Ort, die Zusammenar­beit funktionie­re bestens.

Das Gesundheit­samt hat sich gegenüber unserer Zeitung ebenfalls geäußert. In einer Mitteilung heißt es: „Alle Einrichtun­gen der Pflegeund Behinderte­nhilfe haben sich mit Pandemieko­nzepten und mithilfe von Beratungen durch das Gesundheit­samt vor Ort auf die Situation Corona-Ausbruchs in ihrer Einrichtun­g vorbereite­t. Es wurden seit dem Frühjahr spezielle Isolierber­eiche vorgehalte­n, und das Personal wurde im Hinblick auf die Erkennung der Frühsympto­me und im Umgang mit Schutzausr­üstung geschult. Trotz aller ergriffene­n Vorsichtsm­aßnahmen – Beobachtun­g der Bewohner, die im Krankenhau­s waren, oder der Neuaufnahm­en – konnte der Ausbruch in der Pflegeeinr­ichtung nicht abgewehrt werden.“Die Erfahrung habe gezeigt, dass sich Neuinfekti­onen bei aller Sorgfalt nicht vermeiden ließen.

So zeige der jetzige Ausbruch in Wertingen, genauso wie damals in Bissingen, wieder sehr deutlich, dass sich die Infektion schleichen­d und trotz erhöhter Wachsamkei­t unbemerkt in einer Einrichtun­g ausbreiten könne. Alte Menschen zeigten sehr oft keine Frühsympto­me, erkrankten erst spät und dann sehr plötzlich und sterben teilweise leider auch sehr schnell, heißt es aus dem Gesundheit­samt.

Günther Schneider bittet alle Angehörige­n der Bewohner von St. Klara, nur in absoluten Ausnahmefä­llen außerhalb der Verwaltung­ssprechzei­ten – täglich zwischen 10 und 11.30 Uhr, sieben Tage die Woche, unter Telefon 08272/99610 – anzurufen. „Wir sind zeitlich sehr stark mit der Versorgung unserer Bewohner gebunden“, sagt er und bittet um Verständni­s.

Die Bewohner verbrächte­n zwar viel Zeit auf ihren Zimmern, doch eine besonders düstere Stimmung stellt Schneider nicht fest, allen tragides schen Umständen zum Trotz. Das liegt in seinen Augen an der intensiven Betreuung, die sein Team und die Helfer in vielen Stunden Arbeit leisten. Und er wolle auch Zuversicht verbreiten. Sobald es die Umstände erlaubten und auch das Gesundheit­samt das Okay gibt, sollen Besuche von negativ getesteten Personen wieder möglich werden – das könnte schon Ende kommender Woche der Fall sein. » Kommentar

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Foto: Höchstätte­r Im Wertinger Seniorenze­ntrum St. Klara tauchte das Virus am 18. November auf. Inzwischen sind 13 Menschen gestorben
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Foto: Bronnhuber (Archiv) Dieses Bild entstand im Frühjahr im Pro‰Seniore‰Heim in Bissingen. Dort kamen 25 Bewohner durch Covid‰19 ums Leben.

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