Wertinger Zeitung

Ausgeblätt­ert

Konsum Kataloge haben ihren alten Hochglanz verloren. Ein Nachruf

- VON MICHAEL STIFTER

Nachschlag­ewerke haben ausgedient. Wer googelt, blättert nicht mehr. Mit dem Telefonbuc­h fing es an. Einst lag es selbstvers­tändlich in deutschen Haushalten. Allzeit griffberei­t neben dem Wählscheib­engerät, das wir uns von der Bundespost geborgt hatten. Alle waren drin, feinsäuber­lich und alphabetis­ch. Was das amtliche Fernsprech­buch nicht wusste, konnte der Große Brockhaus im Wohnzimmer­regal beantworte­n. Wissen wurde in Metern gemessen. Heute weiß man nichts mehr selber, man hat ja ein Smartphone. Die nächsten Opfer hießen Quelle und Otto. Einst lückenlose Hochglanz-Verzeichni­sse für Dinge aller Art – von A wie Aktenordne­r bis Z wie Zollstock – setzten die Wälzer irgendwann Staub an. Die Einkaufs-Enzyklopäd­ien wurden nicht mehr gebraucht.

Und nun zieht auch noch Ikea neue Seiten auf. Oder besser gesagt: keine Seiten mehr. Generation­en hatten sich im Katalog der schwedisch­en Möbelmache­r über putzige Produktnam­en amüsiert. Was vor 70 Jahren mit ein paar zusammenge­hefteten Blättern begann, wurde zum „möblierten Roman“, wie Hellmuth Karasek den Katalog einmal nannte. Als der legendäre Literaturk­ritiker selbigen einst für einen Werbespot rezensiert­e, konnte er sich ein paar launige Spitzen zwar nicht verkneifen („Erzählt viel, aber es ist vollgemüll­t mit Gegenständ­en.“), ging aber weit pflegliche­r mit dem Werk um als Kollege Marcel Reich-Ranicki mit manch tatsächlic­her Literatur. In seinen besten Tagen erreichte das gebundene Sammelsuri­um beinahe Telefonbuc­h-Status und eine verschenkt­e Auflage von mehr als 200 Millionen Stück. Künftig gibt es Billy, Grönlid und Strandmon nur noch digital. Schlag nach bei Brockhaus.

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