Wertinger Zeitung

Wie hält es die CDU mit der AfD?

Wenn jedes Thema, das die Populisten für sich beanspruch­en, für die anderen zum Tabu wird, gerät die Politik in eine Sackgasse. Beim Rundfunkbe­itrag geht es aber um mehr

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger‰allgemeine.de ZDF ARD

Nur zur Erinnerung: Im Streit um die Erhöhung des Rundfunkbe­itrages geht es auf dem Papier um gerade einmal 86 Cent mehr pro Monat. Dass die Debatte trotzdem derart eskaliert ist, hat aber nichts mit Geld zu tun. Sondern vor allem mit Emotionen und politische­m Kalkül. In Ostdeutsch­land fürchtet die CDU, noch mehr Wähler an die AfD zu verlieren, sollte sie ein noch höheres Budget für den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk genehmigen, den die Rechtspopu­listen systematis­ch als linke Propaganda­maschine verunglimp­fen. Also blockiert SachsenAnh­alts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff die Erhöhung, die nur dann in Kraft treten kann, wenn alle Bundesländ­er zustimmen.

Das kann man als ziemlich billiges Manöver empfinden oder sogar als Einknicken vor populistis­chen

Stimmungsm­achern. Schließlic­h geht es um die erste Beitragser­höhung seit mehr als einem Jahrzehnt. Doch auch der Versuch von Grünen und SPD, die Union nun pauschal auf eine Stufe mit der AfD zu stellen, ist doch sehr plump. Zumal die beiden Parteien in ihrem Koalitions­vertrag mit der CDU in SachsenAnh­alt ja selbst „Beitragsst­abilität“als Ziel unterschri­eben hatten.

Kurzfristi­g hat Haseloff mit seiner Entscheidu­ng, die Abstimmung über den Rundfunkbe­itrag abzublasen, den CDU-Abgeordnet­en im Landtag zumindest die Peinlichke­it erspart, gemeinsam mit der AfD die Hand zu heben. Seine wackelige Kenia-Koalition ist vorerst gerettet. Das bedeutet aber eben auch, dass die Union das Problem ins Superwahlj­ahr 2021 hineinschl­eppt. Es geht im Kern um die Frage, wie es die CDU mit der AfD hält. Und darauf gibt es im Osten und im Westen der Republik sehr unterschie­dliche Antworten.

Im Westen will man die Union zum Bollwerk gegen rechte Brandstift­er machen. Im Osten sehen viele CDU-Leute kein Problem darin, mit der AfD zu kooperiere­n. Sie argumentie­ren, dass die Rechtspopu­listen einen durchaus relevanten Teil der Bevölkerun­g vertreten, den man nicht einfach ignorieren dürfe. Diese Diskrepanz kann einem Kanzlerkan­didaten im Bundestags­wahlkampf zum Verhängnis werden. Die CDU bewegt sich hier auf oblatendün­nem Eis. Friedrich Merz, der bekanntlic­h Parteichef und Kanzler werden will, hat im Prinzip schon recht, wenn er sagt, die Union dürfe ihre eigenen Positionen doch nicht davon abhängig machen, was die AfD will oder nicht will. Wenn jedes Thema, das die Populisten für sich reklamiere­n, für alle anderen Parteien automatisc­h zum Tabu erklärt wird, steckt Politik ganz schnell in einer Sackgasse. Und Demokratie­verächter bekommen noch mehr Einfluss. Doch im konkreten Fall ignoriert Merz ja ganz bewusst, dass es ja nicht um irgendein beliebiges Thema geht. Sondern um eine im wahrsten Sinne des Wortes staatstrag­ende Angelegenh­eit. Die öffentlich-rechtliche­n Medien sind dafür da, um politische Bildung zu fördern und unsere Demokratie stabil zu halten. Jene Demokratie, die von Populisten systematis­ch lächerlich gemacht wird. Natürlich kann man darüber streiten, ob und

ihrem Auftrag immer in idealer Weise gerecht werden. Natürlich kann man über aufgebläht­e Apparate und den Umgang mit Steuergeld­ern diskutiere­n – gerade in einer Zeit, in der die Corona-Krise hunderte Milliarden kostet. Man muss es sogar.

Dass AfD-Politiker die Öffentlich-Rechtliche­n als „Staatsfunk“verächtlic­h machen, liegt aber vor allem daran, dass sie in ihnen einen ihrer Hauptfeind­e sehen. Die AfD fordert scheinheil­ig unabhängig­e Berichters­tattung, hat aber in Wahrheit null Interesse daran. Hier müssen die demokratis­chen Parteien klare Kante zeigen. Hier geht es um mehr als 86 Cent.

Merz hat recht, ignoriert aber den entscheide­nden Punkt

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