Wertinger Zeitung

Wenn das Smartphone zum Börsenpark­ett wird

Aktienhand­el Wertpapier­e kann man auch über spezielle Apps handeln. Jetzt drücken neue Broker die Kosten. Wann es sich für Anleger lohnt

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Berlin Wetter checken, Mails lesen, Nachrichte­n verfolgen, Musik hören oder Fotos archiviere­n – das Smartphone ist für die meisten Menschen nahezu unentbehrl­ich geworden. Auch Geldgeschä­fte erledigen viele inzwischen über ihr Mobilgerät. Zwar nutzen einer repräsenta­tiven Umfrage des IT-Branchenve­rbands Bitkom zufolge dafür 82 Prozent der Anwender einen Laptop. Das Smartphone liegt mit 58 Prozent aber schon auf Platz zwei. Tendenz weiter steigend.

Genutzt wird Online-Banking bisher vor allem für das Überprüfen des Kontostand­es (97 Prozent), für Überweisun­gen (93 Prozent) oder das Verwalten von Dauerauftr­ägen (85 Prozent). Geht es ums Investiere­n, also den Kauf von Aktien, gehen laut der Umfrage 20 Prozent der Kunden zu ihrem Berater in die Bank, 14 Prozent nutzen OnlineBank­ing und immerhin noch 11 Prozent das Telefon-Banking. Dabei ist der Handel mit Wertpapier­en über das Smartphone inzwischen denkbar einfach.

Anbieter wie Gratisbrok­er, Justtrade, Scalable Capital und Trade Republic haben eine klare Zielgruppe vor Augen: „Ein online-affines Publikum, das das Smartphone als zentrale Schnittste­lle für alle Lebensbere­iche nutzt“, erklärt Roland Aulitzky von der Stiftung Warentest. Geeignet sind die Angebote nicht nur für Hobbytrade­r. „Sie eignen sich auch für normale Anleger, die sich zum Beispiel für ETF interessie­ren.“

Der Hauptunter­schied zwischen den Smartphone-Brokern und einem herkömmlic­hen Depot sind die Kosten. Während bei Banken die Orderkoste­n in der Regel vom Anlagebetr­ag abhängen, ist der Handel bei den neuen Anbietern kostenlos. „Der alte Grundsatz ,Hin und Her macht Taschen leer‘ greift hier nicht mehr“, sagt Aulitzky. Denn vor allem hohe Gebühren machen häufiges Handeln unattrakti­v. Welchen Unterschie­d das ausmachen kann, zeigt ein Blick auf die Kosten für einen Wertpapier­kauf in Höhe von 5000 Euro. Während bei Filialbank­en hierfür bis zu 50 Euro fällig werden können, verlangen große Direktbank­en bis zu 20 Euro, günstigere Direktbank­en stellen etwa sieben Euro in Rechnung. Beim Gratisbrok­er und Justtrade ist der Handel für Anleger laut Stiftung Warentest hingegen kostenlos.

Trade Republic leitet nur Fremdkoste­n in Höhe von einem Euro pro Order weiter. Scalable Capital bietet verschiede­ne Depotvaria­nten an: Entweder werden eine monatliche Gebühr von 2,99 Euro oder 0,99 Euro für jeden Kauf oder Verkauf fällig.

Auch die Handelsspa­nnen beim Kauf und Verkauf von Wertpapier­en sind aus Sicht der Warenteste­r in Ordnung: Bei bekannten Aktien oder ETF entdeckten die Tester keine nennenswer­ten Aufschläge gegenüber dem Xetra-Handel der

Deutschen Börse. Damit sind die neuen Angebote aus Sicht der Stiftung Warentest nicht nur für „heavy user“interessan­t, sondern auch für Kleinaktio­näre, die vergleichs­weise wenig Geld in Wertpapier­e stecken. Fallen die Kosten weg, kann auch mit einem Betrag von 15000 Euro ein breit gestreutes Portfolio mit 20 bis 30 Aktien aufgebaut werden.

Allerdings gibt es durchaus Haken: Die Handelsplä­tze, an denen Anleger mit Wertpapier­en handeln können, sind beschränkt. „Das Spektrum ist hier etwas eingeschrä­nkt“, bestätigt Aulitzky. So ist etwa nicht bei jedem Broker der Handel über Xetra möglich, den elektronis­chen Handelspla­tz der

Der Preis macht den Unterschie­d

Bei den Handelsplä­tzen gibt es Einschränk­ungen

Deutschen Börse. Auch ausländisc­he Handelsplä­tze können über die Broker nicht immer genutzt werden. Und: „Das Angebot an Wertpapier­en ist geringer als bei den meisten Direktbank­en.“

Wer zudem schon ein Depot hat, kann es nicht ohne Weiteres zu den Smartphone-Brokern übertragen lassen. Das ist bisher nur bei einem Anbieter möglich. „Sie können die neuen Broker aber als Zweitdepot nutzen“, rät Aulitzky. Wichtig dabei: „Schauen Sie sich vorher an, ob der Anbieter Ihnen das bietet, was Ihnen auch wichtig ist.“

Aus Sicht von Jürgen Kurz sind die neuen Broker eine durchaus interessan­te Markterwei­terung. Langfristi­g orientiert­e Anleger müssen allerdings ihren Depotanbie­ter jetzt nicht zwingend wechseln. „Über einen langen Zeitraum machen die Kosten nicht mehr einen so großen Unterschie­d aus“, erklärt der Sprecher der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW).

Wer den Kostenvort­eil für häufigeren Handel nutzen wolle, sollte sich allerdings des Risikos bewusst sein. „Den Markt zu schlagen gelingt selbst Profis nicht“, sagt Kurz. Anlegern mit ein wenig Erfahrung könne aber zugetraut werden, mit den neuen Brokern verantwort­ungsvoll umzugehen.

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Foto: Zacharie Scheurer, dpa Das Smartphone ist für viele zum Zen‰ trum der eigenen Finanzen geworden. Neue Broker bieten ein Depot für die Ho‰ sentasche.

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