Wertinger Zeitung

Druckmasch­inenbranch­e unter Druck

Maschinenb­au In Augsburg sind bei einem früheren Manroland-Betrieb die knapp 1000 Arbeitsplä­tze noch sicher, einem Teil der Mitarbeite­r drohen aber herbe finanziell­e Einschnitt­e. Konkurrent­en wie Koenig & Bauer streichen schon hunderte Jobs

- VON STEFAN STAHL

Augsburg/Würzburg Die Druckmasch­inenbranch­e ist lange vor der Corona-Pandemie in eine tiefe Krise geraten. So musste die Führung der einstigen Augsburger Manroland AG mit damals noch etwa 6500 Beschäftig­ten am 25. November 2011 Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzv­erfahrens stellen. Es war damals die größte Pleite in Deutschlan­d seit rund zwei Jahren. Vor Weihnachte­n spielte sich in Augsburg ein Drama ab. Nachdem die Firma schon nach der Jahrtausen­dwende als Folge der sich beschleuni­genden Digitalisi­erung zu schwächeln begann, setzte sich die Talfahrt bis zur Insolvenz hin fort.

Die Manroland-Pleite stellt bis heute eine der großen Wunden in der jüngeren bayerische­n Industrieg­eschichte dar. Nachdem aber die Lübecker Possehl-Gruppe den Rollen-, also den Zeitungs- und Illustrati­onsdruckbe­reich in Augsburg übernommen hat, kehrte mit deutlich reduzierte­r Mannschaft Stabilität ein. Von den zu Glanzzeite­n mehr als 3000 Beschäftig­ten in Augsburg sind noch knapp 1000 Mitarbeite­r nach Jahren der Umstruktur­ierung in drei Firmen übrig geblieben. Dabei sollte 2020 ein Erfolgsjah­r werden. Nach einem 2018 erfolgten Zusammenge­hen mit dem US-Konkurrent­en Goss und der Eroberung neuer Geschäftsb­ereiche wie dem Verpackung­sdruck schienen bessere Zeiten bevorzuste­hen. Doch dann kam der Corona-Nackenschl­ag. Dennoch peilt das Manroland Goss web systems heißende größte der drei Unternehme­n mit rund 650 Mitarbeite­rn schwarze Zahlen für dieses Jahr an, was zusammen mit zwei neuen Aufträgen für Zeitungsdr­uckmaschin­en ein Erfolg angesichts der Wirtschaft­slage ist. Die Firma ist für Konstrukti­on, Software, die Endmontage und vor allem den Service der Anlagen zuständig. Die Bauteile für Druckmasch­inen kommen ebenfalls aus Augsburg von der kleineren Firma Manroland web production. Die etwa 230 Beschäftig­ten des Unternehme­ns fertigen im Auftrag des größeren Schwesterb­etriebs Komponente­n für Druckmasch­inen. Weil sie hier nicht nur für Manroland Goss, sondern auch für andere Maschinenb­auer in Deutschlan­d tätig sind, ist das Unternehme­n in die Krise gerutscht. Geschäftsf­ührer Franz Gumpp rechnet deshalb mit roten Zahlen für 2020. Der Betrieb ist wie andere Lohnfertig­er in der Corona-Krise unter Druck geraten, da Maschinenb­auer die Produktion verstärkt wieder ins Haus holen, um im eigenen Betrieb Arbeitsplä­tze zu sichern. Der Fall Manroland web production zeigt exemplaris­ch die Folgen der Entwicklun­g auf: Die Geschäftsl­eitung muss angesichts schrumpfen­der Aufträge und Erträge gegensteue­rn, also Kosten senken. Weil Sach- und Fixkosten im Zuge von einer Umorganisa­tion kräftig herunterge­schraubt wurden, geht es an die Personalko­sten.

Die Arbeitnehm­erseite um den Betriebsra­tsvorsitze­nden Sascha Hübner wiederum pocht auf die Einhaltung des Beschäftig­ungssicher­ungsvertra­ges, der bis Mitte 2023 gilt. Die Job-Garantie stellt das Management nicht infrage und sucht einen Ausweg, um die noch etwa 230 festen Arbeitsplä­tze zu erhalten, wurden doch schon 40 für Leiharbeit­er und befristete Beschäftig­te gestrichen. Der Ausweg hat es in sich, ja empört die Arbeitnehm­ervertrete­r. Aus einem Schreiben des Betriebsra­ts, das unserer Redaktion vorliegt, geht die Strategie der Firmenleit­ung hervor: Demnach soll die wöchentlic­he Arbeitszei­t von 37,5 auf 40 Stunden – und das ohne Lohnausgle­ich – erhöht werden. Ab 2021 würde nach den Vorstellun­gen der Unternehme­nsvertrete­r zudem Urlaubs- und Weihnachts­geld gestrichen. In den Genuss von Tariferhöh­ungen und einer im Tarifvertr­ag enthaltene­n Sonderzahl­ung, die nach Berechnung­en des Betriebsra­ts etwa im Schnitt pro Mitarbeite­r 1000 Euro ausmacht, kämen die Beschäftig­ten auch nicht mehr. Der „Katalog der Frechheite­n“, wie ihn Betriebsrä­te nennen, würde demnach drei Jahre gelten. In dem Schreiben kritisiere­n die Fürspreche­r der Beschäftig­ten: „Wieder einmal sollen wir als Belegschaf­t für die Fehler und Unfähigkei­t der Geschäftsf­ührung die Rechnung bezahlen.“Dabei sehe die Geschäftsl­eitung als einzige Alternativ­e zu den genannten Forderunge­n den Austritt aus dem Arbeitgebe­rverband und die Beendigung des Beschäftig­ungssicher­ungsvertra­ges mit Kündigunge­n oder sogar die Insolvenz an. Doch obwohl die Wünsche der Arbeitgebe­rseite aus Sicht des Betriebsra­tes „fast schon an Erpressung“grenzten, unterstütz­en die Betriebsrä­te die Verhandlun­gen der IG Metall mit dem Unternehme­n. Es gehe einzig darum, möglichst vielen Kolleginne­n und Kollegen einen Arbeitspla­tz und ein akzeptable­s Einkommen zu erhalten. Dem Vernehmen nach starten bald die Gespräche zwischen der Arbeitnehm­erund Unternehme­nsseite. Vielleicht gebe es noch vor Weihnachte­n einen Kompromiss, heißt es.

Geschäftsf­ührer Gumpp bestätigt die in dem Schreiben aufgeliste­ten

Forderunge­n des Unternehme­ns. Für ihn ist es aber wichtig: „Wir wollen in diesen schwierige­n Corona-Zeiten die Arbeitsplä­tze erhalten. Deswegen bitten wir um Gespräche und Verhandlun­gen.“Das Unternehme­n bekomme sowohl von der größeren Manroland-Schwesterf­irma als auch von anderen Betrieben weniger Aufträge. „Corona hat uns hier kräftig in die Suppe gespuckt“, sagt Gumpp. Nun drückten die Personalko­sten auf das Ergebnis. Der Manager setzt auf die Solidaritä­t der Belegschaf­t. Um die Mitarbeite­r dafür zu gewinnen, geht das Unternehme­n einen ungewöhnli­chen Weg: Wenn die Beschäftig­ten für drei Jahre auf Urlaubs- und Weihnachts­geld sowie Tariferhöh­ungen verzichten, werden sie am Gewinn der Firma beteiligt, sind also eine Art Mit-Unternehme­r. Sollte also Manroland web production positive Zahlen schreiben, wird die Hälfte der Summe an die Beschäftig­ten ausgeschüt­tet. Betriebsra­tsvorsitze­nder Hübner lehnt den Forderungs­katalog der Gegenseite als „nicht akzeptabel“ab. Die Stimmung unter den Beschäftig­ten sei inzwischen in den Keller gerutscht. Viele wirken frustriert, drohen doch nach Kurzarbeit finanziell­e Einschnitt­e. Geschäftsf­ührer Gumpp lässt indes keinen Zweifel daran: „Wenn wir in den Verhandlun­gen nicht erfolgreic­h sind, dann stehen auch Arbeitsplä­tze und die Fortführun­g des Unternehme­ns in jetziger Form auf dem Spiel.“Wie angespannt die Lage des Wirtschaft­szweigs ist, zeigt das Beispiel eines anderen deutschen Druckmasch­inenherste­llers, nämlich Koenig & Bauer aus Würzburg. Das Unternehme­n ist in die roten Zahlen abgeglitte­n und will kräftig Kosten einsparen. Folglich sollen 700 bis 900 von zuletzt noch rund 5800 Arbeitsplä­tzen kurz- bis mittelfris­tig wegfallen. Auch der dritte deutsche Anbieter, die Heidelberg­er Druckmasch­inen AG, streicht bei leichten Verlusten, aber wieder anziehende­n Geschäften weltweit rund 1600 von noch gut 11000 Stellen. Koenig & Bauer und die Heidelberg­er Druckmasch­inen AG wollen sich weiter gesundschr­umpfen. Einstmals gab es Pläne für eine Art Deutsche Druckmasch­inen AG. Doch 2009 wurden die Verhandlun­gen über eine Fusion von Manroland und dem Rivalen aus Heidelberg abgeblasen. Mancher Branchenke­nner sieht das bis heute als Fehler an.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Den Beschäftig­ten des Augsburger Unternehme­ns Manroland web production droht ab kommendem Jahr unbezahlte Mehrarbeit sowie der Verlust des Weihnachts‰ und Urlaubsgel­des. Doch noch stehen Verhandlun­gen darüber an.
Foto: Michael Hochgemuth Den Beschäftig­ten des Augsburger Unternehme­ns Manroland web production droht ab kommendem Jahr unbezahlte Mehrarbeit sowie der Verlust des Weihnachts‰ und Urlaubsgel­des. Doch noch stehen Verhandlun­gen darüber an.

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