Wertinger Zeitung

So funktionie­rt stilvolle Kritik

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Vorweihnac­htlichen Frieden gibt es im Sport nicht. Viel eher geht es am Jahresende brachial zur Sache. Fazit ziehen, nennt sich das und ist oft schmerzhaf­ter als eine meniskussp­rengende Grätsche. Joachim Löw beispielsw­eise hätte am Montag erzählen können, was auch immer er wollte: Es wäre gegen ihn verwendet worden. Oder auch die Verteilung der TV-Gelder für die kommenden Jahre: Recht machen kann man es da keinem.

Dabei missachten die Kritiker einfachste rhetorisch­e und motivatori­sche Kniffe. Immer mit einem Lob beginnen, bevor etwas beanstande­t wird. Das erhöht die Wahrschein­lichkeit, Kritik anzunehmen und umzusetzen. Wichtig: Am Schluss versöhnlic­h werden! Immer im Guten auseinande­rgehen.

Im Fall Joachim Löws sähe das also folgenderm­aßen aus: Toll, dass du es immer wieder schaffst, genau elf Spieler auf das Feld zu schicken! Wenn sie jetzt auch noch einen Plan haben, was sie da genau machen sollen, wäre das echt stark. Zuletzt hat aber immerhin der Anstoß schon wirklich gut geklappt. Der Rest wird schon noch.

Fan-Vertreter gehen die DFL dafür an, dass sie die Fernseh-Milliarden nicht robinhoode­sk unter den Armen verteilt. Typische Anti-Haltung. Besser stattdesse­n: Wir finden das total super, dass sich schon jetzt jeder Auswechsel­spieler eines Abstiegska­ndidaten monatlich problemlos einen Neuwagen leisten kann. Noch besser aber wäre es doch, wenn beispielsw­eise auch Schalker Spieler imstande sind, sich jedes Jahr dazu noch eine Wohnanlage zu kaufen. Schön aber, wie ihr dafür sorgt, dass jedes Jahr die gleiche Mannschaft deutscher Meister wird, da muss man sich dann nicht umgewöhnen.

So klingt das doch viel besser und mit Sicherheit würden die Kritisiert­en sich sehr einsichtig zeigen.

Selbstrede­nd ist einigen renitenten Persönlich­keiten aber auch mit der Rhetorik eines Ciceros und Motivation Klopps nicht beizukomme­n. Stichwort: Fifa. Findet sich ja tatsächlic­h kein Grund, eine Weltmeiste­rschaft nach Katar zu verlegen. Im Winter. Außer selbstvers­tändlich die Apanage für wohlsituie­rte alte Männer wird als guter Grund geltend gemacht. Ansonsten ist das Vorhaben natürlich immer noch als absoluter Schwach … Ach, was, ist ja bald Weihnachte­n.

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Foto: Witters Auch Joachim Löw hat Gefühle, die schon auch irgendwie zu berücksich­tigen sind.
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