Wertinger Zeitung

So großzügig verteilt der Staat Corona‰Hilfen

Förderung Manchen Betrieben bleibt unter dem Strich mehr als sonst. Andere gehen leer aus

- VON JÖRG HEINZLE, STEFAN LANGE UND MICHAEL STIFTER

Augsburg/Berlin Der Anfang November verhängte teilweise Lockdown trifft einige Branchen besonders hart – etwa die Gastronomi­e oder Freizeitei­nrichtunge­n. Für ihre Einbußen werden die ausgebrems­ten Betriebe aber mit den Novemberun­d Dezemberhi­lfen entschädig­t – und dabei kommen manche nach Recherchen unserer Redaktion so gut weg, dass ihnen, obwohl das Geschäft stillsteht, viel mehr Geld übrig bleibt als sonst. Manche Branchen wiederum, wie der Handel, gehen bislang leer aus.

Zu den unverhofft­en Gewinnern gehören zum Beispiel Fieranten von Weihnachts­märkten. Ihre Buden bleiben geschlosse­n, Geld fließt trotzdem. Ein Betreiber eines Augsburger Glühweinst­ands, der namentlich nicht genannt werden will, rechnet vor, dass er normalerwe­ise in der Vorweihnac­htszeit rund 100 000 Euro Umsatz erzielen kann. Ziehe er alle Kosten ab, blieben ihm gut 20 000 Euro Gewinn. Die staatliche­n Hilfen ersetzen allerdings nicht den ausbleiben­den Gewinn, sondern 75 Prozent des Umsatzes, den eine Firma in den jeweiligen Monaten des vergangene­n Jahres gemacht hat. Das bedeutet: Der Standbetre­iber kann mit 75 000 Euro Erstattung rechnen, hat allerdings kaum Ausgaben – keine Standmiete, keine Ware, kein Personal. Es bleibt ihm also ein Vielfaches von dem, was er verdient hätte, wenn er den Stand wie üblich betrieben hätte.

Auf Nachfrage unserer Redaktion räumt das Bundeswirt­schaftsmin­isterium solche ungewollte­n Nebenwirku­ngen ein. „Natürlich hat die Orientieru­ng am Umsatz auch Schwächen, aber kein Kriterium kann für absolute Gerechtigk­eit in jedem Einzelfall sorgen“, heißt es aus dem Haus von Peter Altmaier.

Die Einzelhänd­ler können sich von solchen Erklärunge­n wenig kaufen. Die meisten Läden haben zwar geöffnet, leiden aber unter der fehlenden Kundschaft, die sicherheit­shalber online einkauft. Der Präsident des Handelsver­bandes, Josef Sanktjohan­ser, fordert Unterstütz­ung auch für seine Branche, sollte es tatsächlic­h nach Weihnachte­n zu einem harten Lockdown kommen. Die Nothilfe müsse allerdings „den wirklichen Schaden ausgleiche­n“. Es müsse darum gehen, „gezielt und maßgerecht den Ausfallsch­aden zu kompensier­en“.

Zur Wahrheit gehört, dass manche Betriebe – auch in der Gastrobran­che – bislang gar kein Geld gesehen haben, weil es an der Abwicklung hakt. Doch sie können zumindest mit hohen Summen planen. Der Dezember ist für viele Restaurant­s einer der stärksten Monate, entspreche­nd wird die Unterstütz­ung ausfallen. Da sich die Hilfen

Wer niedrige Fixkosten hat, profitiert am stärksten

am Netto-Umsatz orientiere­n, profitiere­n Betriebe mit niedrigen festen Ausgaben am stärksten. Das bestätigt Jörg Seidel, Steuerbera­ter in der Augsburger Kanzlei Sonntag & Partner. „Für die Höhe der Förderung spielt es keine Rolle, welche Kosten eine Firma hat.“Das bringe ein gewisses Ungleichge­wicht mit sich. Abgezogen von der Fördersumm­e werden lediglich andere staatliche Hilfen wie das Kurzarbeit­ergeld. Der Chef des Augsburger Hotel- und Gaststätte­nverbands, Leo Dietz, räumt ein, dass die finanziell­e Unterstütz­ung „ordentlich“sei. Allerdings müsse man auch sehen, dass viele Gastronome­n schon seit März unter Ausfällen infolge der Pandemie litten.

Anspruch auf die November- und Dezemberhi­lfen haben nach Auskunft des Ministeriu­ms prinzipiel­l alle Betriebe, die schließen müssen. Ob das auch noch im Falle eines harten Lockdowns im Januar gilt, ist allerdings fraglich.

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