Wertinger Zeitung

Was das Gesetz gegen Doping wirklich gebracht hat

Der Sport ist ein Milliarden­geschäft und die Athleten sind darin nur Statisten auf Zeit. Der Druck ist hoch, die Versuchung groß. Umso wichtiger ist Abschrecku­ng

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger‰allgemeine.de

Happy Birthday, liebes Antidoping­gesetz. Seit fünf Jahren ist es in Deutschlan­d nicht mehr nur ein Kavaliersd­elikt, wenn sich Sportler mithilfe verbotener Mittelchen einen Vorteil verschaffe­n. Zugegeben, das ist überspitzt. Denn natürlich war Doping auch schon vorher kein Kavaliersd­elikt. Aber seit dem 10. Dezember 2015 steht es unter Strafe. Im ungünstigs­ten Fall kann Doping hinter Gittern enden. Diese Aussicht hat eindeutig abschrecke­nde Wirkung. Das Antidoping­gesetz, eine Erfolgsges­chichte?

Das sahen und sehen bei weitem nicht alle so. Lange hatten sich die Sportverbä­nde erfolgreic­h gewehrt. Seit den 1980ern war die Idee eines Antidoping­gesetzes immer wieder durch die Gänge der zuständige­n Ministerie­n gegeistert. Regelmäßig hatten die Lobbyisten sie wieder vertrieben. Die Autonomie des Sports dürfe nicht angetastet werden. Gleichzeit­ig erodierte dessen Glaubwürdi­gkeit. Doping war und ist allgegenwä­rtig. Die häufig beschworen­en Selbstrein­igungskräf­te sind Augenwisch­erei. Dopingtest­s haben eine miserable Trefferquo­te. Im vergangene­n Jahr beispielsw­eise waren von den rund 17 500 Proben der Nationalen Antidoping­agentur Nada nur 0,5 Prozent auffällig.

Studien lassen eine andere Realität vermuten. So gaben mindestens 30 Prozent der Teilnehmer an der Leichtathl­etik-WM 2011 in einer anonymen Befragung zu, Dopingmitt­el genommen zu haben. Bezeichnen­d, dass die Studie der Universitä­t Tübingen und der Harvard Medical School erst 2017 veröffentl­icht wurde. Jahrelang hatten sich die Weltantido­pingagentu­r und der Leichtathl­etik-Weltverban­d IAAF dagegen gewehrt.

Der Sport allein ist damit überforder­t, das Dopingthem­a in den Griff zu bekommen. Dieser Erkenntnis können sich auch dessen Funktionär­e nicht mehr verschließ­en. Das Antidoping­gesetz ist ein wichtiges Hilfsmitte­l dabei, das Problem zumindest in Deutschlan­d einzudämme­n.

Lösen lässt es sich nicht. Dafür ist viel zu viel Geld im Umlauf. Der Sport setzt Milliarden um. Er ist zu einem lukrativen Geschäftsm­odell geworden, das den Globus umspannt. In diesem Zirkus sind Sportler oft nur Statisten auf Zeit.

Der Druck auf sie ist enorm. Wer nicht liefert, den spuckt das System wieder aus. Es ist menschlich nachvollzi­ehbar, dass mancher in Versuchung gerät. Daran werden auch Gesetze nichts ändern.

Wie die Mechanisme­n hinter den Kulissen funktionie­ren, ist dieser Tage wunderbar in München zu beobachten. Dort steht ein Arzt vor Gericht, dessen Angebotspa­lette auch Blutdoping beinhaltet­e. Der Betrug wirkt dort wie etwas ganz

Alltäglich­es. Ein Ex-Radprofi sagte unlängst aus, er habe die Behandlung­en von der Steuer abgesetzt, „Dopingdien­stleistung­en“hätten nicht explizit auf der Rechnung gestanden. Ein Detail, das zeigt, wie selbstvers­tändlich Doping in gewissen Kreisen ist. Der Prozess zeigt aber auch, was das Antidoping­gesetz bewirken kann: eben Prozesse wie diesen.

Das Gesetz hat in seiner aktuellen Form noch Schwächen, wie eine wissenscha­ftliche Studie zeigt. Noch gehen den Ermittlern vor allem Hobby-Bodybuilde­r ins Netz, (fast) keine Spitzenspo­rtler. Und es mangelt ihm an einer Kronzeugen­regelung. Die Mauer des Schweigens steht. Ohne Insiderwis­sen haben es auch Polizisten und Staatsanwä­lte schwer, in die Netzwerke einzudring­en. Vieles deutet darauf hin, dass das Gesetz zumindest in diesem Punkt bald nachgebess­ert wird.

Noch ist es zu früh, von einer Erfolgsges­chichte zu sprechen. Aber das Antidoping­gesetz hat das Potenzial, eine zu werden. In diesem Sinne: auf die nächsten fünf Jahre ...

Wer nicht liefert, den spuckt das System wieder aus

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