Scheuers nächstes Millionengrab?
Hintergrund Eine neue Gesellschaft soll die Sanierung und den Neubau von Autobahnen schneller und effizienter organisieren. Anfang des Jahres nimmt sie ihre Arbeit auf. In der Aufbauphase allerdings sind vor allem die Kosten ins Kraut geschossen
Augsburg Der Streit um die Kosten der gescheiterten Pkw-Maut ist noch nicht ausgestanden, da droht Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), sich bereits in einem neuen kostspieligen Abenteuer zu verstricken: Der Aufbau eines bundeseigenen Unternehmens für Planung, Unterhalt und Finanzierung der Autobahnen wird offenbar deutlich teurer als erwartet. Kalkuliert hatte Scheuer für die neue Autobahn GmbH mit anfänglichen Ausgaben von 41 Millionen Euro – nach einer Übersicht seines Ministeriums, die unserer Redaktion vorliegt, hat die Neuorganisation allerdings schon 325 Millionen Euro verschlungen, darunter alleine mehr als 38 Millionen Euro an Beraterhonoraren.
Eine Anfrage nach den Gründen dafür ließ das Verkehrsministerium am Mittwoch unbeantwortet. Eine Ministeriumssprecherin betonte lediglich: „Die Reform der Bundesfernstraßenverwaltung ist eine der größten infrastrukturpolitischen Reformen in der Geschichte der Bundesrepublik.“Dazu müsse die Autobahn GmbH auch mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden. Scheuer selbst hat bisher nur eingeräumt, dass Beraterverträge „aus dem Ruder gelaufen“seien.
„Andreas Scheuer hat die Reform der Autobahn-Verwaltung gegen die Wand gefahren“, kritisiert dagegen der Verkehrsexperte der Grünen, Sven-Christian Kindler. Die großspurigen Versprechungen von mehr Effizienz waren nichts anderes als Luftblasen, die nun zerplatzen“, betonte Kindler gegenüber unserer Redaktion. „Die Einzigen, die von der Reform wirklich profitieren, sind derzeit die teuren Berater des Verkehrsministers. Für sie ist das Vorhaben ein wahrer Goldesel.“
Nach den hochtrabenden Ankündigungen aus dem Verkehrsministerium sei zu wenig geschehen, moniert auch der FDP-Abgeordnete Oliver Luksic. So drohe die Autobahn GmbH zum nächsten teuren Debakel für Scheuer zu werden. „Dabei ist es eigentlich eine gute Idee, Planung, Bau und Verwaltung der Autobahnen in einer Hand zu bündeln.“Der Minister aber habe
Reform versiebt: „Die Kosten dafür tragen wieder einmal die Bürger, sowohl als Verkehrsteilnehmer als auch als Steuerzahler.“Der Nördlinger CSU-Abgeordnete Ulrich Lange, selbst Mitglied im Aufsichtsrat der Autobahn GmbH, formuliert es etwas vorsichtiger: „Am Anfang kann es etwas ruckeln, aber insgesamt liegt die Reform im Zeitplan.“Alle Projekte würden nahtlos fortgeführt. Insgesamt kann die neue Gesellschaft etwa 5,5 Milliarden Euro im Jahr investieren.
Im Moment wird das etwa 13 200 Kilometer lange Autobahnnetz in Deutschland zwar durch den Bund finanziert, geplant und ausgeführt aber werden die jeweiligen Bau- und
dezentral durch die einzelnen Bundesländer und ihre Straßenbauverwaltungen. Vor allem Bauprojekte über Landesgrenzen hinweg erfordern in dieser Konstellation einen großen bürokratischen Aufwand. Mit der Reform sollen Finanzierung und Planung vom nächsten Jahr an einer Stelle konzentriert und effizienter organisiert werden – von eben jener Autobahn GmbH, mit zehn Niederlassungen, 41 Außenstellen und 189 Autobahnmeistereien das „Großhirn der deutschen Autobahnen“, wie Scheuer in der Euphorie der Gründungswochen schwärmte. Mit der größten Verwaltungsreform dieser Wahlperiode werde das Sysdie tem komplett neu geordnet, nämlich „effizient zentral organisiert und kompetent regional aufgestellt“.
Hat der Minister die Probleme bei seinem zweiten Prestigeprojekt nach der Pkw-Maut unterschätzt? In Österreich dauerte der Aufbau der staatlichen Autobahngesellschaft Asfinag mehr als 15 Jahre – in Deutschland dagegen soll die Autobahn GmbH keine drei Jahre nach ihrer Gründung im Januar das komplette Autobahnmanagement übernehmen. Noch allerdings fehlen ihr mehrere tausend Mitarbeiter, die Harmonisierung der vielen verschiedenen EDV-Systeme macht Probleme – und die Finanzierung auch. Gerade erst musste der HausModernisierungsarbeiten haltsausschuss des Bundestages 400 Millionen Euro zusätzlich für die neue Autobahn-Behörde bereitstellen, weil die Kosten für Planung und Verwaltung deutlich über den ursprünglichen Ansätzen liegen.
Am künftigen Domizil der Autobahn-Behörde hat der Bund jedenfalls nicht gespart. Für den Bürokomplex in Berlin-Mitte, der Ende nächsten Jahres fertiggestellt sein soll, zahlt die Autobahn-GmbH pro Quadratmeter 39,90 Euro kalt, inklusive Nebenkosten sind das rund 6,4 Millionen Euro im Jahr. „Das ist absolut inakzeptabel“, sagt der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel. Dazu kämen überzogene Gehälter für das Spitzenpersonal der neuen Gesellschaft.
Zahlen sind bisher zwar keine nach außen gedrungen, das Ministerium selbst aber hat bereits im Oktober „Unregelmäßigkeiten“bei den Gehältern für Spitzenkräfte eingeräumt, die von einem externen Prüfer untersucht würden. Auch der Tarifvertrag, den die AutobahnGmbH mit der Gewerkschaft Verdi und dem Beamtenbund geschlossen hat, liegt mit seinen höheren Eingruppierungen, einem vollen 13. Monatsgehalt und jährlichen Bonuszahlungen über dem Niveau des „normalen“Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst. Darüber hinaus hat die GmbH 14,4 Millionen Euro für Prämien bereitgestellt, mit denen Mitarbeitern vom Ingenieur bis zum Straßenmeister der Wechsel vom Landes- in den Bundesdienst zusätzlich versüßt werden soll.