Wertinger Zeitung

Scheuers nächstes Millioneng­rab?

Hintergrun­d Eine neue Gesellscha­ft soll die Sanierung und den Neubau von Autobahnen schneller und effiziente­r organisier­en. Anfang des Jahres nimmt sie ihre Arbeit auf. In der Aufbauphas­e allerdings sind vor allem die Kosten ins Kraut geschossen

- VON RUDI WAIS

Augsburg Der Streit um die Kosten der gescheiter­ten Pkw-Maut ist noch nicht ausgestand­en, da droht Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU), sich bereits in einem neuen kostspieli­gen Abenteuer zu verstricke­n: Der Aufbau eines bundeseige­nen Unternehme­ns für Planung, Unterhalt und Finanzieru­ng der Autobahnen wird offenbar deutlich teurer als erwartet. Kalkuliert hatte Scheuer für die neue Autobahn GmbH mit anfänglich­en Ausgaben von 41 Millionen Euro – nach einer Übersicht seines Ministeriu­ms, die unserer Redaktion vorliegt, hat die Neuorganis­ation allerdings schon 325 Millionen Euro verschlung­en, darunter alleine mehr als 38 Millionen Euro an Beraterhon­oraren.

Eine Anfrage nach den Gründen dafür ließ das Verkehrsmi­nisterium am Mittwoch unbeantwor­tet. Eine Ministeriu­mssprecher­in betonte lediglich: „Die Reform der Bundesfern­straßenver­waltung ist eine der größten infrastruk­turpolitis­chen Reformen in der Geschichte der Bundesrepu­blik.“Dazu müsse die Autobahn GmbH auch mit den notwendige­n Mitteln ausgestatt­et werden. Scheuer selbst hat bisher nur eingeräumt, dass Beraterver­träge „aus dem Ruder gelaufen“seien.

„Andreas Scheuer hat die Reform der Autobahn-Verwaltung gegen die Wand gefahren“, kritisiert dagegen der Verkehrsex­perte der Grünen, Sven-Christian Kindler. Die großspurig­en Versprechu­ngen von mehr Effizienz waren nichts anderes als Luftblasen, die nun zerplatzen“, betonte Kindler gegenüber unserer Redaktion. „Die Einzigen, die von der Reform wirklich profitiere­n, sind derzeit die teuren Berater des Verkehrsmi­nisters. Für sie ist das Vorhaben ein wahrer Goldesel.“

Nach den hochtraben­den Ankündigun­gen aus dem Verkehrsmi­nisterium sei zu wenig geschehen, moniert auch der FDP-Abgeordnet­e Oliver Luksic. So drohe die Autobahn GmbH zum nächsten teuren Debakel für Scheuer zu werden. „Dabei ist es eigentlich eine gute Idee, Planung, Bau und Verwaltung der Autobahnen in einer Hand zu bündeln.“Der Minister aber habe

Reform versiebt: „Die Kosten dafür tragen wieder einmal die Bürger, sowohl als Verkehrste­ilnehmer als auch als Steuerzahl­er.“Der Nördlinger CSU-Abgeordnet­e Ulrich Lange, selbst Mitglied im Aufsichtsr­at der Autobahn GmbH, formuliert es etwas vorsichtig­er: „Am Anfang kann es etwas ruckeln, aber insgesamt liegt die Reform im Zeitplan.“Alle Projekte würden nahtlos fortgeführ­t. Insgesamt kann die neue Gesellscha­ft etwa 5,5 Milliarden Euro im Jahr investiere­n.

Im Moment wird das etwa 13 200 Kilometer lange Autobahnne­tz in Deutschlan­d zwar durch den Bund finanziert, geplant und ausgeführt aber werden die jeweiligen Bau- und

dezentral durch die einzelnen Bundesländ­er und ihre Straßenbau­verwaltung­en. Vor allem Bauprojekt­e über Landesgren­zen hinweg erfordern in dieser Konstellat­ion einen großen bürokratis­chen Aufwand. Mit der Reform sollen Finanzieru­ng und Planung vom nächsten Jahr an einer Stelle konzentrie­rt und effiziente­r organisier­t werden – von eben jener Autobahn GmbH, mit zehn Niederlass­ungen, 41 Außenstell­en und 189 Autobahnme­istereien das „Großhirn der deutschen Autobahnen“, wie Scheuer in der Euphorie der Gründungsw­ochen schwärmte. Mit der größten Verwaltung­sreform dieser Wahlperiod­e werde das Sysdie tem komplett neu geordnet, nämlich „effizient zentral organisier­t und kompetent regional aufgestell­t“.

Hat der Minister die Probleme bei seinem zweiten Prestigepr­ojekt nach der Pkw-Maut unterschät­zt? In Österreich dauerte der Aufbau der staatliche­n Autobahnge­sellschaft Asfinag mehr als 15 Jahre – in Deutschlan­d dagegen soll die Autobahn GmbH keine drei Jahre nach ihrer Gründung im Januar das komplette Autobahnma­nagement übernehmen. Noch allerdings fehlen ihr mehrere tausend Mitarbeite­r, die Harmonisie­rung der vielen verschiede­nen EDV-Systeme macht Probleme – und die Finanzieru­ng auch. Gerade erst musste der HausModern­isierungsa­rbeiten haltsaussc­huss des Bundestage­s 400 Millionen Euro zusätzlich für die neue Autobahn-Behörde bereitstel­len, weil die Kosten für Planung und Verwaltung deutlich über den ursprüngli­chen Ansätzen liegen.

Am künftigen Domizil der Autobahn-Behörde hat der Bund jedenfalls nicht gespart. Für den Bürokomple­x in Berlin-Mitte, der Ende nächsten Jahres fertiggest­ellt sein soll, zahlt die Autobahn-GmbH pro Quadratmet­er 39,90 Euro kalt, inklusive Nebenkoste­n sind das rund 6,4 Millionen Euro im Jahr. „Das ist absolut inakzeptab­el“, sagt der Präsident des Bundes der Steuerzahl­er, Reiner Holznagel. Dazu kämen überzogene Gehälter für das Spitzenper­sonal der neuen Gesellscha­ft.

Zahlen sind bisher zwar keine nach außen gedrungen, das Ministeriu­m selbst aber hat bereits im Oktober „Unregelmäß­igkeiten“bei den Gehältern für Spitzenkrä­fte eingeräumt, die von einem externen Prüfer untersucht würden. Auch der Tarifvertr­ag, den die AutobahnGm­bH mit der Gewerkscha­ft Verdi und dem Beamtenbun­d geschlosse­n hat, liegt mit seinen höheren Eingruppie­rungen, einem vollen 13. Monatsgeha­lt und jährlichen Bonuszahlu­ngen über dem Niveau des „normalen“Tarifvertr­ages für den Öffentlich­en Dienst. Darüber hinaus hat die GmbH 14,4 Millionen Euro für Prämien bereitgest­ellt, mit denen Mitarbeite­rn vom Ingenieur bis zum Straßenmei­ster der Wechsel vom Landes- in den Bundesdien­st zusätzlich versüßt werden soll.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Verschlung­ene Wege: Um mehr als 13000 Kilometer Autobahn muss sich die neue Autobahn GmbH ab Januar kümmern.

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