Wertinger Zeitung

Alles ohne Abgase

Mobilität Wie die EU Autos, Bahnen, Schiffe und Flugzeuge emissionsf­rei machen will

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Für dieses Konzept wäre die Europäisch­e Kommission noch bis vor kurzem bestenfall­s belächelt worden. Denn nahezu alles, was Vizepräsid­ent Frans Timmermans ankündigte, galt – und gilt? – als unerreichb­ar oder nicht machbar. Bis 2030 sollen auf Europas Straßen mindestens 30 Millionen emissionsf­reie Pkw unterwegs sein – vier Mal so viele wie heute weltweit. 100 der großen Städte sollen in zehn Jahren klimaneutr­al werden. Bisher schafft keine diese Schwelle. Das Netz für Hochgeschw­indigkeits­züge wie ICE oder TGV will die Behörde verdoppeln. Wer zahlt das? Keine Antwort.

Linienverk­ehr auf Entfernung­en bis 500 Kilometer muss klimaneutr­al verlaufen – von Frankfurt aus wäre dies de facto jede inländisch­e Zugverbind­ung. Binnenschi­ffer sowie die Reeder von Kreuzfahrt­oder Container-Riesen können nur noch emissionsf­reie Schiffe kaufen.

Bis 2035 erwartet die EU-Kommission von Airbus, Boeing und anderen Flugzeughe­rstellern emissionsf­reie Maschinen. Bis 2050 sollen alle Pkw, Lkw und Busse emissionsf­rei unterwegs sein. „Die heutige Strategie wird die Art und Weise, wie Menschen und Güter in Europa befördert werden, verändern“, erklärte Timmermans. Verkehrsko­mmissarin Adina Valean ergänzte:

„Mithilfe der Digitalisi­erung können wir die Art und Weise, wie wir uns bewegen, revolution­ieren.“Bleibt nur noch die Frage, ob diese Strategie mehr als ein weihnachtl­icher Wunschzett­el bleibt?

Für die Kommission ist der Verkehr einer der Schlüssels­ektoren, um das große Ziel der Klimaneutr­alität bis 2050 zu erreichen. In diesem Sektor müssten Emissionen daher um 90 Prozent reduziert werden. Am Donnerstag sollen die EUStaatsun­d Regierungs­chefs beschließe­n, den Ausstoß der Klimagase schon bis 2030 um 55 oder 60 Prozent abzubauen. Bisher hatte man sich auf 40 Prozent verständig­t.

Trotzdem sind nicht alle mit den Plänen der EU-Kommission zufrieden. Es gibt reichlich Kritik: Aus den Kreisen der Christdemo­kraten im EU-Parlament hieß es, der Entwurf sei wohl „von Umweltexpe­rten anstatt von Verkehrsex­perten verfasst worden“. Vieles sei „zu grün und zu vage“. Ähnlich äußerten sich auch andere Fraktionen. Und nicht einmal den Umweltschu­tzorganisa­tionen wie Greenpeace erschien der Vorstoß genug. In der Tat: Brüssel setzt teilweise auf Projekte, von denen nicht klar ist, ob die dafür notwendige Infrastruk­tur innerhalb der kurzen Zeit überhaupt installier­t werden kann – etwa emissionsf­reie Flughäfen, Häfen oder Schienenst­recken.

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