Wie geht es mit Osram weiter?
Fusion Der österreichische Sensor-Spezialist AMS hat die Macht bei Osram und tauscht den Chef Olaf Berlien aus. Die Belegschaft ist verunsichert
Augsburg „Tausend Ideen für Osram“hatte Olaf Berlien Ende Oktober angeblich noch. Er hat nur keine Zeit mehr, diese umzusetzen. Denn der Noch-Vorstandsvorsitzende der Osram Licht AG wird Ende Februar das Unternehmen verlassen und durch den AMS-Finanzvorstand Ingo Bank ersetzt. Als dies vergangene Woche bekannt wurde, war auch dem Letzten klar, dass der österreichische Sensor-Hersteller AMS endgültig die Macht beim Münchener Traditionshaus übernommen hat. Bis zu seinem Abschied müsste Berlien wöchentlich eine ganze Menge Ideen abarbeiten. Dabei ist die Frage doch, was er jetzt überhaupt noch entscheiden darf?
Ende November hatten die Aktionäre dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zugestimmt. Zwar war schon damit die Schlagzeilen machende Übernahmeschlacht des vergangenen Jahres formal endgültig erledigt, aber mit dem angekündigten Wechsel an der Osram-Spitze sind die alten Zeiten definitiv Geschichte. Denn es geht nicht nur um Berlien. Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Peter Bauer räumt bereits kommende Woche seinen Posten. Auf ihn folgt Thomas Stockmeier, ebenfalls AMS-Vorstand.
Wie viele Ideen die beiden Neuen wohl haben? Und vor allem welche? Das fragt sich auch Klaus Abel. Der Gewerkschafter sitzt für die IG Metall im Osram-Aufsichtsrat. Er bewertet die Situation von Osram weiter als „kritisch“. „Wir konnten in den Verhandlungen nicht durchsetzen, dass wir tarifliche Regelungen für die Osram-Mitarbeiter bekommen. Aber wir haben die Absichtserklärung von AMS, was die Standortsicherung und den Kündigungsschutz betrifft.“Sprich: In der Zusammenschlussvereinbarung hatte AMS Zusagen für die Mitarbeiter und Produktionsstätten von Osram, insbesondere in Deutschland, gemacht. So wurden fusionsbedingte Kündigungen bis Ende 2022 ausgeschlossen. Abel betonte im Gespräch mit unserer Redaktion: „Jetzt wird es darauf ankommen, dass AMS sich an die Absichtserklärung hält.“Es komme jetzt auf einen konstruktiven Dialog an. Eine der großen Sorgen sei laut Abel nach wie vor, dass der Sensorik-Spezialist AMS die Automotive- und die Digital-Sparte von Osram verkaufen könnte.
Eine AMS-Sprecherin sagte dazu auf Anfrage: „Um mögliche Spekulationen zu vermeiden, wiederholen wir gern, dass es unser Ziel ist, das Automotive-Geschäft von Osram als wichtigen Teil des gemeinsamen Unternehmens weiter zu entwickeln.“Ferner werde AMS, „gemeinsam mit Osram und wie mit Osram vereinbart“, in der DigitalSparte die Geschäftsfelder daraufhin prüfen, „inwieweit sie mit unserer Unternehmensstrategie übereinstimmen“.
Der Abgang von Berlien wirkt auf Abel allerdings nicht gerade wie eine vertrauensbildende Maßnahme. Er fragt sich: „Inwiefern gilt das, was gesagt wurde, noch? Berlien hatte noch tausend Ideen. Und jetzt?“Faktisch würden doch schon jetzt die Entscheidungen „sicher nicht mehr von Berlien allein getroffen, AMS hat bereits jetzt faktisch bestimmenden Einfluss“, sagt Abel und fügt hinzu: „Es gibt eine große Verunsicherung in der Belegschaft. Denn es gehen zwei Personen, die für Osram stehen.“Das letzte so schwierige Jahr habe jedenfalls die „Gemeinschaft der Beschäftigten, Betriebsräte und der IG Metall gestärkt“. Sollte sich AMS nicht an die Abmachungen halten, „sind wir entschieden, uns zu wehren, denn die Beschäftigten sind stolz auf ihre Produkte“.
Die Aktionärsschützerin Daniela
Bergdolt zeigte sich – auch wegen seiner jüngsten Interviewaussagen – „überrascht“davon, dass Berlien ersetzt wird. Sie habe ihn als einen Vorstandsvorsitzenden erlebt, der Ideen, der Empathie habe und dem es „nicht nur um die Zahlen, sondern auch um die Menschen geht“. Inwieweit das auch auf Nachfolger Bank zutreffe, müsse sich erst noch zeigen. Die Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierschutz hatte auf der Hauptversammlung im November die Zustimmung zu dem Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag als „traurigen Tag für die Osram-Aktionäre“kommentiert. Osram werde vollständig von AMS abhängig, was „ein Jammer“sei. Im Gespräch mit unserer Redaktion empfahl sie den neuen Machthabern, sich an die bei der Übernahme gemachten Zusagen zu halten: „Das kann ich AMS nur raten. Denn auch bei Osram produzieren Menschen, nicht Maschinen. Wenn man die Menschen nicht mitnimmt, wird es schwierig.“Zugleich allerdings sieht die Fachanwältin für Bankund
Kapitalmarktrecht Osram „in einer hervorragenden Ausgangsposition“. Der Konzern, so Bergdolt weiter, „müsse jetzt in die Hände spucken, sich auf das LED-Leuchten-Geschäft fokussieren und daraus etwas machen“. Osram habe die Zukunft selbst in der Hand. Nur bedeute das eben auch, dass man diese ganz schnell verspielen könne.
Heute vor genau einem Jahr hatte AMS mitgeteilt, dass man 59,3 Prozent der Anteile von Osram halte. Damit war klar, dass die Österreicher den zähen Übernahmekampf doch gewonnen hatten. Inzwischen hält der deutlich kleinere Konzern mit Sitz in Premstätten über 70 Prozent der Osram-Aktien.
Beide Unternehmen hatten zuletzt mitgeteilt, im vergangenen Quartal rote Zahlen geschrieben zu haben, wobei die AMS-Zahlen erstmals auch die Ergebnisse der Münchener Tochter beinhalteten.
Ein paar Ideen werden auch künftig nicht schaden, um das Unternehmen in eine bessere Zukunft zu führen. Es müssen ja nicht gleich tausend sein.