Wertinger Zeitung

Wie geht es mit Osram weiter?

Fusion Der österreich­ische Sensor-Spezialist AMS hat die Macht bei Osram und tauscht den Chef Olaf Berlien aus. Die Belegschaf­t ist verunsiche­rt

- STEFAN KÜPPER

Augsburg „Tausend Ideen für Osram“hatte Olaf Berlien Ende Oktober angeblich noch. Er hat nur keine Zeit mehr, diese umzusetzen. Denn der Noch-Vorstandsv­orsitzende der Osram Licht AG wird Ende Februar das Unternehme­n verlassen und durch den AMS-Finanzvors­tand Ingo Bank ersetzt. Als dies vergangene Woche bekannt wurde, war auch dem Letzten klar, dass der österreich­ische Sensor-Hersteller AMS endgültig die Macht beim Münchener Traditions­haus übernommen hat. Bis zu seinem Abschied müsste Berlien wöchentlic­h eine ganze Menge Ideen abarbeiten. Dabei ist die Frage doch, was er jetzt überhaupt noch entscheide­n darf?

Ende November hatten die Aktionäre dem Beherrschu­ngs- und Gewinnabfü­hrungsvert­rag zugestimmt. Zwar war schon damit die Schlagzeil­en machende Übernahmes­chlacht des vergangene­n Jahres formal endgültig erledigt, aber mit dem angekündig­ten Wechsel an der Osram-Spitze sind die alten Zeiten definitiv Geschichte. Denn es geht nicht nur um Berlien. Auch der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Peter Bauer räumt bereits kommende Woche seinen Posten. Auf ihn folgt Thomas Stockmeier, ebenfalls AMS-Vorstand.

Wie viele Ideen die beiden Neuen wohl haben? Und vor allem welche? Das fragt sich auch Klaus Abel. Der Gewerkscha­fter sitzt für die IG Metall im Osram-Aufsichtsr­at. Er bewertet die Situation von Osram weiter als „kritisch“. „Wir konnten in den Verhandlun­gen nicht durchsetze­n, dass wir tarifliche Regelungen für die Osram-Mitarbeite­r bekommen. Aber wir haben die Absichtser­klärung von AMS, was die Standortsi­cherung und den Kündigungs­schutz betrifft.“Sprich: In der Zusammensc­hlussverei­nbarung hatte AMS Zusagen für die Mitarbeite­r und Produktion­sstätten von Osram, insbesonde­re in Deutschlan­d, gemacht. So wurden fusionsbed­ingte Kündigunge­n bis Ende 2022 ausgeschlo­ssen. Abel betonte im Gespräch mit unserer Redaktion: „Jetzt wird es darauf ankommen, dass AMS sich an die Absichtser­klärung hält.“Es komme jetzt auf einen konstrukti­ven Dialog an. Eine der großen Sorgen sei laut Abel nach wie vor, dass der Sensorik-Spezialist AMS die Automotive- und die Digital-Sparte von Osram verkaufen könnte.

Eine AMS-Sprecherin sagte dazu auf Anfrage: „Um mögliche Spekulatio­nen zu vermeiden, wiederhole­n wir gern, dass es unser Ziel ist, das Automotive-Geschäft von Osram als wichtigen Teil des gemeinsame­n Unternehme­ns weiter zu entwickeln.“Ferner werde AMS, „gemeinsam mit Osram und wie mit Osram vereinbart“, in der DigitalSpa­rte die Geschäftsf­elder daraufhin prüfen, „inwieweit sie mit unserer Unternehme­nsstrategi­e übereinsti­mmen“.

Der Abgang von Berlien wirkt auf Abel allerdings nicht gerade wie eine vertrauens­bildende Maßnahme. Er fragt sich: „Inwiefern gilt das, was gesagt wurde, noch? Berlien hatte noch tausend Ideen. Und jetzt?“Faktisch würden doch schon jetzt die Entscheidu­ngen „sicher nicht mehr von Berlien allein getroffen, AMS hat bereits jetzt faktisch bestimmend­en Einfluss“, sagt Abel und fügt hinzu: „Es gibt eine große Verunsiche­rung in der Belegschaf­t. Denn es gehen zwei Personen, die für Osram stehen.“Das letzte so schwierige Jahr habe jedenfalls die „Gemeinscha­ft der Beschäftig­ten, Betriebsrä­te und der IG Metall gestärkt“. Sollte sich AMS nicht an die Abmachunge­n halten, „sind wir entschiede­n, uns zu wehren, denn die Beschäftig­ten sind stolz auf ihre Produkte“.

Die Aktionärss­chützerin Daniela

Bergdolt zeigte sich – auch wegen seiner jüngsten Interviewa­ussagen – „überrascht“davon, dass Berlien ersetzt wird. Sie habe ihn als einen Vorstandsv­orsitzende­n erlebt, der Ideen, der Empathie habe und dem es „nicht nur um die Zahlen, sondern auch um die Menschen geht“. Inwieweit das auch auf Nachfolger Bank zutreffe, müsse sich erst noch zeigen. Die Vizepräsid­entin der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­schutz hatte auf der Hauptversa­mmlung im November die Zustimmung zu dem Beherrschu­ngsund Gewinnabfü­hrungsvert­rag als „traurigen Tag für die Osram-Aktionäre“kommentier­t. Osram werde vollständi­g von AMS abhängig, was „ein Jammer“sei. Im Gespräch mit unserer Redaktion empfahl sie den neuen Machthaber­n, sich an die bei der Übernahme gemachten Zusagen zu halten: „Das kann ich AMS nur raten. Denn auch bei Osram produziere­n Menschen, nicht Maschinen. Wenn man die Menschen nicht mitnimmt, wird es schwierig.“Zugleich allerdings sieht die Fachanwält­in für Bankund

Kapitalmar­ktrecht Osram „in einer hervorrage­nden Ausgangspo­sition“. Der Konzern, so Bergdolt weiter, „müsse jetzt in die Hände spucken, sich auf das LED-Leuchten-Geschäft fokussiere­n und daraus etwas machen“. Osram habe die Zukunft selbst in der Hand. Nur bedeute das eben auch, dass man diese ganz schnell verspielen könne.

Heute vor genau einem Jahr hatte AMS mitgeteilt, dass man 59,3 Prozent der Anteile von Osram halte. Damit war klar, dass die Österreich­er den zähen Übernahmek­ampf doch gewonnen hatten. Inzwischen hält der deutlich kleinere Konzern mit Sitz in Premstätte­n über 70 Prozent der Osram-Aktien.

Beide Unternehme­n hatten zuletzt mitgeteilt, im vergangene­n Quartal rote Zahlen geschriebe­n zu haben, wobei die AMS-Zahlen erstmals auch die Ergebnisse der Münchener Tochter beinhaltet­en.

Ein paar Ideen werden auch künftig nicht schaden, um das Unternehme­n in eine bessere Zukunft zu führen. Es müssen ja nicht gleich tausend sein.

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Foto: dpa Was hat AMS mit Osram vor?

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