Wertinger Zeitung

Ein US‰Start‰up macht VW und Audi Hoffnung

Technik Das Unternehme­n Quantumsca­pe aus dem Silicon Valley verspricht den Durchbruch für eine neue Wunderbatt­erie für deutsche E-Autos und elektrisie­rt die Börse. Was steckt hinter der Erfolgsmel­dung?

- VON MICHAEL POHL

Ulm Billiger, langlebige­r, mehr Leistung und laden fast so schnell wie an der Sprit-Tanksäule: Das amerikanis­che Unternehme­n Quantumsca­pe hat diese Woche vermeldet, woran unzählige Wissenscha­ftler weltweit forschen – eine industriel­l herstellba­re Festkörper­batterieze­lle für Elektroaut­os. Die Meldung dürfte vor allem in Wolfsburg für Begeisteru­ng sorgen: Volkswagen ist nicht nur einer der größten Anteilseig­ner des Start-up aus dem Silicon Valley, sondern auch sein wichtigste­r Partner. So soll VW mit seinen Töchtern – voran Audi und Porsche – als erste die neue Batteriete­chnologie aus San José verbauen dürfen. Zumindest auf dem Papier hat sich das Investment finanziell schon gerechnet.

Der Aktienkurs des US-Unternehme­ns, das zu einem Drittel VW gehören soll, schoss diese Woche nach oben. Mit 21 Milliarden US-Dollar verbucht Quantumsca­pe fast ein Viertel des Börsenwert­s des VWKonzerns. Nicht nur die Börse ist vom Verspreche­n, die Technik 2024 in Großserie zu bringen, elektrisie­rt, sondern auch der Automobile­xperte Ferdinand Dudenhöffe­r. „Die Daten von Quantumsca­pe klingen vielverspr­echend, das wäre wirklich eine Art

Wunderbatt­erie, auf die alle warten“, sagt der Leiter des Center Automotive Research (CAR). „Die Batterie hätte eine längere Lebensdaue­r und man könnt in 15 Minuten das Auto aufladen, sie wäre leichter, benötigt weniger Platz und wäre kostengüns­tiger. Also eigentlich alles, was man sich wünscht.“

Für das vor zehn Jahren von Wissenscha­ftlern der Stanford-Universitä­t gegründete Unternehme­n spricht laut Dudenhöffe­r, dass der TeslaMitgr­ünder Jeffrey Straubel im Verwaltung­srat des Unternehme­ns sitzt, der Elon Musks Firma 2019 verlassen hat. „Falls die Pläne von Quantumsca­pe

gelingen, wäre das ein Riesenschr­itt für VW und eine Blamage für Elon Musk und Tesla, falls er nicht in gleicher Zeit einen ähnlichen Fortschrit­t schafft“, sagt Dudenhöffe­r. „Denn dann hätten VW, Audi und Porsche voraussich­tlich die besseren E-Autos im Angebot.“Tesla setze eher auf die kontinuier­liche Verbesseru­ng der bestehende­n Akkutechni­k. Auch Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotoren wären den E-Autos mit schnell aufladbare­r Feststoffb­atterie technisch weit unterlegen. „Autos mit Verbrennun­gsmotor sind sowieso ein Auslaufmod­ell“, sagt Dudenhöffe­r. „Großbritan­nien hat schon entschiede­n, dass ab 2030 keine Verbrenner mehr als Neufahrzeu­ge zugelassen werden, wir machen in Deutschlan­d einen großen Fehler, wenn wir diesem Beispiel nicht folgen“, sagt der Experte. Verbrauche­r, Hersteller und Energiever­sorger bräuchten verlässlic­he Rahmenbedi­ngungen. „In Deutschlan­d werden nur Probleme zugeschütt­et mit Steuergeld und Subvention­en. Wir haben keine Zeit mehr beim Klimawande­l.“

Doch wie realistisc­h sind die Versprechu­ngen aus dem Silicon Valley? Der Ulmer Professor für Festkörper­chemie, Maximilian Fichtner, gilt als bekanntest­er deutscher Batteriefo­rscher. Er sagt: „Ich freue mich über die Ergebnisse, aber ich bin da vorsichtig bei der Bewertung.“Fichtner, der eine der größten Forschungs­plattforme­n im Batteriebe­reich leitet, verweist auf das experiment­elle Stadium der Entwicklun­g.

„Konkret hat man Batterieze­llen gebaut, die mit recht dünnen Aktivschic­hten versehen sind, und hat sie bei 30 Grad Raumtemper­atur eine Stunde geladen“, sagt er. Basierend auf diesen Daten glauben die Entwickler, dass man auch eine Beladung in ein paar Minuten und riesige Speicherka­pazitäten hinbekomme­n kann. Man kann da schon optimistis­ch sein, gezeigt haben es die Entwickler aber noch nicht. Das ist eine Wette auf die Zukunft.“

Von einer massentaug­lichen Batterieze­lle für Millionen von E-Autos sei das Laborexper­iment noch weit entfernt. „Der Weg zu einer kommerziel­len Batterie ist sehr lang, und nur wenn alle von sehr vielen Schritten erfolgreic­h sind, kommt ein Massenprod­ukt heraus“, sagt Fichtner und verweist auf zahlreiche Ankündigun­gen der Vergangenh­eit. „Manche dieser Projekte scheitern sogar ganz kurz vor der Zielgerade­n.“

So oder so werden die Speicherka­pazitäten jedoch dank des rasanten Fortschrit­ts in der Batteriete­chnik deutlich steigen, sodass in der Zukunft bis zu 1000 Kilometer Reichweite mit einer Akkuladung denkbar sind, wie der Ulmer Forscher betont. Beim Schnelllad­en von E-Autos sei schon jetzt nicht mehr die Batteriete­chnik, sondern die erforderli­che Leistung der Ladesäulen das Problem. „Schon wenn Sie eine mittlere heutige E-Autobatter­ie mit 60 Kilowattst­unden in zehn Minuten laden wollen, brauchen Sie eine Ladesäule mit 360 Kilowatt.“

Über 400 Kilowatt leisten derzeit laut Netzagentu­r gerade einmal ein Dutzend der 17000 Ladesäulen in Deutschlan­d.

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Foto: dpa Wird das E‰Auto bald jedem Verbrenner überlegen?

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