Wertinger Zeitung

Das Rätsel um Ex‰König Juan Carlos

Exil Die Spanier haben mit ihrem früheren Monarchen gebrochen. Der tauchte vor vier Monaten unter, weil die Justiz gegen ihn ermittelt. Jetzt könnte es in dem Drama eine Wende geben

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Er sei ein „König des Schwarzgel­des“gewesen, empören sich die Menschen auf der Straße. Die spanische Satirezeit­schrift El Jueves zeigte auf dem Titelblatt eine Karikatur, auf der Juan Carlos I. sich mit Reisetasch­en voller Geld aus dem Staub macht. Unterdesse­n werden in immer mehr Städten Ehrenplake­tten und Straßensch­ilder abmontiert, auf denen der Name des Ex-Monarchen prangt. Begründung: Juan Carlos sei heute kein beispielha­fter Bürger mehr.

Vor vier Monaten ist der König im Ruhestand, der 2014 die Krone an seinen Sohn Felipe VI. übergeben hatte, im Ausland untergetau­cht. Wie ein Dieb war Juan Carlos über Nacht aus dem Palast in Madrid verschwund­en. Inzwischen weiß man, dass er damals mit einem Privatjet nach Abu Dhabi in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten geflogen war.

Seitdem wurde der 82-Jährige, gegen den zu Hause wegen unsauberer Geschäfte ermittelt wird, nicht mehr gesehen. Auch öffentlich­e Erklärunge­n gibt es nicht. Das spanische Königshaus schweigt. Und der Sicherheit­sapparat der Arabischen Emirate, in denen es keine freie Presse gibt, sorgt ebenfalls dafür, dass keine unerwünsch­ten Informatio­nen an die Öffentlich­keit dringen.

Entspreche­nd brodelt es in der Gerüchtekü­che. Erst hieß es, Juan Carlos habe sich in einem LuxusHotel in Abu Dhabi eingemiete­t, wo er eine Suite bewohne, die rund 6000 Euro pro Nacht koste. Nun will Spaniens größte Zeitung El País erfahren haben, dass der alte König

Einladung der in den Emiraten regierende­n Herrscherf­amilie Al Nahyan in einem der vielen Paläste des Al-Nahyan-Clans lebe.

Spaniens Hofpresse berichtet, dass sich Juan Carlos, der schon seit Jahren an Krücken läuft, in seinem Luxusdomiz­il die Zeit mit Rehabilita­tion vertreibt. Auch von Heimweh des kränkelnde­n Ex-Monarchen ist die Rede. Und dass er Weihnachte­n gerne zu Hause feiern würde.

Doch womöglich ist Ihre Hoheit im Wüstenpara­dies Abu Dhabi gar nicht so einsam. Königshaus­expertin Pilar Eyre geht davon aus, dass sich Juan Carlos nicht allein in Abu Dhabi aufhält, sondern von einer „treuen Freundin“begleitet wird. Klar scheint, dass es sich dabei nicht um Corinna zu Sayn-Wittgenste­in, die berühmtest­e „amiga“des Schürzenjä­gers Juan Carlos, handelt.

In Spanien laufen drei Ermittlung­sverfahren gegen den Mann, der zwischen 1975 und 2014 königliche­s Staatsober­haupt war. Dabei geht es um geheime Auslandsko­nten in Finanzoase­n, in denen Millionen aus zweifelhaf­ten Quellen lagern. Dies nährt den Verdacht der Korruption, Geldwäsche und des Steuauf erbetrugs. Auch andere Mitglieder der Royals sollen von den Schwarzgel­dern profitiert haben.

Eine formelle Anklage gibt es noch nicht. Spaniens Justiz lässt sich Zeit. Das Leben des Ex-Monarchen galt bisher als Tabu. Was vermutlich dazu beitrug, dass mehrere Vaterschaf­tsklagen und schon jahrelang kursierend­e Hinweise auf illegale Aktivitäte­n in den Schubladen verstaubte­n.

Juan Carlos’ Anwälte tun derweil alles, damit dies auch so bleibt. El País berichtet, dass sie derzeit mit dem Fiskus und der Staatsanwa­ltschaft über eine hohe Steuernach­zahlung verhandeln – offenbar in der Hoffnung, ihren Mandanten so vor der Anklageban­k zu bewahren.

Eine Einstellun­g der Ermittlung­en könnte eine Tür für die Rückkehr des Altkönigs öffnen. „Er hat Angst, in der Ferne zu sterben“, heißt es aus seiner Umgebung. Doch hinsichtli­ch einer Heimkehr hat auch Felipe VI. ein Wörtchen mitzureden. Denn sein Vater ist zur Belastung für die Monarchie geworden. Umfragen zufolge können sich immer mehr Spanier vorstellen, in einer Republik mit einem gewählten Staatspräs­identen zu leben. Vor diesem Hintergrun­d hält sich bei vielen Menschen die Traurigkei­t über Juan Carlos’ Abwesenhei­t in Grenzen.

Letzteres scheint sogar für Altkönigin Sofía, 82, zu gelten, die schon seit vielen Jahren von Juan Carlos getrennt lebt. Sie weint ihm offenbar keine Träne nach. Als sie jüngst gefragt wurde, ob sie Kontakt zu ihm habe, antwortete Sofía gut gelaunt: „Mein Gott, was für Fragen!“Von Sehnsucht keine Spur.

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Foto: David Fernandez, Imago Images „Er hat Angst, in der Ferne zu sterben“, heißt es aus der Umgebung des früheren spa‰ nischen Königs Juan Carlos.

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