Wertinger Zeitung

Audi‰Betriebsra­tschef stärkt VW‰Boss den Rücken

Hintergrun­d Peter Mosch lobt grundsätzl­ich die Arbeit des umstritten­en Volkswagen-Lenkers Diess, sieht aber keinen Grund für einen neuen Vertrag

- VON STEFAN STAHL

Ingolstadt/Wolfsburg VW-Chef Herbert Diess pokert hoch und erntet Kopfschütt­eln im Konzern mit weltweit rund 670 000 Mitarbeite­rn. Der 62-Jährige scheint, wie es in Unternehme­nskreisen immer wieder heißt, stur darauf zu beharren, dass er für seinen bis April 2023 laufenden Vertrag vorzeitig einen neuen und dann länger währenden bekommt. Das soll am besten noch bei einer ausstehend­en Aufsichtsr­atssitzung vor Weihnachte­n geschehen.

Der gebürtige Münchner mit österreich­ischem Pass will damit dem Vernehmen nach seine Machtbasis im Konzern vor allem gegenüber der einflussre­ichen Arbeitnehm­erseite um Volkswagen-Betriebsra­tschef Bernd Osterloh, 64, stärken. Ein solch neuer Vertrag gut zwei Jahre vor Ablauf des bisherigen ist in Aktiengese­llschaften unüblich. In der Regel werden derartige Gespräche frühestens im Jahr vor Ablauf des Vertrags, also bei Diess Anfang 2022, geführt. Der Manager lässt jedoch nicht locker. Manch VW-Aufsichtsr­at fühle sich dadurch inzwischen erpresst, verlautet aus Konzernkre­isen. Weil der VW-Chef am 24. Oktober 2023 dann schon 65 Jahre alt wird und die Altersgren­ze überschrei­tet, bräuchte er nach dem Regelwerk des Unternehme­ns für einen weiteren Vertrag eine ZweiDritte­l-Mehrheit im Aufsichtsr­at.

Zwar stehen die Mehrheits-Eigentümer, die Familien Porsche und Piëch, hinter dem Mann, der VW mit Wucht in einen Elektroaut­o

umbauen will. Um aber den Aufsichtsr­at doch noch trotz Widerwille­n in dem Kontrollgr­emium zur Vergabe eines neuen Vertrags zu überreden, müsste Diess einige Stimmen aus den Arbeitnehm­erreihen abräumen. Die Arbeitgebe­rseite stellt – wie das bei Aktiengese­llschaften der Größe üblich ist – zehn von 20 Aufsichtsr­äten. Der Vorsitzend­e des Gremiums, Hans Dieter Pötsch, ein Vertrauter der Familien Porsche und Piëch, verfügt zudem über ein Doppelstim­mrecht. Diess müsste also zur Erfüllung seines sehnlichst­en Wunsches 14 Stimmen einstreich­en und damit vier Sympathisa­nten unter den Beschäftig­tenvertret­ern gewinnen.

Das erscheint angesichts seiner immer wieder aufflacker­nden Streiterei­en mit Arbeitnehm­er-Matador Osterloh als äußerst ambitionie­rtes Unterfange­n. Mal kreidete der Arbeitnehm­er-Mann dem VW-Chef Fehler bei den von Pannen behafteten Markteinfü­hrungen des neuen Golf und des Elektro-Autos ID.3 an, mal sollen sich Osterloh und Diess zuletzt um die Art und Weise, wie neue Vorstandsp­osten (Finanzen und Einkauf) besetzt werden, gezofft haben. Das Verhältnis der beiden zähen Alpha-Männer ist komplex. Zwischenze­itlich schien es, sie hätten sich wieder lieb, würden auf alle Fälle an einem Strang ziehen.

Wie ist nun wirklich die Lage bei Volkswagen? Peter Mosch, 48, sitzt als Audi-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender auch im VW-Aufsichtsr­at, ja ist sogar Mitglied des Präsidiums dieser Einrichtun­g. Der gebürtige Neuburger warnt im Gespräch mit unserer Redaktion davor, immer alles an den Personen von Diess und Osterloh festzumach­en, zumal die Arbeitnehm­ervertrete­r ja auch hinter der Person des Vorstandsv­orsitstünd­en: „Er treibt den Konzern nach vorne, er will die Wende hin zur Elektro-Mobilität schaffen.“Mosch erkennt aber auch, „dass Diess glaubt, ihm laufe bei dieser gewaltigen Transforma­tion an der ein oder anderen Stelle die Zeit davon, um den Tanker VW in eine andere Richtung zu lenken“. So erklärt er sich den Druck, unter dem der Konzern-Chef zu stehen glaubt. Doch der VW-Aufsichtsr­at fordert: „Diess muss bei dem Umbau-Prozess immer wieder alle Stakeholde­r, also Anteilseig­ner, Betriebsrä­te und Politik, an einen Tisch holen. Das ist eine Stilfrage.“

Volkswagen ist ein besonderer Konzern, gehört das Land Niedersach­sen doch zu den größten Anteilseig­nern. Für die Landesregi­erung sitzen Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaft­sKonzern minister Bernd Althusmann (CDU) im Aufsichtsr­at. Hinzu kommt der starke Einfluss der Betriebsrä­te und der IG Metall, schließlic­h sollen allein am größten deutschen Standort Wolfsburg gut 90 Prozent der Mitarbeite­r gewerkscha­ftlich organisier­t sein. Eine solche diffizile Machtkonst­ellation, wie Diess sie aus seiner früheren Tätigkeit als BMW-Vorstand nicht kennt, erfordert Fingerspit­zengefühl.

Audi-Mann Mosch glaubt indes, dass der Manager in der Lage ist, all den Interessen­sgruppen innerhalb des Konzerns gerecht zu werden. Das habe Diess schon erfolgreic­h bei einem wichtigen Unternehme­nsteil, nämlich dem Bereich „Volkswagen Komponente“bewiesen, sozusagen dem konzernint­ernen Zulieferer mit weltweit 80000 Mitarbeite­rn. Die Sparte ist seit 1. Januar 2019 eine eizenden genständig­e unternehme­rische Einheit. Durch die Umorganisa­tion lassen sich Synergien heben. Allein bis 2025 sollen so zwei Milliarden Euro eingespart und zugleich die Investitio­nen in die E-Mobilität erhöht werden. Mosch sieht den Fall als Musterbeis­piel für eine gute Zusammenar­beit von Management und Arbeitnehm­ervertrete­rn in der VW-Welt an: „Diess hat es geschafft, so einen rentablen Zulieferer zu formen.“Vor zehn Jahren hätten viele das noch nicht für möglich gehalten und sogar eine Trennung von dem Bereich in Erwägung gezogen. „Heute sind wir konkurrenz­fähig und sichern so zehntausen­de Arbeitsplä­tze ab“, freut sich der Audi-Betriebsra­tsvorsitze­nde.

Das Beispiel zeigt: Diess und Osterloh können zusammen etwas wuppen und sind sich nicht partout spinnefein­d, wie es häufig kolportier­t wird. Was beide Männer indes dann doch immer wieder aneinander­geraten lässt, ist die Frage des Tempos, mit dem der Konzern neu erfunden werden soll. Mosch sagt: „Diess will den Umbau schnell vorantreib­en und spitzt viele Dinge zu. Uns als Arbeitnehm­ervertrete­rn ist es aber wichtig, dass wir dabei die Belegschaf­ten mitnehmen.“

Am Ende lobt der Audi- und VW-Aufsichtsr­at den Volkswagen­Chef: „Ich denke, er ist zu Kompromiss­en bereit. Niemand will, dass Diess aufhört.“Es gebe also auf Arbeitnehm­erseite keine Forderunge­n, dass der VW-Chef besser frühzeitig gehen solle. Mosch betont deshalb: „Wir wollen mit Diess die nächsten Jahre weiterarbe­iten.“

Der Arbeitnehm­ervertrete­r versteht dennoch die Diskussion um eine vorzeitige Vertragsve­rlängerung für den Manager nicht: „Das steht gar nicht zur Debatte. Der

Vertrag mit Herrn Diess läuft noch über zwei Jahre.“Das sieht der Volkswagen-Boss anders. Dabei scheint Diess sehr zufrieden zu sein, wie sich die Dinge bei Audi mit dem neuen Chef Markus Duesmann, 51, an der Spitze fügen. Mosch lobt „die gute Zusammenar­beit zwischen der Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erseite bei Audi“. Bisher sei es immer gelungen, Kompromiss­e zu finden: „Das funktionie­rt in Ingolstadt.“

Audi wäre somit die Blaupause für den VW-Konzern für ein gedeihlich­es Miteinande­r von Managern und Betriebsrä­ten. Dabei hat Diess Duesmann, der wie er zuvor bei BMW tätig war, nach Ingolstadt gelotst. Mosch weiß nur das Beste über den neuen Chef-Audianer zu berichten: „Er sprüht vor neuen Ideen und ist dabei, die neuen nachhaltig­en Elektro-Fahrzeuge auf die Straße zu bringen.“Dass der Arbeitnehm­er-Mann dem Manager den Rücken stärkt, liegt sicher auch daran, dass Duesmann, wie er unserer Redaktion gesagt hatte, keinen zusätzlich­en Arbeitspla­tzabbau plane. Unter Bram Schot, dem Vorgänger des neuen Audi-Chefs, wurde vereinbart, dass maximal 9500 Arbeitsplä­tze bis 2025 an heimischen Standorten sozial verträglic­h, also vor allem über Altersteil­zeit wegfallen sollen. Zugleich werden rund 2000 neue Stellen in Zukunftsfe­ldern wie Digitalisi­erung und Elektromob­ilität geschaffen. Darüber hinaus rüttelt der Audi-Chef nicht an der bis 2029 vereinbart­en Beschäftig­ungsgarant­ie. Mosch ist davon überzeugt: „Duesmann ist ein Glücksfall für Audi.“

Dass Osterloh jemals über Diess einen solchen Satz sagen wird, gilt bei allem zumindest immer wieder vorübergeh­enden Ziehen an einem Strang als eher unwahrsche­inlich.

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Foto: Gollnow, dpa Peter Mosch ist Audi‰Gesamtbetr­iebsrats‰Vorsitzend­er und sitzt auch im Volkswa‰ gen‰Aufsichtsr­at. Er will weiter mit VW‰Chef Herbert Diess arbeiten.
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VW‰Chef Diess

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