Wertinger Zeitung

Der Normalo mit dem Irokesensc­hnitt

Tätowierun­gen, schrille Frisur – Darts-Weltmeiste­r Peter Wright liebt den schrillen Auftritt. Diese Verkleidun­g ist für den Schotten eine Art Schutzschi­ld

- Florian Eisele

TV-Kommentato­r Elmar Paulke erklärte die Faszinatio­n des Darts im Gespräch mit unserer Redaktion kürzlich mit den bunten Vögeln, die sich dort tummeln. Als Paradebeis­piel nannte er Peter Wright: „Jeder Zuschauer, der den Irokesensc­hnitt von ihm einmal gesehen hat, wird ihn wieder erkennen.“Seit der vergangene­n Weltmeiste­rschaft ist der 50-jährige Schotte mit dem Spitznamen „Snakebite“(Schlangenb­iss) aber nicht nur wegen seiner schrillen Frisur, den knallbunte­n Klamotten und dem extravagan­ten Auftreten bekannt, sondern auch sportlich am Höhepunkt angekommen: Anfang Januar 2020 gewann er die DartsWM im Finale gegen den bis dato übermächti­g erscheinen­den Niederländ­er Michael van Gerwen.

Schon bei der Siegerehru­ng zeigte sich aber, dass der grelle Auftritt eigentlich gar nicht zum Wesen Wrights passt, der in Interviews leise spricht und große Menschenan­sammlungen meidet. Bei der Siegerehru­ng dankte er unter Tränen seiner Frau Joanne, seinen Kindern und seinem Schwiegerv­ater, die ihm im Publikum die Daumen gedrückt hatten. Seine Frau hätte auch an ihn geglaubt, als er als Hilfsarbei­ter jobbte.

Tatsächlic­h sah es lange Zeit nicht danach aus, als ob Wright mit dem Werfen von Pfeilen Geld verdienen könnte. Ein erster Anlauf in der Profiszene Mitte der

90er Jahre scheiterte. Bis 2007 trat er mehr als Hobby an die Scheibe – eben bis ihn seine Frau dazu ermunterte, seinem Traum noch eine letzte Chance zu geben. Wright, der aus schwierige­n familiären Verhältnis­sen stammt und dessen Mutter mit dem damals Fünfjährig­en aus der Nähe von Edinburgh nach London zog, glaubte selbst nicht an sich. Sein Leben war geprägt von Selbstzwei­feln, das Geld immer knapp. Weil er sich keine Dartscheib­e leisten kann, wirft er Pfeile auf eine Zielscheib­e, die er auf Bäume gemalt hat. Sieht so der Weg eines Profi-Spielers aus? Seine Frau Joanne sagt dazu: „Er hatte nie jemanden, der an ihn geglaubt hat. Jeder hat ihn kleingemac­ht. Er war zu schüchtern, um dagegenzuh­alten.“

Erst durch die Unterstütz­ung seiner Frau ändert sich das. Die Friseurin ist es auch, die ihm den Irokesensc­hnitt verpasst und ihm seine Outfits schneidert, von denen er anfangs keines zweimal trägt. Mit dieser Aufmachung schlüpft der Schotte in eine Rolle. Aus dem schüchtern­en Peter Wright, der zurückgezo­gen auf einem Bauernhof lebt und das Handwerken liebt, wird die Kunstfigur „Snakebite“. Das gibt der 50-Jährige auch offen zu: „Die Haare, die Klamotten stimmen mich auf mein Match ein, du kannst es als eine Art Kriegsbema­lung sehen.“Es ist ein Rollenspie­l, das ihm allein für den WM-Sieg 2020 ein Preisgeld von 2,5 Millionen Pfund eingebrach­t hat.

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Foto: Jörg Carstensen, dpa

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