Wertinger Zeitung

Öltanker im Visier

Konflikt Ein Angriff auf einen Tanker in einem saudischen Hafen geht glimpflich aus. Doch der Vorfall zeigt, dass der beinahe vergessene Krieg im Jemen noch längst nicht beendet ist

- VON THOMAS SEIBERT Archivfoto: Tommy Chia/Aerial Photograph­er SG, dpa

Riad Nach der monatelang­en Flaute im Ölgeschäft wegen der CoronaPand­emie hoffen die Ölproduzen­ten der Golfregion wieder auf bessere Geschäfte. Die Nachfrage aus Asien steigt so stark an, dass die staatliche saudische Ölfirma Aramco den Preis für Lieferunge­n in die Region mit Großabnehm­ern wie China, Japan und Südkorea ab Januar anhebt. Doch jetzt taucht ein anderes Problem auf: Angriffe auf Öltanker in saudischen Gewässern gefährden den internatio­nalen Handel.

In der Nacht zum Montag traf es die unter der Flagge Singapurs fahrende „BW Rhine“, die vor dem saudischen Ölhafen in Dschidda nach einer Explosion in Brand geriet und am Rumpf beschädigt wurde. Das Feuer konnte schnell gelöscht werden, und es gab keine Verletzten. Dennoch stellt sich die Frage, ob eine neue Eskalation im Konflikt zwischen Saudi-Arabien und den vom Iran unterstütz­ten Huthi-Rebellen im benachbart­en Jemen bevorsteht. Die Huthis verstärken seit einiger Zeit ihre Anschläge auf den saudischen Ölsektor.

Die „BW Rhine“war für Aramco unterwegs und sollte 60 000 Tonnen bleifreies Benzin aus einem anderen saudischen Hafen nach Dschidda bringen, gehört aber der Reederei Hafnia in Singapur, die mit fast 180 Schiffen eines der größten ÖltankerUn­ternehmen der Welt ist. Vor Dschidda wurde die „BW Rhine“nach Angaben der Firma beim Entladen von einer Explosion erschütter­t. Ob es sich um eine Treibmine oder einen anderen Sprengsatz handelte, blieb zunächst offen. Der Hafen von Dschidda, der wichtigste in

wurde geschlosse­n. Mit dem Suez-Kanal im Norden und der Meerenge Bab al-Mandab im Süden ist das Rote Meer eine der zentralen Transitrou­ten des Welthandel­s.

In den vergangene­n Wochen hatte es in der Region mehrere Angriffe und Anschlagsv­ersuche gegeben, die auf Tanker in saudischen Gewässern und auf Öleinricht­ungen des Königreich­es zielten. Ende November war der maltesisch­e Tanker „Agrari“in der saudischen Hafenstadt Al Schukaik, rund 80 Kilometer von der jemenitisc­hen Grenze entfernt, durch eine Explosion beschädigt worden. Die saudischen Behörden hatten die Huthi-Rebellen für den Anschlag verantwort­lich gemacht. Saudi-Arabien fing kürzlich auch zwei mit Sprengstof­f beladene Boote der Huthis im Roten Meer nahe der Grenze zum Jemen ab und entschärft­e mehrere Treibminen, die laut der Regierung in Riad von den Huthis und aus dem Iran stammten. Die Huthis griffen außerdem eine Aramco-Ölanlage in Dschidda mit einer Rakete an.

Wenn die Explosion auf der „BW Rhine“das Werk der Huthis gewesen sein sollte, dann hätten die Rebellen ihren maritimen Aktionsrad­iSaudi-Arabien, us beträchtli­ch ausgeweite­t, analysiert­e die auf internatio­nale Schifffahr­t spezialisi­erte Sicherheit­sfirma Dryad Global: Immerhin liege Dschidda mehr als 500 Kilometer nördlich der jemenitisc­hen Grenze. Möglicherw­eise sei die „BW Rhine“mit einer Haftmine angegriffe­n worden; die iranische Revolution­sgarde hatte im vergangene­n Jahr zwei Öltanker im Persischen Golf mit Haftminen beschädigt.

Eine von Saudi-Arabien kommandier­te Allianz führt seit 2015 Krieg gegen die Huthis, die große Teile des Jemen und die Hauptstadt Saana kontrollie­ren. Der Konflikt ist ein Stellvertr­eterkrieg zwischen der sunnitisch­en Führungsma­cht Saudi-Arabien und dem schiitisch­en Iran. Der Krieg im ärmsten Land der arabischen Welt hat zehntausen­de Menschen getötet und die schlimmste humanitäre Katastroph­e der Welt ausgelöst. Trotz ihrer militärisc­hen Übermacht hat die saudische Allianz die Rebellen bisher nicht besiegen können.

Die Huthis setzen die Angreifer unter anderem mit Raketen- und Drohnenang­riffen auf saudisches Gebiet unter Druck. Im September des vergangene­n Jahres legte ein Drohnenang­riff der Huthis auf Aramco-Einrichtun­gen vorübergeh­end die Hälfte der saudischen Ölprodukti­on lahm – fünf Prozent der globalen Fördermeng­e.

Hoffnung auf ein baldiges Ende des Jemen-Krieges gibt es nicht. Die Organisati­on Ärzte ohne Grenzen teilte am Montag mit, die Zahl ziviler Opfer des Konfliktes steige. Das UN-Kinderhilf­swerk Unicef hatte vorige Woche erklärt, im Jemen drohe fünf Millionen Menschen der Hungertod.

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Der betroffene Tanker „BW Rhine“.

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